Über 8 Monate dauert der Krieg zwischen der Ukraine und Russland bereits. Seit seinem Beginn versuchen beide Seiten, den begleitenden Informationskrieg, sowohl an der „Heimatfront“ als auch international, zu gewinnen. Anders gesagt: es gibt kaum verlässliche Informationen über das tatsächliche Kriegsgeschehen, da beide Seiten versuchen, die Wahrheit zu ihren Gunsten zu verdrehen. – Ein Kommentar von Phillipp Nazarenko
In modernen Kriegen sind kapitalistische Staaten darauf angewiesen, den sogenannten „Kampf um die Köpfe“ zu führen. Es reicht also schon lange nicht mehr aus, “nur” Truppen mit der Begründung „Dein Herrscher verlangt es von dir“ in den Krieg zu schicken.
Die Bevölkerung, und das meint vor allem die breiten Massen, aus denen sich einerseits die Armee rekrutiert und die andererseits die Wirtschaft während des Kriegs am Laufen halten müssen, muss systematisch für den Krieg gewonnen werden. Gleichzeitig ist auch die Deutungshoheit auf der internationalen Ebene und somit in anderen Ländern von großer Wichtigkeit.
Die Kriegspropaganda im Ausland richtet sich aber nicht primär an die staatlichen Vertreter:innen dieser Länder, sondern ebenfalls an die Massen. Sie sind es, die für die Unterstützung der einen oder anderen Kriegspartei „ihren“ Staat unter Druck setzen sollen.
Im Falle des Selenskyj-Regimes ist es wichtig, vor allem zwei Narrative zu bedienen: auf der einen Seite muss man sicherstellen, dass man in den Nachrichten immer als Sieger dasteht, der gegen die feindliche Übermacht heldenhaft glorreiche Siege am laufenden Band einfährt. Andernfalls würde die ohnehin strapazierte Moral an der Front und im Hinterland schnell in Kriegsmüdigkeit umschlagen. Gleichzeitig muss man sich international aber als bedürftig und klar unterlegen darstellen, um finanzielle und militärische Unterstützung zu erhalten und zu legitimieren. Dies führt zu einem explosiven Widerspruch, der die tatsächliche Lage an der Front verschleiert.
Auch Russland muss nach innen eine ähnliche Erzählung bedienen, um die Moral der Truppen an der Front und der Arbeiter:innen zu Hause hoch zu halten. Nach außen wird es etwas komplizierter, da man als angreifendes Land nicht aus einer Position der Schwäche heraus argumentieren kann. Hier werden stattdessen vermeintlich „legitime Sicherheitsinteressen“ als Beweggrund genannt. Man wolle die Ukraine ja nicht selbst beherrschen, sondern sie nur aus den Klauen der NATO befreien. Dies wird auch als praktischer Dienst im Sinne der Ukrainer:innen hingestellt, als eine Art externe Befreiung, wenn man so will.
Hieraus ergibt sich, dass weder westliche, ukrainische noch russische Berichte über das Kriegsgeschehen verlässlich oder vertrauenswürdig sind. Dennoch sollen im Folgenden einige der wichtigsten Entwicklungen, die von beiden Seiten bestätigt werden, kurz dokumentiert werden.
Die Entwicklung der letzten Monate
Die zu Beginn des Kriegs schnell von Russland besetzten Gebiete im Nordosten der Ukraine, einschließlich der bedeutenden Großstadt Charkiw, wurden inzwischen von der ukrainischen Armee zurückerobert.
Auch im Südosten des Landes rücken ukrainische Truppen weiter vor, unter anderem auf die strategisch bedeutende Großstadt Cherson. Diese wird auch als die „Brücke zum Schwarzen Meer“ bezeichnet. Es gibt Berichte darüber, dass russische Truppen die Stadt geräumt hätten und sich weiter im Hinterland neu formieren.
Bedeutende Orte in der Süd-Ost-Region sind erstens der Staudamm „Nowa Kachowka“, von dem die Ukraine behauptet, Russland würde ihn womöglich sprengen, um das Land gezielt zu überfluten. Auch das Atomkraftwerk „Saporischschja“ ist ein umkämpfter Ort. Momentan befindet es sich in russischer Hand, doch bleibt es ein gefährliches Ziel. Kampfhandlungen auf dem Gebiet des AKWs könnten zu einer nuklearen Katastrophe von überregionalem Ausmaß führen. Beide Seiten spielen hier mit dem Feuer und versuchen anzudeuten, dass der jeweils Andere Pläne für das AKW habe.
In Russland selbst soll die 300.000 Mann umfassende Teilmobilmachung zu Ende gegangen sein. Der Großteil der Truppen würde sich noch in Ausbildung befinden und erst nächstes Jahr kampfbereit sein. Während die Ukraine konstant leichte und schwere Waffen aus den NATO-Staaten erhält, bekommt nun Russland offenbar Drohnen und Raketen aus dem Iran.
All diese Entwicklungen – mit teilweise bedeutenden Gebietsveränderungen, taktischen Rückzügen und Neuformierungen – deuten aber auf einen langen und zermürbenden Krieg hin. Es ist unwahrscheinlich, dass sich aus dem Hin und Her der letzten Monate ein baldiges Ende der Kampfhandlungen ergibt.
Der Krieg hat bisher zehntausende Menschen das Leben gekostet (russische wie ukrainische) und Millionen in die Flucht gezwungen. Die Imperialisten des „Westens“ scheinen Russland so massiv wie möglich schwächen zu wollen, quasi bis zum bzw. zur letzten Ukrainer:in. Doch auch Russland ist sich nicht zu schade, Zehntausende aus der eigenen Bevölkerung in den Tod zu schicken.
Statt einem baldigen Sieg – wie ihn beide Kriegsparteien immer wieder vorgaukeln – erwartet die Soldat:innen und die Bevölkerung in beiden Ländern nur eine monatelange Fortsetzung des Mordens mit all den verheerenden Nachwirkungen, die es für die wirtschaftliche Situation der Länder hat. Der allen Beteiligten versprochene Sieg ist eine Lüge, und die einfachen Arbeiter:innen können nur verlieren.