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Freitag, April 26, 2024
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    Corona verschärft Rassismus

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    Während der Coronazeit sollen alle Leute am besten zu Hause bleiben. Immer wieder werden Lockerungen verkündet, die das gesellschaftliche Leben etwas erträglicher machen sollen. Doch in vielen Gemeinden und Städten häufen sich rassistische Beschimpfungen und Übergriffe gegen alle, die nicht „von hier“ kommen. – Ein Kommentar von Stefan Pausitz

    Eigentlich ist die Rechnung einfach: da ist ein Virus, der die Menschheit betrifft. Damit dieser sich nicht ausbreitet, sollten alle Menschen möglichst zu Hause bleiben oder in den eigenen Garten gehen. Thüringen hat hierbei sogar mitgedacht und die Baumärkte offen gelassen, damit die BesitzerInnen eines Gartens ebenda einkaufen können und sich im Kleingartenverein (KGV) beschäftigen können.

    Doch nicht jeder hat einen Kleingarten. So bleiben viele hinter den heimischen Gardinen und gucken aus dem Fenster. Im Norden Deutschlands ist daraus sogar ein richtiger Sport geworden: die Telefone bei der Polizei und Ordnungsbehörde stehen nicht still, denn ständig erhalten diese Anrufe von AnwohnerInnen, die fremde Autokennzeichen melden wollen. Egal ob in Usedom oder an der Nordsee. Doch das reicht anscheinend vielen noch nicht. Die Autos werden teilweise mit Farbe übergossen, oder die Autoreifen werden zerstochen – wie in Rostock geschehen.

    An dieser Stelle könnte man vom Denunziantentum sprechen, doch dieser Umgang mit vermeintlich Fremden geht noch weiter – globaler. In Amerika hat der US-Präsident, Donald Trump, dem Coronavirus den Krieg erklärt. Was ziemlich absurd klingt, wird noch absurder, wenn man sich das jetzige Säbelrasseln Trumps genauer anguckt.

    Das Säbelrasseln geht nicht etwa in die Richtung des Öl-Konkurrenten Saudi-Arabien, die ggf. noch einen großen Anteil am derzeitigen Ölcrash mittragen, oder gegen die mexikanischen EinwanderInnen, gegen die Trump sonst gerne hetzt – sondern gegen China und alles „Chinesische“, wie angeblich das Virus. Die chinesische Region Wuhan ist mittlerweile dafür bekannt, dass das Virus dort ausgebrochen ist. Da Trump für seine katastrophale Politik und deren Folgen mittlerweile keine Erklärungen mehr hat, schiebt er alles Schlechte dieser Welt auf China. Gestern brach er sogar eine Pressekonferenz mit den Worten „Fragt nicht mich, sondern China“ ab.

    Zurück nach Deutschland. Doch hier liegt schon der Haken. Das Hineinkommen nach Deutschland gestaltet sich derzeit mehr als schwierig, denn die Grenzen sind geschlossen. Das verärgert am wenigsten die hiesigen UrlauberInnen, die zwar nur mit einer Begründung das Land verlassen dürfen, aber eine Begründung wie „Ich brauch mal Urlaub und muss hier raus“ ist schnell gefunden.

    Viel schwieriger ist es derzeit für Luxemburg und Frankreich. Die Grenzen wurden von Deutschland aus am 16. Mai einseitig (!) geschlossen. D.h. es wurden keine Absprachen mit den Nachbarländern getroffen. Viele Gemeinden an den Grenzen sind verzweifelt, denn der Bäcker oder der Supermarkt für das gesamte Dorf liegt vielleicht auf der französischen Seite. Sogar SchülerInnen können dem Unterricht nicht mehr nachgehen.

    Diese und noch andere Probleme hat die Verwaltungen der Gemeinden bewegt, einen Brief an die Bundesregierung aufzusetzen. Doch bis heute gibt es keine Antwort der Regierung. Noch drastischer ist die Lage im Saarland. Dort werden französische Arbeitskräfte beschimpft, dass sie wieder nach „Corona-Frankreich“ gehen sollen. Auch hier werden die Autos der Menschen beschädigt.

    Hier zeigt sich, dass das Virus tatsächlich nicht als eine Krankheit – für die man nichts kann – gesehen wird, sondern als etwas „Dreckiges“ und „Schmutziges“, wovor man sich hätte besser schützen sollen. Diesem „Corona-Rassismus“ müssen wir dringend etwas entgegensetzen, sonst werden sich die künstlichen Spaltungslinien in der Gesellschaft bzw. zwischen uns Arbeiterinnen und Arbeitern noch weiter vertiefen.

    • Perspektive-Autor seit 2019. Berichte von der ostdeutschen Provinz bis zur kritischen Infrastruktur. Lebt und arbeitet in Sachsen.

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