Am Freitag heben die kolumbianische Regierung und die revolutionäre Guerilla-Organisation ELN im kubanischen Havanna einen vorläufigen sechsmonatigen Waffenstillstand beschlossen. Bereits 2016 kam es zu einem Friedensschluss zwischen den Guerillas der FARC-EP und der kolumbianischen Regierung, woraufhin zahlreiche entwaffnete Revolutionär:innen von faschistischen Paramilitärs ermordet wurden.
Der kubanische Außenminister Bruno Rodriguez verkündete, dass die beiden Konfliktparteien zu einem „bilateralen, nationalen und vorläufigen Waffenstillstand“ überein gekommen seien. Dieser soll erst einmal für sechs Monate gelten, bevor die Gespräche in Venezuela weitergeführt werden sollen.
Die Friedensverhandlungen zwischen der Regierung und der ELN (Nationale Befreiungsarmee) haben bereits 2018 unter dem rechten Präsidenten Ivan Duque begonnen. 2019 wurden sie von Duque nach einem Autobombenangriff auf eine Polizeischule in Bogotà mit 22 Toten eingestellt.
Unter Duque war es bereits 2016 zu einem Friedensschluss zwischen dem kolumbianischen Staat und der FARC-EP (Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens – Volksarmee) gekommen. Damals bot der kolumbianische Staat den Guerillas eine Eingliederung in die Zivilgesellschaft und die politische Legalität an. Zwar wurde die FARC-EP zur legalen Partei, doch kam es zu keinem Ende der seit Jahrzehnten in Kolumbien andauernden politischen Repression gegen die Bevölkerung und gegen linke Aktivist:innen. Ganz im Gegenteil: so nutzten der Staat und die mit ihm verbundenen rechten bzw. faschistischen Paramilitärs die Entwaffnung der revolutionären Organisation und ihr Vertrauen in die demokratischen Versprechungen aus, um viele von ihnen zu ermorden bzw. verschwinden zu lassen.
Infolge dessen spalteten sich immer wieder Gruppen von der legal gewordenen Nachfolgepartei ab, um den bewaffneten Kampf wieder aufzunehmen oder verschiedene andere legale Parteien und Organisationen zu gründen, die sich für die tatsächliche Umsetzung des Friedensvertrags einsetzen. Seit März wurden auch mit einer der größten bewaffneten Abspaltungen der FARC-EP unter dem Kommando von Iván Mordisco erneut Friedensverhandlungen mit der Regierung aufgenommen.
Ein ähnliches Angebot wie damals 2016 gegenüber der FARC-EP zur Integration ins zivile Leben im Gegenzug zu deren Aufgabe des bewaffneten Kampfes unterbreitet nun der kolumbianische Präsident Gustavo Petro – er gilt als „linksorientiert“ bzw. reformbereit und ist selbst ehemaliger Kämpfer der Guerillaorganisation M-19 – nun auch der stärksten verbliebenen Guerillaorganisation ELN. Nach Angaben der Behörden gehörten ihr 2022 mehr als 5.800 Kämpfer:innen an.
Unklar scheint, worin die Garantien des Staats gegenüber der ELN und den noch aktiven Teilen der FARC-EP bestehen werden, damit sich die Ereignisse um die Zerschlagung der FARC-EP von 2016 nicht ein weiteres Mal wiederholen.