`
Samstag, April 27, 2024
More

    Wirtschaftskrise und Gegenwehr

    Teilen

    Der Corona-Ausnahmezustand wird langsam gelockert – doch die Wirtschaftskrise hat gerade erst begonnen. Für uns ArbeiterInnen bedeutet die Krise schwerste Angriffe auf unsere Lebens- und Arbeitsbedingungen. Jeder dritte Betrieb in Deutschland hat Kurzarbeit angemeldet. – Ein Kommentar von Thomas Stark.

    Die Zahl der KurzarbeiterInnen liegt mit ca. 10 Millionen fast zehnmal so hoch wie in der Krise 2009. Jeder fünfte Betrieb hat bereits ArbeiterInnen entlassen. Vor allem Jobs im Niedriglohnbereich sind betroffen. Währenddessen hat die Regierung die gesetzliche Höchstarbeitszeit für systemrelevante Berufe gekippt und schnürt Wirtschaftspakete wie sonst nur zu Kriegszeiten. Am Ende werden die ArbeiterInnen auch hierfür zur Kasse gebeten. Die Gegenwehr muss jetzt beginnen.

    Woher kommt die Wirtschaftskrise?

    Es mag zwar so erscheinen, aber die Ursache der Wirtschaftskrise ist nicht die Corona-Pandemie. Die Pandemie hat vielmehr eine kapitalistische Überproduktionskrise verschärft, die schon 2018/19 begonnen hatte. Solche Krisen finden im Kapitalismus regelmäßig statt und sind das Ergebnis davon, dass Unternehmen ihre Produktion im Konkurrenzkampf immer wieder über die zahlungsfähige Nachfrage der Bevölkerung hinaus ausdehnen. Verstärkt wird dieses Problem durch stagnierende Löhne sowie steigende Steuern und Mieten – und jetzt eben durch die weltweiten Ausgangsbeschränkungen. Das Besondere an dieser Krise ist, dass sich jahrzehntelang aufgestaute Widersprüche in der Weltwirtschaft zu entladen drohen: Das ist erstens eine historische Verschuldung von Unternehmen, Staaten und Privatpersonen, und zweitens eine zunehmende Konfrontation zwischen den größten kapitalistischen Ländern, vor allem den USA und China.

    Wer zahlt für die Krise?

    Die Krise trifft als erstes und am härtesten die ArbeiterInnen, die ohnehin unter den schwersten Bedingungen schuften müssen, etwa als LeiharbeiterInnen, befristet Beschäftigte oder MinijobberInnen. In der Gastronomie planen laut einer Studie des Ifo-Instituts 58 Prozent der Betriebe einen Abbau von Stellen, bei Arbeitsvermittlern sind es 57 Prozent. Die Regierung hat die Höchstarbeitszeit für ArbeiterInnen in Supermärkten, Krankenhäusern, Altersheimen und anderen „systemrelevanten“ Bereichen zunächst bis Ende Juni auf 12 Stunden erhöht. Noch schlimmer trifft es ArbeiterInnen in Schlachthöfen oder der Landwirtschaft, die unter sklavereimäßigen Verhältnissen die  Nahrungsmittelversorgung sichern. Ihre Infektion mit Corona wird von Unternehmen und Staat billigend in Kauf genommen.

    Die Krise wird aber auch Beschäftigte treffen, die bislang noch bei vollem Lohn im Homeoffice arbeiten konnten – ebenso wie Arbeitslose, RentnerInnen und Studierende: 1,2 Billionen Euro hat die Bundesregierung bereitgestellt, um die Wirtschaft zu retten. Die Rechnung hierfür wird der Staat an die ArbeiterInnen weiterreichen: Erstens in Form von Steuererhöhungen, zweitens in Form von Kürzungen im Gesundheitswesen, bei der Arbeitslosenversicherung, bei der Rente, bei der Bildung oder im Öffentlichen Dienst.

    Der Bankrott vieler verschuldeter Firmen wird durch die staatlichen Hilfen hinausgeschoben. Das heißt im Zweifel, dass Pleiten und Entlassungswellen zeitversetzt und in Schüben verschiedene Bereiche der ArbeiterInnen treffen werden. Sicher ist aber, dass sie nicht ausbleiben werden.

    Gemeinsam die Gegenwehr organisieren!

    Der Streik von 250 LandarbeiterInnen in Bornheim wegen nicht bezahlter Löhne und das Abpflücken grüner Erdbeeren als Protestform in anderen Agrarbetrieben haben aufgezeigt, wie wir ArbeiterInnen in der Krise handeln müssen! Welche Angriffe Unternehmen und Staat gegen uns durchsetzen können, wird vor allem davon abhängen, welchen Widerstand wir ihnen entgegensetzen.

    Wir dürfen nicht passiv abwarten, sondern müssen in den nächsten Wochen eine bundesweite Bewegung auf die Beine stellen, die alle Teile der ArbeiterInnen umfasst. Je mehr wir sind und je entschlossener wir unseren Widerstand auf die Straßen und in die Betriebe tragen, desto mehr werden wir bestimmen, wie wir in Zukunft leben und arbeiten! Desto mehr werden wir durchsetzen, dass das Kapital selbst für die Folgen seiner Krise aufkommt.

    • Perspektive-Autor seit 2017. Schreibt vorwiegend über ökonomische und geopolitische Fragen. Lebt und arbeitet in Köln.

    Mehr lesen

    Perspektive Online
    direkt auf dein Handy!

    Weitere News