Ein Interview mit Stefan Stork über die Arbeitsbedingungen als Leiharbeiter in der Logistikbranche.
Du arbeitest als Leiharbeiter bei einem Logistikunternehmen am Flughafen Köln/Bonn. Wie ist es dazu gekommen?
Ich musste dringend Geld verdienen und habe mich bei einer bekannten niederländischen Leiharbeitsfirma am Flughafen beworben, die den Job ausgeschrieben hatte. Nach einem kurzen Bewerbungsgespräch und einer Sicherheitsüberprüfung habe ich erst ca. anderthalb Monate warten müssen. Dann bekam ich plötzlich den Anruf, ob ich am nächsten Tag in der Nachtschicht anfangen könnte.
Wie können wir uns Deinen Job vorstellen?
Ich arbeite in einem Paketlager. Dort kommen Pakete sowie Briefe und Sperrgut mit Flugzeugen und LKW an, werden sortiert und wieder in Flugzeuge und LKW geladen. Am Anfang habe ich Luftfrachtcontainer entladen. Dabei muss alles, was in dem Container ist, so schnell wie möglich auf ein Fließband gehievt werden. Das ist sehr anstrengend und schlecht für den Rücken, weil man teilweise schweres Sperrgut vom Boden aufheben muss. Nicht immer ist gerade ein Kollege da, der mit anpacken kann. Mittlerweile arbeite ich vor allem bei der Beladung von Containern, mache also das Gegenteil.
Wie viele Stunden musst Du arbeiten und was bekommst Du dafür?
Erstmal findet sämtliche Arbeit nachts statt, weil dann die Flugzeuge starten und landen. Beim Entladen dauert die Schicht ungefähr fünf bis sechs Stunden. Zwischen den ankommenden Flugzeugen gab es zum Glück längere Pausen. Jetzt, da ich belade, ist die Arbeit zwar nicht ganz so anstrengend, dafür muss ich jede Nacht von 19.30 Uhr bis morgens 6.15 Uhr ran. Zwischendurch gibt es 45 Minuten Pause. Mittwochs und sonntags habe ich meist frei. Das bedeutet, dass ich zum Beispiel in der Nacht von Samstag auf Sonntag arbeite und dafür Sonntagszuschläge bekomme. Hiermit und mit Nachtzuschlägen lande ich netto bei etwa 1300 Euro.
Klingt nicht nach einem Traumjob. Wie siehst Du Deine Tätigkeit?
Logistikfirmen wie FedEx, UPS, DHL und andere haben ihre Flieger, LKW und Sprinter. Die dürfen nicht lange rumstehen. Es gibt Pläne, nach denen alles laufen muss. Das Flugzeug muss landen, entladen werden, wieder beladen werden, dann wieder abheben. Jede überflüssige Minute kostet die Firma Geld und senkt den Gewinn. Dafür lässt man die Arbeiter unter Volltempo Pakete werfen und brüllt sie an, dass sie schneller machen sollen. Wir sind im Welthandel so etwas wie die Verschleißteile, die für den reibungslosen Ablauf sorgen. Das Ganze auf Kosten unserer Gesundheit: Ständige Nachtarbeit ist nicht gut für Dich. Das Lager ist staubig. Dann noch das Pakete heben. Die meisten machen die Arbeit nicht sehr lange und suchen sich schnell etwas Anderes.
Wie ist es als Leiharbeiter im Lager?
Man merkt vom ersten Tag an, dass wir in der Hackordnung der Firma ganz unten stehen. Von uns kann man Dinge fordern, die bei der Stammbelegschaft vom Tarifvertrag her ausgeschlossen sind, z.B. die 10,75-Stunden-Schichten. Hier wird alles aus uns rausgeholt, was das Gesetz gerade noch zulässt. Die Arbeitsverträge sind immer befristet mit sechs Monaten Probezeit. Will man sich krankmelden, wird einem von der Leiharbeitsfirma nahelegt, darauf lieber zu verzichten. Manchmal rufen die einen am freien Tag an, wenn man morgens aus der Nachtschicht gekommen ist und schläft, und sie sprechen einem auf die Mailbox, dass man abends doch arbeiten kommen müsste. Ein Kollege hat seine Sachbearbeiterin in einer ähnlichen Situation mal ganz direkt gefragt, ob sie will, dass er stirbt.
Wie ist denn das Verhältnis zwischen den Kollegen?
Am Anfang war es schwierig, weil viele Festangestellte uns Leiharbeiter herumkommandiert haben. Mittlerweile setzen sich einige Betriebsräte dafür ein, durch Aufklärung etwas daran zu ändern. Aber vor allem muss man selber sehen, dass man es nicht mit sich machen lässt! Wir haben mal in unserer Schicht durchgesetzt, dass die Pakete, die morgens nach den 10,75 Stunden noch nicht wegsortiert sind, eben liegenbleiben. Da wollten sie uns tatsächlich noch zu Überstunden überreden – wir sind aber einfach alle gegangen.
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