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Zeitung für Solidarität und Widerstand

„Wenn du alleine bist, kriegst du schnell Stress“

Costa Musorov über die Arbeit bei Remondis – ein Interview von Pa Shan

Die Badische Zeitung hat darüber berichtet, wie in der Freiburger Umgebung (Emmendingen, Schwarzwald) viel Hausmüll liegen geblieben ist. Verantwortlich sei die Firma Remondis. Sie arbeiten für diese Firma. Können Sie etwas dazu sagen? 

Das Problem mit dem Müll ist, dass wir nicht mehr genug Mitarbeiter haben, um die kompletten Routen in den Dörfern zu schaffen. Sie haben Fahrzeuge und Mitarbeiter gestrichen, um Kosten zu sparen. Deswegen gibt es oft nur zwei LKW, wo drei nötig wären. Das braucht dann mehr Zeit, aber ab 16 Uhr muss die Arbeit schon beendet sein. Wir dürfen dann nicht weiter arbeiten. Wir riskieren dann sogar Geldstrafen. Denn es gibt ein Zeitlimit jede Woche und das dürfen wir nicht übertreten. Deswegen müssen wir den Müll manchmal liegen lassen. Dann wird das direkt von den Bewohnern reklamiert und die nächste Schicht muss den Müll mitnehmen.

Wer bekommt die Geldstrafe? Remondis oder die ArbeiterInnen?

Wir als Mitarbeiter bekommen die Geldstrafen und müssen sie bezahlen, nicht Remondis.

Können Sie mehr über die Arbeit erzählen?

Normalerweise müssten wir auf jeder Fahrt ein Fahrer und zwei Lader sein. Das wäre normal. Wir sind aber immer nur noch ein Fahrer und ein Lader. Und die Arbeit wird immer mehr. Auch ohne Extratouren ist es schon viel. Wenn der Lader alleine ist, muss er immer links und rechts, links und rechts gucken. Der muss dann auch auf die andere Straßenseite aufpassen und seine Augen mehr aufmachen. Es gibt viel Straßenverkehr. Mit zwei Ladern ist es einfach. Dann gibt es weniger Risiko. Wenn du alleine bist, kriegst du schnell Stress. Wenn du auf die andere Straßenseite gehst, warten viele Leute nicht. Und es passiert, dass du mit den Autofahrern streiten musst. Du siehst die Autos nicht wegen der Größe des eigenen LKW.

Passieren dabei dann auch Unfälle?

Ja, es passieren manchmal richtige Verletzungen dabei. Von der Firma gibt es aber kein Geld dafür.

Was ist das größte Problem für die Arbeiter?

Ich denke, das größte Problem ist einfach dieser niedrige Lohn. Ein guter Lohn motiviert die Leute. Wenn du gutes Geld zum Leben bekommst, dann machst du die Arbeit auch gerne. Aber so ist es nicht. Wir kriegen viel zu wenig. Unter 10 Euro meistens.

Haben Sie einen Tariflohn?

Nein, es gibt keinen Tariflohn. Bei der Stadt gibt es einen Tariflohn. Bei uns nicht. Remondis ist eine private Firma, die zahlt ganz unterschiedliche Löhne. Bei ASF kriegt man z.B. einen Tariflohn, aber wir nicht. Es gibt Fahrer oder Lader, die mehr bekommen, andere bekommen weniger. Früher gab es eine Firma die Sita hieß. Remondis hat die gekauft und die Arbeiter von dieser Firma haben immer noch den alten Lohn, der über 10 Euro pro Stunde ist. Die anderen Lader und Fahrer von Remondis bekommen aber deutlich weniger.

Werden Überstunden bezahlt?

Überstunden werden erst bezahlt, wenn man über 120 Überstunden gesammelt hat. Und man kann Geld oder Urlaubsstunden bekommen. Kurzurlaub kann man auch schon nehmen, wenn man die 120 Stunden noch nicht angesammelt hat.

Was passiert, wenn man nicht die ganze Strecke schafft?

Wir riskieren eine Strafe, wenn wir die Touren immer nicht zu Ende bringen. Die nehmen uns dann 20-30 Euro direkt von unserem Lohn weg. Aber das passiert nicht oft. Ich kenne nur einen, dem das passiert ist. Die machen damit nur ein bisschen Angst.

Das heißt, sie üben auf die Arbeiter Druck aus, kürzen Arbeiter, kürzen Fahrzeuge, zwingen ihnen mehr Arbeit auf und bestrafen sie auch noch, wenn sie das nicht hinbekommen?

Ja, genau so läuft das.

Wie sieht es mit den Möglichkeiten zu Gesprächen unter Kollegen aus?

Das Problem ist die Privatsphäre. Es gibt z.B. Leute, die Sachen weitersagen und dann kannst du viel Ärger vom Chef kriegen. Du kannst oft nicht so offen reden. Du musst genau wissen, mit wem du reden kannst und mit wem nicht. Du kannst nicht gleich allen vertrauen.

Wurden Leute schon gekündigt, weil sie das Falsche gesagt oder sich verletzt haben?

Bisher weiß ich von keinem Fall. Aber es gibt eine schwarze Liste. Da sind Leute drauf, die sich oft krank melden. Und wenn die zu oft krank werden, kriegen sie die Kündigung.

Wie könnte man die Situation verbessern? Vielleicht mit dem Chef reden?

Ich denke einfach, dass die Chefs mehr Empathie haben müssten. Die selber arbeiten nicht mit dem Müll. Und wenn wir eine Frage oder einen Wunsch haben, sollten sie uns zuhören. Aber das Problem ist, dass es durch das eine Ohr reingeht und durch das andere direkt wieder rauskommt.

Wie könnte man den Chef überzeugen?

Die müssen einfach verstehen, was los ist. Die machen den Mitarbeitern Stress, wenn sie krank werden. Die sagen dann: Wir brauchen dich. Das ist keine Empathie. Wenn du krank bist, bist du krank. Warum muss man dafür Stress bekommen?

Gibt’s eine Möglichkeit, sich gemeinsam zu wehren?

Der Chef entscheidet über höhere Löhne gemeinsam mit den Leuten von der Disposition. Aber die entscheiden immer dagegen. Es geht nicht, sagen sie. Auch mit den Betriebsräten reden die. Aber die Leute auf hohen Posten sprechen sich immer dagegen aus. Das ist das Problem.

Gibt es Arbeiter, die schon einmal gestreikt oder demonstriert haben?

Ich habe gehört, dass es früher die Idee gab zu streiken. Aber keiner hat sich getraut, weil es viele gibt, die Angst vor einer Kündigung haben. Einfach aus Angst ist nichts passiert. Es gibt auch viele Leiharbeiter, zwischen 10 und 20 Prozent. Und es werden immer mehr. Die haben auch nichts mit Remondis zu tun. Die kommen von anderen Firmen und kriegen oft sogar mehr Lohn als die Arbeiter von Remondis.

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Pa Shan
Pa Shan
Perspektive-Korrespondent, Chinaforscher, Filmliebhaber, Kampfsportler

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