Elke Müngers hat 35 Jahre in einem Lager gearbeitet. Doch seitdem ihr Standort geschlossen wurde, findet sie keine ordentliche Anstellung mehr. Heute setzt sie sich für Erwerbslose ein.
Erzähl uns doch zum Einstieg etwas zu deiner Person und deinem Arbeitsleben.
Ich bin 61 Jahre alt und nach 43 Jahren Arbeitsleben zur Zeit erwerbslos. Letztes Jahr hätte mein Chef meinen Job in der Sicherheitsfirma unbefristet verlängern müssen, doch er ließ stattdessen den Vertrag auslaufen.
Angefangen habe ich 1974 in der Personalabteilung einer Behindertenwerkstatt, aber das war nichts für mich. So arbeitete ich ab 1977 zwei Jahre in einer Druckerei, von der ich mich dann allerdings trennte, weil ich großes Interesse für Bücher habe und die Chance hatte, in einem Buchgroßhandel anzufangen. Mein Arbeitsschwerpunkt war das Verpacken und die Lagerarbeit der Bücher.
Wie sah ein Arbeitstag von dir aus?
Ein Arbeitstag hatte acht Stunden. Ich habe Waren angenommen, die Produkte eingescannt, kommissioniert, Verpackungen gemacht und die Ware kontrolliert. Ich habe die Arbeit als sehr abwechslungsreich wahrgenommen. Nur zur Weihnachtszeit wurde es sehr stressig. Da mussten wir auch an den Samstagen kommen oder bis in den Morgen hinein arbeiten. Mit meiner Arbeit war ich sehr zufrieden.
Wie haben sich die Arbeitsbedingungen über die Jahrzehnte verändert?
Nachdem 2004 der Sohn des Chefs an der Spitze des Unternehmens war, hat er fast alle AbteilungsleiterInnen (Verwaltung, Personalchef usw.) rausgeworfen und die Produktionsstätten aus Stuttgart und Köln zusammengeführt. So wurde unsere Bestellannahme in Köln vollständig aufgelöst und lief nur noch über Stuttgart. Meiner und der Vertrag vieler KollegInnen wurden geändert.
Wer bisher acht Stunden arbeitete, sollte von da an sechs Stunden arbeiten und wer sechs Stunden arbeitete nur noch vier. Die Situation sollte ein halbes Jahr andauern. Die Personalverwaltung drängte darauf, das Angebot anzunehmen, weil wir sonst gekündigt werden würden.
Als sei das nicht schlimm genug, wurde das Versprechen – nach dem halben Jahr wieder wie früher zu arbeiten – nicht bei allen KollegInnen eingehalten. Zusätzlich wurden im Laufe der Zeit vermehrt ZeitarbeiterInnen eingestellt. Uns wurde gesagt, dass sie mit unserem Betriebsrat nichts zu tun hätten, da sie ihren eigenen haben. Die KollegInnen der Zeitarbeitsfirma wurden aber immer hingehalten, wenn es um ihre Übernahme ging. Am letzten Tag wurden sie dann entlassen. Später hat es dann auch mich erwischt.
Wieso wurde Dir nach 35 Jahren von deinem Chef gekündigt?
Irgendwann haben wir ein Schreiben erhalten, worin eine Standortveränderung angekündigt wurde. Aus den Informationen konnten wir entnehmen, dass wesentliche Veränderungen in Köln und Stuttgart stattfinden sollten. Der Chef wollte die Produktionsstätte nach Erfurt verlagern. Das bedeutete für Hunderte den Abschied aus dem Unternehmen. Denn erstens bot die moderne Produktionsstätte weniger Arbeitsplätze und zweitens war der Umzug für viele nicht vorstellbar. Wer nicht in der Stammbelegschaft war, wurde sowieso nicht gefragt.
Heute bist du in einem Erwerbslosenausschuss tätig. Wie kam es dazu?
Ich habe gemerkt, dass ich mit meiner Situation nicht alleine dastehe. Durch eine Einladung zu einem Frühstück für Erwerbslose kam ich mit dem Erwerbslosenausschuss in Kontakt. Heute bin ich eine der OrganisatorInnen und möchte für unsere Rechte kämpfen.
Ich sehe keine Perspektiven für mich und fühle mich schlecht. Mir wird empfohlen, mit 63 in Rente zu gehen. Eigentlich möchte ich aber im Lager arbeiten, denn es hat mir Freude bereitet. Ich finde den Zwang, in die Rente zu gehen, aufgrund meiner Situation ungerecht. Zusätzlich möchte ich ausdrücklich betonen, dass die Hetze gegenüber Erwerbslosen bekämpft werden muss. Erwerbslose sind nicht minderwertig, sondern wollen arbeiten!