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Mittwoch, April 24, 2024
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    Petry will doch lieber keine Faschistin sein? – von Thomas Stark

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    Die Überraschung war ihr gelungen: Am Tag nach der Bundestagswahl hat Frauke Petry, seit 2015 Vorsitzende der AfD, in der Bundespressekonferenz vor der versammelten Parteispitze und der Hauptstadtpresse angekündigt, sie wolle der künftigen drittstärksten Fraktion im Parlament nicht angehören. – Ein Kommentar zu Frauke Petrys Plänen, eine neue Partei zu gründen.

    In den Tagen darauf legten Petry und ihr Ehemann, AfD-Landeschef in NRW Marcus Pretzell, nach: Beide wollen das Flaggschiff der „Neuen Rechten“ verlassen und eine Abspaltung gründen. Ihre Mandate in Bundestag und sächsischem Landtag (Petry) sowie im NRW-Landtag und EU-Parlament (Pretzell) behalten sie trotzdem.

    Letzteres ist durchaus klug, denn es sichert ihnen neben jeder Menge Geldmitteln auch eine gewisse Öffentlichkeit für ihr politisches Projekt. Dass dieses Manöver nach Petrys eigenem Bekunden von langer Hand geplant war (nämlich offenbar seit ihrer faktischen Entmachtung beim Kölner AfD-Parteitag im April); dass ihre ganze Wahlkampagne im Rahmen der AfD damit ein reiner Trick war, mit dem sie ihre WählerInnen geleimt hat; dass also offenbar die Dreistigkeit der Rechten bei ihren Spielen um Macht und persönliche Bereicherung noch etwas ausgeprägter ist als beim Durchschnitt der gegenwärtigen bürgerlichen PolitikerInnen – all das ist nicht wirklich unser Problem und sei hier deshalb nur am Rande erwähnt.

    Interessant ist vielmehr die Begründung für ihren Schritt: Die AfD sei Petry und Pretzell zu weit nach rechts gerückt. Statt des auf Provokation setzenden, offen faschistischen Kurses von Meuthen, Gauland, Weidel und Höcke wollten sie eine „konstruktive“, auf Regierungsfähigkeit abzielende Politik entwickeln. Ihr Ziel sei eine Art „bundesweite CSU“. (Link).

    Interessant ist diese Aussage deshalb, weil die früheren AfD-Führer Bernd Lucke und Hans-Olaf Henkel dasselbe sagten, als sie die Partei 2015 verließen, ihre Mandate ebenfalls behielten und eine neue Partei gründeten. Damals waren sie es, die im internen Machtkampf der AfD den Kürzeren gezogen hatten – und zwar gegen Frauke Petry, Marcus Pretzell und die nun von ihnen gescholtenen Nazis.

    Lauter Liberale und moderate Konservative also, die arglos von rechten Fanatikern ausgebootet worden sind? Mitnichten. Keiner der nun angeblich geläuterten Ex-AfDler braucht heute so zu tun, als hätten sie mit der faschistischen Politik eines Gauland oder Höcke nichts zu tun. Ein ehemaliger Chef des Bundesverbandes der deutschen Industrie wie Henkel braucht sich nicht als naiv hinzustellen. Es handelt sich um politische Vertreter des Kapitals, die im Interesse dieses Kapitals mit der AfD eine neue faschistische Partei aufgebaut und groß gemacht haben. Diese Partei erfüllt für die deutschen Unternehmer heute bestimmte politische Funktionen, z.B. die Beeinflussung der Meinungen und Stimmungen in der Bevölkerung zugunsten eines rassistischen und nationalistischen Klimas. Anstatt die kapitalistischen Verhältnisse in Frage zu stellen, soll die Arbeiterklasse sich selbst in Frage stellen: Ihre KollegInnen aus anderen Ländern, Hartz IV-EmpfängerInnen, Geflüchtete, usw. Ein solch vergiftetes Klima schafft auch den Boden für neue Angriffe von Kapital und Regierung – ob in Form der Erhöhung des Renteneinstiegsalters, der Verschärfung der Zuwanderungsregeln oder vieler anderer Maßnahmen.

    Lucke, Henkel, Petry, Pretzell – sie alle gehören zu den Urhebern und Antreibern dieses Projektes. Sie alle haben dafür gesorgt, dass die AfD als faschistische Partei stark wird und in die Parlamente einzieht. Dass das Erfordernis für eine faschistische Partei, mit Nazi-Parolen Wahlkampf zu betreiben und die eigene Massenbasis zu erweitern, an einem bestimmten Punkt womöglich in Widerspruch zu ihren unmittelbaren Interessen als Kapitalvertreter oder auch nur zu ihrer persönlichen Karriereplanung geriet, ändert daran nichts.

    Lucke und Henkel haben in der Zwischenzeit die kleine Partei „Liberal-konservative Reformer“ gegründet, deren ursprünglicher Name „ALFA“ wohl den eigenen elitären Anspruch und eine Distanz zur kleinbürgerlichen, teils proletarischen AfD-Basis unterstreichen soll. Man will als „Alpha-Tiere“ unter sich sein und sich ganz auf offensive Unternehmerpolitik konzentrieren können.

    Ob Petry und Pretzell auch einen solchen Weg gehen werden oder ob sie sich doch damit begnügen, ihre üppigen Abgeordnetengelder einzustreichen, bleibt erst einmal abzuwarten.

    • Perspektive-Autor seit 2017. Schreibt vorwiegend über ökonomische und geopolitische Fragen. Lebt und arbeitet in Köln.

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