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Dienstag, März 19, 2024
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    „Unser Engagement ist nicht gern gesehen“ – Interview mit der Schüler:innenzeitung Zündstoff

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    Schüler:innen einer Schule bei Berlin haben im März Vorladungen von der Polizei erhalten. Formell sollen sie als Zeug:innen aussagen, sehen sich jedoch selbst eher als Verdächtige. Dabei ziehen sie einen Zusammenhang zu ihrem politischen Engagement. Perspektive hat ein interview geführt.

    Hallo, wollt ihr euch kurz vorstellen?

    Wir sind Schüler:innen des Einstein-Gymnasiums in Neuenhagen im Berliner Speckgürtel, zwischen 14 und 18 Jahren alt und kommen alle aus Brandenburg.

    Ihr seid an eurer Schule politisch aktiv. Wie sieht das konkret aus?

    Wir haben eine Schüler:innenzeitung namens „Zündstoff“ gestartet, in der wir über aktuelle politische Ereignisse und Thematiken wie den Frauenkampftag oder den Ukraine-Krieg schreiben. Damit wollen wir unsere Position nach außen tragen und einen Dialog auslösen. Wir wollen unsere Mitschüler:innen auf solche Sachen aufmerksam machen und natürlich auch das Interesse bei ihnen wecken, mit uns zu diskutieren oder selbst an der Zeitung mitzuwirken.

    Wir haben erfahren, dass ihr Post von der Kriminalpolizei bekommen habt. Worum geht es konkret?

    Ja, das stimmt. Vor einigen Wochen hatten wir Briefe der Kriminalpolizei Frankfurt (Oder) im Briefkasten, das war erst einmal ein wenig erschreckend. Bei diesen Briefen ging es um politische Schriftzüge, welche vor einiger Zeit an unserer Schule erschienen sind und sich gegen die Bundeswehr, und deren Arbeit an Schulen (so wie auch an unserer) richteten. Bezüglich dieser Sprays sollten wir nun Zeug:innenaussagen tätigen und dafür schriftlich einige Fragen beantworten.

    Lustigerweise hatten diese angeblichen Zeug:innenfragen wenig mit der Tat an sich zu tun. Wir wurden beispielsweise gefragt, wie unsere Position zur Bundeswehr und Polizei und deren Tätigkeiten ist. Weiterhin fanden wir es sehr seltsam, dass bei jedem von uns ein Fehler bei den Personalien im Brief aufgetaucht ist. Man ist angeblich gesetzlich dazu verpflichtet, dass wenn solche vorliegen, zu antworten und diese zu korrigieren. Ansonsten begeht man eine Ordnungswidrigkeit und kann mit einer Geldstrafe rechnen. Insgesamt wirkten diese Briefe für uns wie pure Anschuldigungen und keineswegs neutral.

    Denkt ihr, dass die Briefe etwas mit eurem politischen Engagement zu tun haben?

    Wir sind auf jeden Fall der Meinung, dass es nicht zufällig war, dass wir als Zündstoff-Kollektiv Post erhalten haben. Als linke Schüler:innenzeitung positionieren wir uns natürlich zu vielen Themen, wie auch zur Bundeswehr und das nicht allzu positiv- im Gegensatz zu unserer Schule, welche regelmäßig Jugendoffiziere zu sich in den Unterricht einlädt. Aufgrund dessen haben wir schon vor den Briefen zu spüren bekommen, dass unsere Äußerungen der Schule nicht gefällt.

    Unser Engagement ist nicht gern gesehen, es wurde versucht, unsere Schüler:innenzeitung mit allen möglichen juristischen Tricks zu verbieten und wir müssen uns gehässige Kommentare und anderes anhören. Dass unsere Daten nun möglicherweise von der Schule an die Kriminalpolizei einfach weitergegeben wurden, bestätigt uns nur darin. Da scheint es logisch, dass die Arbeit mit der Kriminalpolizei gegen uns hier definitiv mit unserem Engagement zu tun hatte.

    Wie habt ihr auf die Briefe reagiert?

    Erstmal waren wir natürlich ein bisschen geschockt. Die Kriminalpolizei schreibt einem ja nicht alle Tage. Wir haben uns mit befreundeten Jura-Studenten und einer Anwältin besprochen und uns dann dazu entschieden die Aufforderung zur Aussage zu ignorieren. Wenn wir uns entlasten, belasten wir den restlichen Verdächtigenkreis. Außerdem können und werden die Behörden alles was wir ihnen sagen irgendwie drehen und gegen uns verwenden, deshalb kommunizieren wir nicht mit ihnen.

    Gibt es Solidarität unter Mitschüler:innen oder von anderen? Und wie kann man euch unterstützen?

    Unterstützt haben vor allem die Internationale Jugend Berlin, andere Gruppen, wie die Föderation klassenkämpferischer Organisationen oder die Internationale Jugend Leipzig haben ihr Solidarität mit uns bekundet. Darüber haben wir uns sehr gefreut.

    Unsere Mitschüler:innen haben das ganze eher nebenbei mitbekommen. Wir arbeiten aktuell noch daran mehr Schüler:innen aufmerksam zu machen, da helfen uns zum Beispiel auch die Aktionen der IJ Berlin. Es hilft uns auch, wenn ihr diesen Artikel oder andere Beiträge teilt und den Fall bekannt macht. Ansonsten kann es natürlich sein, dass noch weitere Maßnahmen, wie eine Vorladung zu einem Prozess oder ähnliches folgen. Deshalb haltet die Augen und Ohren offen und unterstützt uns auch dann! Wir machen auf jeden Fall weiter und lasse uns nicht einschüchtern.

    Perspektive Online hat die Schulleitung des Einstein-Gymnasiums Neuenhagen um eine Stellungnahme zu den Vorwürfen gebeten. Die Anfrage wurde an das entsprechende Ministerium in Brandenburg weitergeleitet. Eine Antwort steht jedoch noch immer aus.

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