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Samstag, April 27, 2024
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    Ina Ender – Schneiderin, Model und Widerstandskämpferin

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    Am 27. März 2008 starb die Widerstandskämpferin Ina Ender in Lehnitz nördlich von Berlin. Ihre Arbeit als “Vorführdame” während des Nationalsozialismus brachte sie in die höchsten Kreise der weiblichen Naziprominenz. – Von Felix Thal

    Ina Ender wurde in eine fortschrittliche Arbeiterfamilie der 20er-Jahre geboren. Ihr Vater war Mitbegründer des Spartakusbunds und der KPD und bis 1933 Betriebsratsvorsitzender. Er wurde von der SA misshandelt und verlor seine Stelle beim Berliner Bezirksamt, was die Familie in finanzielle Not brachte. Ina Ender musste daher die Schule abbrechen und begann eine Ausbildung zur Schneiderin bei ihrer Mutter. Sie fand 1936 eine Anstellung in einer Damenschneiderei. Bereits als Fünfzehnjährige war sie dem Kommunistischen Jugendverband der KPD beigetreten.

    Aufgrund ihres Aussehens begann sie eine kurze Karriere als Fotomodell, wurde in Magazinen abgelichtet und arbeitete in einem Modesalon in Berlin. Hier hatte sie Kontakt zu Eva Braun, Magda Goebbels, Emmy Göring und Anneliese von Ribbentrop, da sie sie in Modefragen beraten konnte. Informationen, die sie den Frauen entlocken konnte, gab sie an ihren Genossen Hans Coppi weiter, mit dem sie im Widerstand gegen den Nationalsozialismus aktiv war. Die Faschisten fassten deren Tätigkeiten und Gruppierungen unter dem Begriff “Rote Kapelle” zusammen.

    Ina Ender konnte unter anderem Eva Braun die Information entlocken, dass Moskau von der Wehrmacht eingenommen werden sollte, als sie sich nach warmer Winterkleidung umsah. Auch Informationen über Truppenbewegungen und Angriffsziele konnte sie über die Gattinen erfahren, wenn deren Ehemänner hohe Militärränge bekleideten und beispielsweise versetzt wurden.

    Durch ihre Tätigkeit als Modell hatte Ina Ender auch die Möglichkeit durch Westeuropa zu reisen, erledigte Kuriertätigkeiten und stand in Verbindung mit Harro Schulze-Boysen, der Informationen an den Auslandsnachrichtendienst der Sowjetunion weitergab. Ende 1942 wurde Ina Ender allerdings von der Gestapo wegen Verteilens von Flugblättern verhaftet und zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt. Die Spionage unter den ranghohen Nazi-Frauen blieb unentdeckt.

    Bis Kriegsende war sie inhaftiert und wurde kurzzeitig Bürgermeisterin einer Kreisstadt im Erzgebirge. Danach war sie in der Volkspolizei als Oberkommissarin tätig oder arbeitete bei der Handelsorganisation der DDR unter anderem in Berlin und im Irak. In der DDR hielt sie Vorträge zum Widerstandskampf gegen den Nationalsozialismus und engagierte sich nach 1990 für die PDS. Sie starb am 27. März 2008 bei Berlin.

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