Mit über hunderttausend Angehörigen ihrer Streitkräfte beherrschen die USA den Pazifik. 60.000 davon sind allein in Japan und Korea stationiert. China fürchtet eine größer werdende Präsenz dieser Truppen, denn sie bedrohen die außenpolitischen Ambitionen der aufsteigenden Weltmacht. Wie präsent ist Washington in Ostasien?
Die US-Streitkräfte haben insgesamt knapp 800 Stützpunkte im Ausland. Über 200 davon liegen in Ostasien. Army, Navy und Airforce besetzen in Japan 122 Stützpunkte und in Südkorea insgesamt 83. Washington hat eine Truppenstärke von ca. 39.000 in Japan und 23.000 in Südkorea. Der Flugzeugträger USS Donald Reagan schwimmt permanent in japanischen Gewässern.
Die USA haben damit den größten Teil ihrer Truppen außerhalb ihres Territoriums nach Japan verlagert. Ein Großteil dieser Truppen ist auf der Insel Okinawa stationiert, wo sie äußerst unbeliebt sind, da es immer wieder zu Belästigungen und Misshandlungen der einheimischen Bevölkerung kommt. In Südkorea haben die USA zudem mit dem THAAD ein hochmodernes Raketenabwehrsystem installiert, mit dem chinesische oder nordkoreanische Raketen abgeschossen werden könnten.
Auf der amerikanischen Inselgruppe Hawai sind fast 40.000 Streitkräfte stationiert. Auf der pazifisischen Insel Guam, die zu den USA gehört und nur 3.400 Kilometer von Korea entfernt ist, sind eine Marinebasis, eine Luftwaffenbasis mit B52-Bombern und Kampfjägern und eine hybride Basis aus Navy und Airforce angelegt. Mit insgesamt fast 4.000 US-Streitkräften ist auch diese Basis von Bedeutung. Wie auf Okinawa wächst auch auf Guam die Unzufriedenheit der 160.000 zählenden einheimischen Bevölkerung gegen die Präsenz der Militärs. Zudem gibt es in Südostasien kleinere US-Stützpunkte.
Insgesamt haben die USA damit über 100.000 Soldaten im Pazifik aufgestellt, über 60.000 davon in Ostasien. In China spricht man daher nicht umsonst von einer Umzingelung.
Chinas ökonomische Integration in Ostasien
Mit der Gründung der Volksrepublik China im Jahr 1949 wuchs das sozialistische Lager um über 500 Millionen Menschen an. Dies stellte einen großen Sieg für die revolutionären Bewegungen der Welt dar. Chinas kommunistische Staatsführung förderte in den folgenden Jahren andere kommunistische und antikoloniale Bewegungen in Asien, Afrika, Lateinamerika und Europa. Unter anderem unterstützte Beijing Nordkorea im Korea-Krieg 1950-1953 gegen die USA.
Die Reform- und Öffnungspolitik Chinas seit den späten 70ern veränderte jedoch die Beziehungen der Volksrepublik zu seinen Nachbarstaaten in Ost- und Südostasien. Den Eliten in Beijing ging es nicht mehr um Klassenkampf im Inneren und Unterstützung revolutionärer Bewegungen im Ausland, sondern um eine „Normalisierung“ der Beziehungen zum Ausland: Gute diplomatische Beziehungen, wirtschaftliches Wachstum, Technologie- und Wissenstransfer sowie Landesverteidigung – das sind seitdem die entscheidenden Kriterien chinesischer Außenpolitik. Die Integration in die ostasiatischen Märkte war dafür ein entscheidendes Etappenziel. Und Beijing hatte durchaus Erfolg damit.
China ist heute nicht nur der wichtigste Handelspartner für Deutschland, sondern auch für Nordkorea, Südkorea, Japan, Taiwan und Singapur. Ein Großteil des chinesischen Wirtschaftswachstums der letzten Jahrzehnte entstammt den guten wirtschaftlichen Beziehungen zu den anderen ostasiatischen Nachbarn. Und da China militärisch noch nicht mit den USA mithalten kann, ist es als aufsteigende Weltmacht bisweilen an einer friedlichen Aufholjagd interessiert. Deswegen drängt China auch auf eine „friedliche Lösung“ des Konflikts um das Atomwaffenprogramm Nordkoreas.
Konflikt zwischen ökonomischem Aufstieg und Sicherheitsinteressen Beijings
Es ist nicht verwunderlich, dass Beijing eine wachsende Präsenz Washingtons in Ostasien fürchtet. Als Herausfordererin der US-Hegemonie würden die Interessen und geopolitischen Perspektiven Chinas dadurch direkt bedroht. China muss sich darum bemühen, die Präsenz Washingtons in Ostasien zurückzudrängen. Während die USA daran interessiert sind, Gründe für eine zunehmende US-Präsenz in Ostasien zu finden, muss China versuchen, solche Begründungen zu entkräften.
Das weiß auch Kim Jong Un. Er provoziert den Rest der Welt aber nicht, weil er verrückt ist, sondern weil er sich dieser geopolitischen Konstellation bewusst ist. Nordkorea ist weitgehend auf sich allein gestellt und benötigt deswegen die Atombombe zur Abschreckung seiner Feinde. Ob das zu mehr US-Präsenz in der Region führt, ist für Nordkorea nebensächlich. Für China hingegen ist das der springende Punkt.
Der Streit um die Atomwaffen- und Raketentests Nordkoreas dreht sich hauptsächlich um genau diesen Punkt. Die USA können jede Provokation durch Nordkorea nutzen, um ihre wachsende Präsenz in der Region zu legitimieren. In den bilateralen Gesprächen zwischen China und den USA muss es in den letzten Wochen zu einem Punkt gekommen sein, an dem Beijing lieber Sanktionen gegen Pjöngjang umsetzt als eine Eskalation mit dem Kabinett Trumps zu riskieren. China opfert vor diesem Hintergrund lieber nordkoreanische Importe im Wert von einer Milliarde US-Dollar als von noch mehr Marines umzingelt zu werden.