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Donnerstag, November 14, 2024
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    Baufirma unter Verdacht des Menschenhandels gewann “Vielfaltspreis” des Berliner Senats

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    2021 gewann das Unternehmen „ANES Bauausführungen Berlin GmbH“ den Wettbewerb „Vielfalt unternimmt – Berlin würdigt migrantische Unternehmen“ in der Kategorie Unternehmen mit mehr als 30 Beschäftigten. Alle zwei Jahre zeichnet der Berliner Senat damit migrantische Unternehmen aus. 2019 wurde gegen die Firma noch aufgrund von Menschenhandel ermittelt.

    Im August 2019 wurden im Rahmen von Ermittlungen gegen Schwarzarbeit und Menschenhandel im Baugewerbe mehr als 100 Baustellen, Büros, Wohnungen, und Geschäftsadressen in Berlin, Brandenburg sowie in den sächsischen Städten Dessau und Halle durchsucht. Mit mehr als 1.900 eingesetzten Beamt:innen aus Bundespolizei, Zoll, Ausländerbehörde und Staatsanwaltschaft war die Razzia die bis dahin größte Aktion gegen kriminelle Strukturen im Baugewerbe.

    Die Ausbeutung ausländischer, insbesondere osteuropäischer Arbeiter:innen ist in Deutschland keine Seltenheit. Zu den bekanntesten Fällen zählt der Skandal um den Fleischhersteller Tönnies, der vorheriges Jahr sogar versuchte, an der polnisch-ukrainischen Grenze gezielt ukrainische Geflüchtete anzuwerben.

    Vom Krieg in die Fleischfabrik – Tönnies im Ukraine-Krieg

    Im Zentrum der Ermittlungen stand im damaligen Fall die Firma „ANES Bauausführungen Berlin GmbH“. Unter den insgesamt sechs Beschuldigten waren mit Mehmet G. und Halil K. zwei ihrer drei Geschäftsführer. Vorgeworfen wurde ihnen, ausländische Arbeiter illegal nach Deutschland gebracht zu haben, um sie dort unter Missachtung von Arbeitsnehmerschutzgesetzen und Mindestlohn auf Baustellen ausgebeutet zu haben. Das Unternehmen dementierte die Vorwürfe.

    Laut eigenen Angaben hat das Unternehmen mehrere hundert Arbeiter:innen – damit ist ANES Bauausführungen Berlin GmbH das fünftgrößte Bauunternehmen in der Hauptstadt. Als solches ist es an zahlreichen illustren Bauprojekten der Stadt beteiligt, beispielsweise an der Wohnlage Pankower Gärten, dem Rohbau der Naturwissenschaftlichen Bibliothek der Freien Universität sowie den Baumaßnahmen am Hotel Zoo und dem Bürokomplex B:HUB.

    2011 machte die Firma bereits lokale Schlagzeilen, als beim Bau der Sporthalle am Luftschiffhafen innerhalb kürzester Zeit zwei Arbeiter, darunter ein Familienvater aus Serbien, bei Unfällen starben.

    Dennoch sind die Verbindungen in die Politik scheinbar gut. Bei Spatenstich und Foto-Terminen sieht man den Beschuldigten und Geschäftsführer Mehmet G. regelmäßig mit hochrangigen Politiker:innen wie dem damaligen Innensenator Andreas Geisel (SPD) oder dem ehemaligen Bürgermeister Michael Müller (SPD). Zudem betreibt er auch noch einige andere Firmen im Bereich des Hoch- und Tiefbaus, der Baumaschinenvermietung sowie der Immobilieninvestition.

    Senat weiß von nichts

    Angesichts dieser Verbindungen wirkt es schon etwas seltsam, dass trotz der Größe der Razzia der Berliner Senat davon scheinbar nichts mitbekommen hat. Im Jahr 2021 – also nur zwei Jahre nach den Razzien – gewann ANES Bauausführungen nämlich trotzdem den alle zwei Jahre stattfindenden Wettbewerb “Vielfalt unternimmt – Berlin würdigt migrantische Unternehmen“. Seit 2019 werden bei diesem Wettbewerb in insgesamt drei Kategorien migrantische Unternehmer:innen vom Berliner Senat ausgezeichnet.

    ANES Bauausführungen Berlin GmbH gewann in der Kategorie „Unternehmen mit mehr als 30 Beschäftigten“ und erhielt neben einer Auszeichnung auch stattliche 10.000 Euro Preisgeld sowie ein filmisches Unternehmensporträt, also einen staatlich finanzierten Werbefilm. Auf Anfrage des Lower Class Magazine gab der Berliner Senat an, nichts von den Anschuldigungen der Schwarzarbeit und des Menschenhandels gegen das Unternehmen gewusst zu haben.

    https://twitter.com/LowerClassMag/status/1672572472795725825/photo/1

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