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Donnerstag, Mai 9, 2024
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    Bulgarien: Jock Palfreeman kommt frei! Oder doch nicht?

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    “Schutzhaft” nach rechtsradikalem Protest in Sofia. Australische Botschaft blamiert sich durch Stümperei.

    Überraschenderweise hat ein Gericht am 19. September 2019 Jock Palfreemans Antrag auf vorzeitige Haftentlassung zugestimmt – nachdem der australische Antifaschist und Mitbegründer der ersten bulgarischen Gefangenengewerkschaft “BPRA” (Bulgarian Prisoners Association) elf von 20 Jahren wegen eines abgekarteten Mordprozesses abgesessen hat.

    Doch Freude über diese glückliche Wendung ist noch verfrüht. Da er keine gültigen Papiere besaß, kam Jock in das Busmantsi-Abschiebegefängnis, um auf einen Reisepass zu warten, der ihm aus Athen geschickt werden sollte. Australien unterhält in Bulgarien keine Botschaft; Vorgänge auf dem Balkan scheinen die Regierung in Canberra ebenso wenig zu interessieren wie das Wohlergehen eines linksradikalen Antifaschisten und Staatsbürgers, der zu Unrecht in die Mühlen der Justiz geraten ist. Währenddessen nutzten Faschisten der Partei “Ataka” Jocks bevorstehende Freilassung, um massive Straßen-Proteste und mediale Hetze zu organisieren.

    Der Bulgarische Generalstaatsanwalt Sotir Tsatsarov kündigte an, Berufung gegen die vorzeitige Haftentlassung zu beantragen, so dass Jock womöglich wieder zurück ins Gefängnis wandern wird. Laut Washington Post soll die Familie des vermeintlichen Mord-Opfers zudem 300.000 Euro Entschädigung verlangen und damit Jocks Ausreise verhindern. Möglicherweise muss Jock Palfreeman bis zu einer endgültigen Entscheidung des obersten Gerichtshofs in Haft bleiben. Zynischerweise soll das laut Innenminister Stefan Balabanov auch “zu seiner eigenen Sicherheit” sein. Auf deutsch also: Schutzhaft.

    Die Australische Botschaft in Athen, die sich in den vergangenen elf Jahren einen feuchten Dreck um die Rechte ihres Staatsbürgers gekehrt hat, trägt auch hier eine Mitschuld. Es gab offenbar ein kurzes Zeitfenster, in dem Jock das Land nach dem 19. September hätte verlassen können, wenn er denn umgehend gültige Papiere bekommen hätte, klagte Jocks Anwalt Kalin Angelov: “Die Behörden müssten herkommen, ihn in ein Auto setzen und per Flugzeug außer Landes befördern”.

    Zum Glück hat Jock auch Unterstützer

    Rund 300 bulgarische Rechtsanwälte unterschrieben einen scharf formulierten Brief, in dem sie die Freilassung von Jock Palfreeman fordern.

    Der Fall erlangt spätestens jetzt internationale Dimensionen. Die rechtsradikale Partei “IRMO”, die über das Wahlbündnis “Vereinigte Patrioten” seit 2017 an der Regierung beteiligt ist – ihr Chef Krasimir Karakatschanow ist Minister für öffentliche Ordnung und für Verteidigung -, forderte den Generalstaatsanwalt auf, das “Bulgarische Helsinki Komitee” zu verbieten. Grund dürfte sowohl die aktuelle Unterstützung der Menschenrechtsorganisation für Jock Palfreeman sein als auch deren Kooperation mit der BPRA. Gemeinsam schafften sie es, Menschenrechtsverstöße im Bulgarischen Knastsystem vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu bringen und eine Verurteilung zu erwirken.

    Der Vorsitzende des Helsinki Komitees, Krassimir Kanzev, sieht in dem Vorstoß der rechtsextremen Parteien IRMO und Ataka “einen beispiellosen Versuch, eine Menschenrechtsorganisation in Europa zu verbieten. Selbst in Putins Russland werden solche Organisationen zwar als ‘ausländische Agenten’ gebrandmarkt, aber keine wurde verboten.”

    Wegen Selbstverteidigung gegen rassistischen Mob als Mörder verurteilt

    Der Hintergrund des Falles: Der Tourist Jock Palfreeman schritt 2007 ein, als ein Mob aus bulgarischen Studenten und Jungmännern zwei Roma attackierte. Dabei geriet er ins Fadenkreuz. Er verteidigte sich mit einem Messer. Einer der Angreifer starb. Leider war der getötete Jura-Student und Hool Andrej Monov der Sohn eines hochrangigen Mitglieds der damaligen ex-sozialistischen Regierungspartei BSP. Jock Palfreeman wurde als mordlüsterner ausländischer Soziopath von der Boulevardpresse vorverurteilt. Das Gericht gab dem bereitwillig nach und urteilte wider fundamentale rechtsstaatliche Prinzipien. Für Mord lagen offensichtlich weder ein Motiv noch die Kriterien Heimtücke oder Planung vor. Jock handelte in Notwehr.

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