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Freitag, Oktober 4, 2024
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    Stahl hat Zukunft, der Kapitalismus aber nicht – Anton Dent

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    Ein Kommentar zu den Protesten der Duisburger StahlkocherInnen

    ThyssenKrupp will eine halbe Milliarde Euro sparen. Dafür sollen tausende Arbeitsplätze vernichtet werden. Arbeiterinnen und Arbeiter protestieren dagegen in Duisburg.

    Mehrere tausend StahlarbeiterInnen demonstrierten am Mittwoch unter dem Motto “Stahl ist Zukunft” gegen die Sparpläne des ThyssenKrupp-Vorstands in Duisburg. Dieser hatte vor wenigen Wochen angekündigt, 500 Millionen Euro einsparen zu wollen. Diesem Vorhaben drohen bis zu 4.000 Arbeitsplätze zum Opfer zu fallen. Im ersten Schritt sollen dabei die Querteilanlagen in Bochum und Duisburg-Süd unter die Räder geraten. Über alles weitere wird von Seiten des Vorstands geschwiegen. Viele ArbeiterInnen und GewerkschafterInnen sind sich aber einig, dass im Verlauf noch weitere Anlagen und Standorte zum Abschuss freigegeben werden.

    Hintergrund der Sparpläne ist die geplante Fusion von “ThyssenKrupp Steel” und dem indischen Konkurrenten “Tata Steel”, für die der Stahlbereich konzentriert werden soll. In der Stahlindustrie verschärfte sich zuletzt der Konkurrenzkampf um Weltmarktanteile sehr. Opfer sind hierbei zuerst immer die Arbeiterinnen und Arbeiter. ThyssenKrupp hat im Zuge dieser Konkurrenz bereits eine marktbeherrschende Stellung des Stahlbereichs verloren und will sich nun davon trennen.

    Am Mittwoch war die Angst vieler ArbeiterInnen und ihrer mitgebrachten Angehörigen beim Aktionstag der IG Metall auf dem Werksgelände deutlich zu spüren. Angst um den Arbeitsplatz, um die Zukunft und die eigene Existenz. Das Auskommen der ArbeiterInnen im Kapitalismus ist gebunden an den erfolgreichen Verkauf der eigenen Arbeitskraft. Nur so lässt sich für die überwiegende Mehrheit der Menschen Geld verdienen, das einem Teilhabe an einem kleinen Teil des gesellschaftlichen Reichtums gewährt. Die KapitalistInnen sind an der Arbeitskraft aber nur so lange interessiert, wie sich mit ihr Profite erwirtschaften lassen. Der Profit ist das einzige Handlungsmotiv für die Eigentümer und Manager der Konzerne und das nicht nur, weil sie moralisch fragwürdig wären – das sicher auch – sondern weil sie vom Konkurrenzkampf dazu gezwungen werden. Ebenso wie die ArbeiterInnen mit ihrer Arbeit das Geldverdienen zum Ziel haben, so auch die Kapitalisten mit dem Einsatz ihres Kapitals. Somit sind die ArbeiterInnen im Kapitalismus immer dem Profitstreben des Kapitals ausgeliefert.

    Diesem Profitstreben müssen sich die ArbeiterInnen entgegenstellen und ihre Interessen gegen ihn verteidigen. Dies ist die Grundlage aller Arbeitskämpfe. Jede Tarifrunde ist eine Auseinandersetzung über das Verhältnis von Lohn und Profit. Das Plus des Einen ist das Minus des Anderen und umgekehrt. Darüber, ob die Gewerkschaften diese Auseinandersetzung immer intensiv genug führen und die Kraft der ArbeiterInnen dafür einsetzen, dem Kapital etwas abzutrotzen, lässt sich bestimmt streiten. Sicher ist aber, dass die ArbeiterInnen hier selber genug in die Waagschale zu werfen hätten, um sich gegen das Kapital zu behaupten. Schließlich verschafft der Verkauf ihrer Arbeitskraft den ArbeiterInnen nicht nur Lohn, sondern den KapitalistInnen auch reichlich Profit, da die von den ArbeiterInnen geschaffenen Produkte mehr wert sind als die Arbeitskraft selbst.

    Wenn aber, wie jetzt bei ThyssenKrupp, die Arbeitsplätze selbst als Kostenfaktoren gestrichen werden, die Ausbeutung der menschlichen Arbeit nicht mehr profitabel ist, dann wird es schwer mit dem Einsatz der altbekannten Kampfmittel. Ein Appell allein an das Gewissen des Vorstands wird das Profitstreben nicht umlenken können, egal wie kraftvoll und kämpferisch er auch sein mag. Ein Streik aller StahlarbeiterInnen könnte die letzte Rettung sein, denn klar ist auch, das ThyssenKrupp bis zuletzt  versuchen wird, jede Tonne aus den ArbeiterInnen herauszuquetschen. Hiervon war leider aber bei allen Rednern aus Politik und Gewerkschaft am Mittwoch nichts zu hören. Diese gaben sich teils wortradikal, doch mehrheitlich inhaltsleer. Die Politiker machten Wahlkampf und die Gewerkschaftssekretäre mussten ihren Beruf rechtfertigen. Doch selbst der Streik, so wichtig er auch jetzt wäre, ist bei Standortschließungen und Arbeitsplatzabbau ein begrenztes Mittel, denn das, was man androht – also nicht zu arbeiten – ist ja letzten Endes eh das Ergebnis.

    In Zeiten der „Industrie 4.0“, in der menschliche Arbeit immer überflüssiger wird, weil Robotisierung und Digitalisierung die Produktionskosten senken, wird es dringend und notwendiger denn je, grundlegend über unsere Gesellschaft und Wirtschaft nachzudenken. Laut Studien kann in 20 Jahren die Hälfte aller Jobs vollkommen automatisiert sein. Taxifahrer, Kuriere, Kassiererinnen oder Buchhalterinnen gibt es dann wahrscheinlich gar nicht mehr. Eine Horror-Vorstellung für viele Menschen, denn wie gesagt ist der Verkauf der Arbeitskraft die alleinige Existenzgarantie der ArbeiterInnen. Wer keine Arbeit hat, hat in dieser Gesellschaft nichts Gutes zu erwarten. Neben Armut folgt auf Arbeitslosigkeit vor allem Entrechtung und soziale Verachtung.

    In einer Gesellschaft aber, in der das Recht auf Privateigentum aufgehoben wäre, die KapitalistInnen also nicht mehr die Verfügungsgewalt über die Maschinen und Fabriken besäßen, und in der damit auch das Produzieren um des Profits willen endlich ein Ende fände, da führte die Technologisierung zu mehr Freizeit, und zur Freiheit, diese auch zu genießen. Produziert würde dann nur noch für den gesellschaftlichen Bedarf, und jeder hätte das Recht, zu partizipieren und am gesellschaftlichen Reichtum teilzuhaben. Stahl wird dann produziert, weil er gebraucht wird und nicht weil sich Geld damit verdienen lässt. Und ließe sich die Produktion komplett ohne Menschen durchführen, umso besser, denn der Stahl würde einem ja dennoch gehören.

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