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Mittwoch, Mai 8, 2024
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    “Das Gefängnis hat mich getötet” – LGBT-Aktivistin Sara Hegazi im Exil in Kanada verstorben

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    Nach langem Kampf mit posttraumatischer Belastungsstörung, die sie wegen der Folter im ägyptischen Gefängnis erlitt, hat die 30-jährige Sara Hegazi sich im kanadischen Exil das Leben genommen. Sie war eine sozialistische und lesbische Aktivistin, die nach einem Konzert festgenommen wurde, weil sie die Pride-Fahne schwenkte.

    Seit dem Jahr 2016 geht der ägyptische Staat immer brutaler gegen Menschen der LGBT-Community vor. Es gibt den Straftatbestand, “sexuelle Abweichung und Ausschweifung” zu fördern – eine Umschreibung für Homosexualität. Dieses “Vergehen” erlaubt dem Staat, Verdächtigen die persönlichsten Rechte zu nehmen und ist Grundlage für zahlreiche lange Haftstrafen und Folter.

    Besonders bekannt wurde der Fall von sechs Männern, die in Folge eines Social-Media-Posts anale Untersuchungen über sich ergehen lassen mussten. Diese Untersuchung sollte Wochen später erlauben festzustellen, ob die Männer homosexuellen Geschlechtsverkehr hatten.

    Abgesehen davon, dass es sich um einen Eingriff in die intimste Sphäre der Männer handelte, ist diese Untersuchung medizinisch vollkommen abwegig und kann keine Erkenntnisse bringen. Die Untersuchungen laufen in der Regel so ab, dass ein Arzt einen Finger oder Gegenstand anal einführt und auf Grundlage seines Eindrucks Rückschlüsse auf das Sexualleben zieht. Amnesty International stuft diese Untersuchungen als Folter ein.

    Elf Festnahmen nach Rockkonzert

    Sara Hegazi ist eine derjenigen, die nach dem Konzert von Mashrou’ Leila festgenommen wurden. Mashrou’ Leila ist eine libanesische alternative Rockband, der Frontsänger lebt offen schwul. Elf KonzertbesucherInnen sollen an diesem Abend die Regenbogenfahne hochgehalten haben, das zeigen Fotos in sozialen Medien.

    “Es war Ausdruck von Solidarität – nicht nur mit dem Sänger, sondern mit jedem, der unterdrückt ist”, kommentierte Hegazi den Abend später. Eine Reporterin und Freundin, Joyita Sengupta, beschreibt sie: “Sarah war eine unermüdliche Aktivistin. Sie hat ihr Leben dem Kampf gegen Homophobie, Frauenfeindlichkeit und Kapitalismus gewidmet.”

    Ahmed Alaa, der aus dem selben Grund drei Monate in Haft verbracht hat, beschreibt den Abend so: “Es war ein toller Moment, um sich frei zu fühlen. Es macht mich glücklich. Es macht, dass ich mich menschlich fühle. Ich kann sprechen. Ich kann meine Meinung öffentlich teilen. Es war der beste Moment meines Lebens”.

    Hegazi wurde festgenommen, zunächst für 15 Tage Untersuchungshaft. Schon während dieser Zeit ließen WärterInnen die anderen Gefangenen wissen, aus welchem Grund Hegazi verhaftet wurde. Sie ließen zu, dass andere Inhaftierte sie in Folge dessen verprügelten und sexuell belästigten.

    https://twitter.com/ArtQuuerHabibi/status/1272543614095196169

    Mitglied einer illegalen Organisation

    Sowohl Alaa als auch Hegazi warf der ägyptische Staat vor, Mitglied einer illegalen Organisation zu sein, welche die Moral in Ägypten zersetzen wolle. Nach 9 Tagen in Isolationshaft wurden ihre neuen Zellengenossinnen angewiesen, nicht mit ihr zu sprechen. An Gruppenaktivitäten durfte sie nicht teilnehmen. Hegazi konnte das Gefängnis schließlich nach drei Monaten verlassen, nachdem eine Abfindung gezahlt wurde.

    Sie verließ das Gefängnis mit einer heftigen posttraumatischen Belastungsstörung und verbrachte eine Zeit in einer psychiatrischen Klinik, wo ihr eine schwere Depression diagnostiziert wurde. Außerdem beschreibt sie, dass sie Halluzinationen hat und sich “nette Menschen, die diskutieren und mich nicht angreifen” mit sich zusammen im Raum vorstellt.

    Schon im Juni 2018 hatte sie der Presse gegenüber angekündigt, einen weiteren Selbstmordversuch unternehmen zu wollen. “Das Gefängnis hat mich getötet. Es hat mich zerstört.”

    An die Welt – du warst unendlich grausam, aber ich vergebe dir

    Die letzten Jahre hat Sara Hezadi im Exil in Kanada gelebt. Auch wenn sie dort nicht mehr wegen ihrer Sexualität verfolgt wurde, lebte sie mit den Folgen der Behandlung in Ägypten. Sie schrieb einen kurzen Brief, in dem sie sich neben ihrer Familie und ihren GenossInnen auch an die Welt richtet: “An die Welt – du warst unendlich grausam, aber ich vergebe dir”.

    Nachdem ihr Tod bekannt wurde, gedenken ihr LGBT auf der ganzen Welt und erinnern daran, dass LGBT-Feindlichkeit tötet.

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