„Nichts auf der Welt ist mächtiger als eine gute Geschichte. Nichts kann sie aufhalten, kein Feind vermag sie zu besiegen“, sagt Tyrion Lannister zum Abschluss von „Game of Thrones“. Damit spricht die fiktive Figur stellvertretend für Millionen enttäuschter Fans aus, was das Problem der letzten Staffel war: Die überaus schlechte Geschichte. – Ein Kommentar von Pa Shan
***Achtung! Spoiler-Alarm! Wer nicht wissen will, was in der letzten Staffel von „Game of Thrones passiert, sollte nicht weiterlesen***
Man kann darüber streiten, ab wann die Erzählweise der TV-Serie nachließ und in welchen Folgen welche Mängel zu finden sind. Es muss da keine Einigkeit geben, denn Geschmäcker sind verschieden. Nicht allen Fans der Serie muss jede Szene gefallen. Aber die 8. Staffel ist schlicht und einfach schlecht geschrieben.
Ich will nicht aufzählen, was alles schief lief in dieser Staffel. Etliche Charaktere wurden kaputt gemacht, angefangen von Brienne von Tarth bis hin zum Nachtkönig und Jaime Lannister. Viele Handlungsstränge wurden plötzlich zerrissen. Es lief extrem viel schief – obwohl wir auch ganz wunderbare Szenen, grafische Effekte und unerwartete Wendungen erleben durften. Der Aufwand für all das hat epische Ausmaße angenommen.
Die Arbeit der gesamten Crew war großartig – mit Ausnahme der zwei Hauptverantwortlichen für das Skript: Daniel B. Weiss und David Benioff. Diese beiden haben ihre Arbeit eindeutig schlecht gemacht. Daran sollte es keine Zweifel geben.
„Aus dem gottverdammten Nichts“
Emilia Clarke, die Daenerys Targaryen spielte, kommentierte über das Ende ihrer Figur in der letzten Staffel, dass es „aus dem gottverdammten Nichts“ kam. In der Tat. Nachdem die begnadete Schauspielerin etliche Jahre lang die Mutter der Drachen mit Bravour gespielt hatte, hat man sie gezwungen, den Charakter innerhalb von zwei Folgen abrupt zu demolieren.
Das Problem ist dabei nicht, dass Daenerys zur verrückten Königin wurde, wie wir es alle bereits seit langem erwartet hatten. Das Problem ist, dass der erwartete Wandel der Figur völlig unglaubwürdig erzählt wird, dass ihr Gesinnungswandel zu einem schlechten Witz geworden ist, anstatt das bittersüße Ende einzuleiten, das man uns versprochen hatte.
Der Tod mehrerer Figuren aus Daenerys‘ Team und mehrfacher Verrat an ihr wäre eigentlich ein guter Hintergrund, um das Abdriften der Sklavenbefreierin und Erobererin zur paranoiden und wild gewordenen Tyrannin einzuleiten.
Aber es macht künstlerisch keinen Sinn, den Wandel ihres Charakters genau in die Szene zu legen, in der es nur eine sinnvolle Handlung für sie geben konnte: Königsmund von der regierenden Tyrannin Cersei Lannister zu befreien, ob durch die sofortige Vernichtung des Königspalastes oder durch die Gefangennahme der Königin. Beides hätte Daenerys den Thron gebracht, den sie seit jeher mehr als alles andere anstrebte.
Stattdessen verwandelt sie sich innerhalb von wenigen Sekunden ohne ersichtlichen Grund und völlig unglaubwürdig in eine Drachen reitende Massenmörderin, die ihre künftigen Gefolgsleute massakriert – schlimmer als es je ein Lannister oder sogar ein Bolton gemacht hatte. Die Lannister-Armee hatte bereits die Waffen gestreckt und wird durch Daenerys‘ schwachsinnige Raserei in einer sinnlosen Metzelei gelyncht. Das war in der 5. Folge.
„Nichts kann sie aufhalten, kein Feind vermag sie zu besiegen“
In der 6. Folge ist Daenerys plötzlich ein Gemisch aus Hitler und einem Sith Lord. Nun will sie alles in ganz Westeros in Schutt und Asche legen, wie es schon in der vorherigen Folge mit Königsmund geschehen ist. Die Parallele zu Kylo Rens faschistoiden Aufzügen ist unübersehbar.
Die Figur, die in sieben Staffeln besonders durch ihren inneren Widerstreit geprägt war, ist auf einmal gefühllos, einseitig und holzschnittartiger als jeder noch so lieblos geschriebene Bösewicht in einem billigen B-Movie.
Nachdem die 5. Folge mich und Millionen weiterer ZuschauerInnen bereits ungläubig und apathisch zurückgelassen hatte, hat die letzte Folge dem noch einen Hut draufgesetzt. Ich konnte nur noch emotionslos zuschauen, wie Benioff und Weiss auf bizarre Weise eine der glänzendsten TV-Serien der Geschichte in eine abgeschmackte Tragikomödie verwandelten. Unzählige Millionen Menschen wurden in der ersten Woche der Ausstrahlung des armseligen Finales enttäuscht.
Der Wert der guten Geschichte
Warum ist das relevant? Es kann uns egal sein, wie viele Gelder die Serie eingespielt hat. Natürlich können wir uns freuen, wenn die aufwendige Arbeit der GoT-MitarbeiterInnen honoriert wird. Und wir dürfen auch Respekt dafür zollen, dass man uns jahrelang die magischen Geschichten von George R. R. Martin auf die heimischen Bildschirme brachte. Aber das ist nicht das Entscheidende. Entscheidend ist, dass gute Geschichten für uns an und für sich großen Wert haben können. Und die Geschichte, die uns der Autor erzählt, ist eine sehr gute Geschichte.
„Nichts auf der Welt ist mächtiger als eine gute Geschichte“, sagt Tyrion. Er hat Recht. Eine gute Geschichte kann uns viele Jahre lang allsonntäglich vor den Bildschirm bannen.
Und deswegen ist Staffel 8 von „Game of Thrones“ so fatal. Sie hat Millionen von Menschen desillusioniert. Ein Großteil der Fans dürfte deswegen enttäuscht sein, weil eine wirklich mächtige Geschichte hier zerstört wurde und ihre Magie verloren hat.
„Nichts kann sie aufhalten, kein Feind vermag sie zu besiegen“, fügt Tyrion optimistisch hinzu. Leider hat er damit Unrecht. Eine gute Geschichte kann durch unfähige Geschichtenerzähler an ein bedauerliches Ende gelangen. Dafür werden Benioff und Weiss in die Geschichte eingehen.