Die Server, über die mit einem ausgefallenen System die zentralen Abituraufgaben für MINT-Fächer gestellt werden sollten, waren überlastet. Nun verschiebt das Schulministerium die Prüfung auf den morgigen Freitag – ohne Rücksicht auf den Bahnstreik und das Fest zum Ende des Ramadan.
Lehrer:innen von MINT-Fächern in NRW verbrachten den Dienstag bis zum späten Abend in den Schulen: Sie versuchten vergeblich den Download der Aufgaben für das Zentralabitur. Die Fachlehrer:innen müssen danach normalerweise die Aufgaben auswählen, in Anzahl der Prüflinge kopieren und für die Prüfung vorbereiten.
Einige Schulen konnten die Aufgaben teils, andere gar nicht herunterladen. Insgesamt hatten nur 300 Schulen Zugriff auf die Dateien. Die meisten hatten keinerlei Information darüber, warum der Download nicht möglich war oder wie sie vorgehen könnten, sollten die Prüfungsaufgaben nicht rechtzeitig vorliegen.
30.000 Schüler:innen waren es, die am Mittwoch, 19. April, die Abiturprüfung in den Fächern Biologie, Chemie, Ernährungslehre, Informatik, Physik oder Technik ablegen sollten. Doch die Server waren überlastet, eine Alternative scheiterte. „Wir haben stetig kommuniziert.“, beschreibt die NRW-Bildungsministerin Feller ihr Vorgehen. Doch nur einseitig, denn auch das Erklärungsschreiben, das auf der Seite des Ministeriums zur Verfügung stehen sollte, war von der Überlastung betroffen und nicht abrufbar.
Um 20:32 Uhr schaffte das Ministerium endlich Klarheit und verschob die Abiturprüfung auf den morgigen Freitag.
Kritik an der Digitalstruktur des Ministeriums
Nach diesem Fehler steht die digitale Infrastruktur, die das Land NRW für das Zentralabitur nutzt, natürlich in der Kritik. Für Up- und Downloads der Aufgaben ist der IT-Dienstleister Gonicus zuständig. Das Unternehmen betreibe zwei unabhängige Server, die nun beide das selbe Problem gehabt hätten. Auch die neu eingeführte Zwei-Faktor-Authentifizierung sowie einen Hacker:innen-Angriff schließe man nicht als Ursache für die Panne aus.
Bundesweit sind Schulen angewiesen, die zentral gestellten Aufgaben aus Sicherheitsgründen digital abzurufen. Informatiker:innen kritisieren die Struktur https://bscw.schule.nrw.de/ , die dafür genutzt wurde, als veraltet, unsicher und allein dadurch fehleranfällig.
Fehler zulasten der Prüflinge
Ministerin Feller entschuldigte sich bei den Schüler:innen, Lehrer:innen und Eltern für die Fehler ihres Ministeriums. Dennoch bleibt die Belastung für die Schüler:innen, die morgen eine Abiturklausur ablegen, enorm: Zum Beispiel gibt es Stimmen, die nun die Rechtssicherheit der Klausuren anzweifeln. Manchen Schulen lägen die Aufgaben nun schon zwei Tage vor der Prüfung vor, und das entspräche nicht den Sicherheitsstandards, so Andreas Bartsch, Präsident des Nordrhein-Westfälischen Lehrerverbands (NRWL).
Zudem sollte es die erste Klausur der diesjährigen Prüfungsphase sein. Nun verkürzen sich womöglich die Vorbereitungstage in der eng getakteten Stunden- und Prüfungsplanung. Lehrer:innen sind besorgt um die psychische Belastung, die die Verzögerung und Unsicherheit für Abiturient:innen bedeutet – in einer Phase ohnehin hoher Anspannung.
Verschoben auf den Streiktag und das Zuckerfest
Auch nach der Download-Panne machte das Ministerium jedoch nicht das Wohl der Abiturient:innen zur Priorität.
Mit der Wahl des Ersatztermins plante das Ministerium für viele Schüler:innen anscheinend nicht ein, dass zum Stress der verschobenen Prüfungsphase nun Probleme mit der Anfahrt hinzukommen: Denn der öffentliche Nahverkehr ist für mehr als die Hälfte der Schüler:innen das Verkehrsmittel ihres Schulwegs – und für Freitag ist Streik im ÖPNV angesagt.
Abiturient:innen, die nicht fußläufig zur Schule wohnen, deren Eltern kein Auto haben oder arbeiten müssen, stehen nun schon vor Prüfungsbeginn vor einer großen Herausforderung. Dennoch heißt es nur: »Die Prüfung beginnt um neun Uhr. Wir gehen davon aus, dass es alle rechtzeitig in die Schule schaffen«, so Ministerin Feller und ließ die Schüler:innen mit ihren Sorgen allein.
Außerdem fällt die Prüfung nun genau auf das “Zuckerfest”, den hohen muslimischen Feiertag, der am Ende des Fastenmonats Ramadan gefeiert wird. Auch das sorgt für Unmut: »Wir würden auch keine Abiturprüfung auf Heiligabend verschieben«, kommentiert dann auch Abiturient Theo Blaesse, der in der Landesschüler:innenvertretung NRW mit im Vorstand sitzt.