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Mittwoch, April 24, 2024
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    „Alle sind dem Willen der Eigentümer-Familie ausgesetzt!“

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    Interview mit Dominik Schuhmann über einen feudalen Familienbetrieb

    Herr Schuhmann, Sie haben kürzlich Ihren Job in einem mittelständischen Betrieb verloren. Um was für einen Betrieb handelte es sich?

    Ich habe fertig studiert und vor kurzem erst meine erste Arbeit angefangen. Ich wurde in einem Unternehmen als Ingenieur im technischen Support eingestellt. Der Betrieb ist ein mittelständisches Familienunternehmen hier in Süddeutschland. Es hat etwa 800 Mitarbeiter weltweit, 400 davon hier in Deutschland, der Rest ist auf Standorte in den USA, Indien und China verteilt.

    Warum wurde Ihnen gekündigt?

    Ich habe die Arbeit sehr gerne ausgeführt und war auch gut in dem Job. Dann war es aber so, dass der Juniorchef in der Familie angekommen ist und mich zu seinem eigenen Projekt abgezogen hat. Zusätzlich sollte man aber noch die vorherigen Aufgaben erfüllen. Man hatte also plötzlich eine Doppelbelastung. “Nein” sagen konnte man nicht: obwohl der Bedarf für die vorherigen Aufgaben nicht weggefallen war, musste man sich plötzlich auf das neue Projekt des Juniors stürzen. Und wenn man nicht wollte, war es auch egal, was sinnvoll für den Betrieb war. Man wurde einfach entlassen oder der Vertrag lief kommentarlos aus. Das ist auch mir passiert.

    Es gab öfter solche Probleme in diesem Betrieb?

    Genau. Das Problem ist, dass es ein Familienbetrieb ist, der aktiv von der Familie geführt wird. Der Betrieb wurde vor knapp 100 Jahren gegründet. Die dritte Generation mit dem Junior ist am schlimmsten. Die Beiden entscheiden aus ihrem eigenen Gutdünken, was gut und was schlecht ist – egal ob es betriebswirtschaftlich sinnvoll ist. Wenn etwas ihnen nicht gefällt oder wenn Leute ihnen nicht zusagen, dann fallen die relativ schnell aus dem Betrieb heraus.

    Können Sie das ausführen, Herr Schuhmann?

    Es kam vor, dass der Eigentümer der Firma mit Mitarbeiterinnen Beziehungen eingegangen ist. Für eine einfache Mitarbeiterin schien das natürlich „praktisch“. So konnte sie aufsteigen und hatte den Vorteil, dass sie ihre eigene Familie irgendwie in das Unternehmen reinbekommen konnte. Da wurde dann auch nicht mehr gefragt: Wieso? Weshalb? Warum? Da wurden dann einfach Stellen geschaffen für diese Familienmitglieder.
    Aber sobald die Beziehung zu Ende war, wurde die Mitarbeiterin samt Familienanhang aus dem Unternehmen entfernt. Das heißt, dass dann ganze Familien, die vorher dort wohlwollend platziert wurden, ihre Jobs mit einem Schlag verloren haben. Das ist nicht nur einmal passiert. Der Eigentümer hat Kinder mit mehreren Mitarbeiterinnen, und dasselbe ist mehrfach hintereinander passiert.

    Gibt es dagegen denn keine Unterstützung seitens einer Gewerkschaft oder des Betriebsrats?

    Der Betriebsrat ist bei so einem großen Unternehmen natürlich vorhanden. Das Problem bei dem Unternehmen ist, dass der Betriebsrat eher ineffektiv ist und sich nicht so stark um die Bedürfnisse der Mitarbeiter kümmert, sondern um künstlich geschaffene Problemfälle. Zum Beispiel hat er einigen Mitarbeitern sogar eine Art Stechuhr aufgezwungen, obwohl das keiner wollte. Der Betriebsrat hat seine Funktion praktisch nicht erfüllt. Im Gegenteil.

    Wie kam das?

    Ich würde sagen, dass die meisten Menschen im Betriebsrat irgendwie mit der Eigentümerfamilie oder mit dem Unternehmen verbandelt sind, sodass sie ein Eigeninteresse haben, dem Unternehmen nicht zu schaden.

    Heißt das, dass der Betriebsrat gar nichts für die MitarbeiterInnen gemacht hat?

    Klar versucht er, die Aufgaben eines Betriebsrats zu erfüllen. Es gibt Betriebsratswahlen und so weiter und so fort. Das wird alles schön organisiert.
    Die Machtposition ist aber eindeutig nicht auf Seiten des Betriebsrats, sondern klar auf Seiten der Familie, die dann trotz allem ihren Willen durchsetzt.
    Da kann der Betriebsrat noch so viel rumzappeln wie er will. Das sorgt vielleicht für eine größere Abfindung. Aber letztlich setzt sich der Wille der Familie durch. Mit ihrem eigenen Süppchen, das sich die Chefs kochen, behaupten sie sich einfach, und das hat dann auch nichts mit unternehmerischen Zielen zu tun. Da muss nur eine/r den Herren oder Damen auf den Fuß getreten sein, und dann gibt es schon einen Kündigungsgrund. Das war praktisch ein Feudalismus 2.0, in dem alle von einer Familie abhängig sind.

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