In Frankreich ist es erneut zu umfangreichen Repressionen gegen die Umweltbewegung gekommen. Die Antiterroreinheit „SDAT“ ging Anfang der Woche in acht Gemeinden gegen Aktivist:innen vor, dabei kam es zu 15 Ingewahrsamnahmen. Mittlerweile sind diese wieder auf freiem Fuß. Es geht um Sabotage eines Konzerns, der bereits mit dem „Islamischen Staat“ kooperierte.
Am Montag kam es zu einem umfangreichen Einsatz der französischen Anti-Terror-Einheit „SDAT“ (Sous-direction anti-terroriste), der sich gegen Aktivist:innen der französischen Umweltbewegung richtete. Bei dem Einsatz wurden in mehr als zehn Gemeinden bei mindestens 15 Personen Hausdurchsuchungen durchgeführt und diese vorübergehend in Gewahrsam genommen. Am Donnerstag sind offenbar alle Aktivist:innen nach Verhören und rund 80 Stunden Gewahrsam wieder auf freien Fuß gesetzt worden.
Die Personen werden der Organisation „les soulèvements de la terre“ (dt. „Die Aufstände der Erde“) zugerechnet. Hintergrund ist eine Protestaktion gegen den schweizerisch-französischen Zement-Konzern „Holcim-Lafarge“ in Bouc-Bel-Air bei Marseille im vergangenen Dezember. Dabei sollen rund 200 Aktivist:innen in Maleranzügen in ein Fabrikgelände eingedrungen sein und Maschinen und Infrastruktur im Wert von angeblich 4 Millionen Euro sabotiert haben.
Ersten, in der französische Presse veröffentlichten Informationen zufolge wird den festgenommenen Personen die „organisierte Zerstörung“ sowie die Mitgliedschaft in einer „kriminellen Vereinigung“ vorgeworfen.
Die Organisation „les soulèvements de la terre“ bestätigt die Mitgliedschaft der festgenommenen Aktivist:innen zwar nicht, veröffentlichte jedoch auf ihrer Website eine Solidaritätserklärung, in der sie zur Beteiligung an Solidaritätskundgebungen vor den Lafarge-Standorten und den Präfekturen am Mittwochabend aufrief. In rund 30 Städten fanden solche Protestaktionen statt.
https://twitter.com/lessoulevements/status/1666809881058484232
Zudem soll es am Sonntag weitere landesweite Aktionen gegen den gleichen Konzern in Saint-Colomban geben. Außerdem rief die Organisation dazu auf, die Festnahmen auch bei der Beteiligung an den Protesten zur Rentenreform zu thematisieren. Sie sehen den Einsatz nämlich nur als Teil einer insgesamt „repressiven Eskalation“ der Regierung gegen die soziale und ökologische Bewegung in den letzten Monaten.
Repressionen gegen „les soulèvements de la terre“
Im März diesen Jahres protestierten mehr als 25.000 Demonstrant:innen unter Führung der Organisation im westfranzösischen Sainte-Soline gegen die Errichtung von agro-industriellen Wasser-Rückhaltebecken. Dabei kam es zu Konfrontationen mit der Gendarmerie nationale, die während der Auseinandersetzungen mindestens 5.000 Granaten verschossen haben soll, um die Demonstrationszüge zurück zu drängen. Es gab zahlreiche Schwerverletzte, und drei Umweltschützer:innen schwebten vorübergehend in Lebensgefahr.
Unmittelbar nach den Auseinandersetzungen stieß der französische Staat ein Verbotsverfahren gegen die seit Jahren agierende Umweltorganisation an.
Nationale und Internationale Proteste gegen den Konzern
Das Wirtschaftsgebiet des Konzerns Lafarge erstreckt sich über Frankreich hinaus. So kommt es, dass der Konzern auch international in der Kritik steht. Die Aktionen der Organisation „les soulèvements de la terre“ stehen deshalb in einer ganzen Reihe von Gegenprotesten. Unter anderem besetzten Linke in der Schweiz mit der sogenannten „ZAD de la colline“ einen Hügel, um die Auswertung eines Werks zu verhindern – er wurde mittlerweile geräumt. Auch in Frankreich haben bereits andere Akteur:innen Kämpfe gegen den Konzern geführt: z.B. sabotierten in Gennevilliers im Jahr 2021 Umweltaktivist:innen aus dem Umfeld von „Extinction Rebellion“ Infrastrukturen des Unternehmens.
Lafarge traf Absprachen mit dem IS
Das Unternehmen steht insgesamt auch nicht erst seit Kurzem in der Kritik: Nach Informationen des „European center for constitutional and human rights“ (ECCHR) soll Lafarge sogar Absprachen mit der islamisch-fundamentalistsichen Organisation „Islamischer Staat“ eingegangen sein, um seinen Fabrikbetrieb in Nordost-Syrien von 2012 bis 2014 aufrecht zu erhalten: Es soll für die Zementherstellung Rohstoffe wie Öl und Puzzolan-Erde vom IS gekauft und dafür Gebühren für Passierscheine gezahlt haben. Insgesamt soll das Unternehmen ca. 13 Millionen Euro an verschiedene bewaffnete Gruppen gegeben haben. Es wurde deshalb bereits wegen Terrorfinanzierung verurteilt.