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NPD benennt sich um – so will die Partei wieder ein relevanter Baustein im faschistischen Netzwerk werden

Ende der 60er Jahre galt die NPD als Hoffnungsträgerin der faschistischen Bewegung, wieder einen parlamentarischen Arm aufzubauen. Diese Zeiten sind lange vorbei. Der Platz in der Parteienlandschaft, den sich die NPD erhoffte, ist mittlerweile von der AfD besetzt. Konfrontiert mit zunehmender Bedeutungslosigkeit, schwindenden Mitgliederzahlen und finanziellen Problemen hat die Partei jetzt entschieden, keine Partei mehr sein zu wollen, sondern eine „Anti-Parteien- Bewegung” und gibt sich mit „Die Heimat“ einen neuen Namen. Was ist von dieser Organisation zu erwarten? – Ein Kommentar von Rudolf Routhier.

Ende 1964 gründete sich die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) als Nachfolgerin der Deutschen Reichspartei (DRP). Ziel war es, nach dem Verbot der NSDAP im Jahre 1945 wieder eine offen faschistische Massenpartei aufzubauen. Anfangs wirkte es so, als könnte die faschistische Bewegung hier Fortschritte erzielen. Verglichen mit anderen neonazistischen Organisationen zur damaligen Zeit trat die NPD etwas gemäßigter auf, was früh Erfolge zeigte.

Schnell wurde ein breites Netzwerk aus Vorfeldorganisationen aufgebaut, und auch Alt-Nazis wie Hjalmar Schacht, Wirtschaftsminister und Reichsbankpräsident während der NS- Diktatur, konnten für die Partei gewonnen werden. Bei den Landtagswahlen 1966 kam die Partei in Hessen auf 7,9 Prozent, in Bayern 7,4 Prozent. Mit 9,8 Prozent errang sie 1969 bei den Landtagswahlen in Baden Württemberg ihren bis heute größten Erfolg.

Dabei konnte sich die Partei nicht nur der Sympathie diverser faschistischer Verbände und Netzwerke inner- und außerhalb des Staatsapparats sicher sein, sondern auch von Teilen der CDU und der Kapitalist:innen. Ex-Bundeskanzler und ehemaliges NSDAP-Mitglied Kurt Georg Kiesinger (CDU) sprach sich z.B. gegen ein Verbot der Partei aus. Zahlreiche Mitglieder der CDU/CSU, unter ihnen Generalsekretär Bruno Heck, Franz Josef Strauß sowie Bundestagspräsident Eugen Gerstenmaier sahen die Partei gar als möglichen Koalitionspartner. Auch unter den Kapitalist:innen fand die neue Partei schnell Freunde: Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) schrieb 1966, dass gegen die “Nationalkonservative Richtung der NPD grundsätzlich nichts einzuwenden” sei.

Doch der Erfolg hielt nicht lange an. Bei den Bundestagswahlen 1969 scheiterte die NPD knapp an der Fünf-Prozent-Hürde. Es folgten jahrzehntelange Flügelkämpfe, Abspaltungen und die zunehmende politische Bedeutungslosigkeit. Zwar konnten in den späten 1990er und frühen 2000er wieder kleinere Erfolge bei den Landtagswahlen erzielt werden, doch die Zeiten, in denen die NPD auch Wähler:innen außerhalb der etablierten rechten Szene mobilisieren konnte, waren lange vorbei.

Mit der Gründung der AfD im Jahr 2013 wurde die Partei in den Augen vieler nun Stück für Stück vollends überflüssig. 2017 erreichte die AfD dann auch, was der NPD nie gelungen war: den Einzug in den Bundestag.

Von der Partei zur “Bewegung”?

Auf die seit Jahrzehnten sinkenden Mitgliederzahlen und die finanziellen Probleme reagiert die NPD nun am Samstag mit der Namensänderung in “Die Heimat” und einem neuen Selbstverständnis als „Anti-Parteien-Bewegung“.

Vor einem Jahr wurde auf dem Parteitag ein Antrag, der dies vorschlug, noch abgelehnt. Auf dem diesjährigen Parteitag wurde er nach Angaben der NPD mit 77 Prozent schließlich angenommen. Es gehe um eine neue “Standortbestimmung, um eine neue strategische Funktion”, wie die Partei verlauten lässt.

Diese “neue Funktion” sieht die NPD darin, sich unter neuem Namen und alter Führung unter Proteste, zum Beispiel gegen Geflüchtete, Corona-Maßnahmen oder die Energiewende zu mischen, um dort quasi vor Ort “starke patriotische Netzwerke im vorpolitischen Raum” zu schmieden, ohne sich von “Unvereinbarkeitsbeschlüssen” aufhalten lassen zu müssen. Kurzum, sie will das machen, was der faschistische Ideologe Götz Kubitschek und seine Denkfabrik „Institut für Staatspolitik” als “Metapolitik” bezeichnen.

Bei solcher “Metapolitik” geht es darum, den Faschismus nicht nur durch politisch-parlamentarische Arbeit zu verbreiten, sondern auch den ideologischen und kulturellen, also den sogenannten vorpolitischen Raum für sich zu erobern. So hofft man, langfristig die Moral und Wertevorstellungen dauerhaft zu verändern. Wie erfolgreich dieses Konzept sein kann, zeigte unter anderem die linke „Außerparlamentarische Opposition“ (APO), durch deren Protest die erste, wenn auch oft zaghafte Aufarbeitung des Nationalsozialismus stattfand.

Für diese Strategie einer “rechten APO” ist das bisherige Selbstverständnis der NPD als faschistische Massenpartei jedoch hinderlich und zudem auch überflüssig – die AfD gibt es ja schon. Stattdessen möchte man nun als “Die Heimat” hingehen, wo die NPD bisher noch nicht willkommen war. Überall da, wo es bisher noch Unvereinbarkeitsbeschlüsse gegen die völkische NPD gab, hofft man jetzt als “Die Heimat”, noch subtiler die Unzufriedenheit und Sorgen der Bevölkerung ausnutzen zu können.

In den letzten Jahren hatte die faschistische Bewegung mit diesem Vorgehen nicht nur bei den Querdenker-Protesten gegen die Corona-Maßnahmen Erfolg, sondern auch innerhalb der Friedensbewegung: dort konnten sich einige faschistische Gruppen unter dem Deckmantel, “weder links noch rechts” zu sein, bereits fest etablieren.

Die Namensänderung der NPD ist ein Versuch, die Partei zeitgemäß zu machen. Weg von der völkischen angestaubten Partei hin zur „Metapolitik“ der Neuen Rechten. Dabei geht es nicht nur um strategische Veränderungen, sondern auch um die Suche nach einer neuen Daseinsberechtigung.

Verglichen mit neurechten Parteien wie den Republikanern schien sie schon in den 1980ern oft wie ein Relikt einer vergangenen Zeit – und spätestens mit der Gründung der AfD wurde sie endgültig obsolet. Als “Die Heimat” versucht sie nun, einen neuen Standort mit Nutzen für die faschistische Bewegung zu finden. Ob im Netzwerk der faschistischen Bewegung ein Platz für sie sein wird, bleibt abzuwarten. Doch egal, ob Partei oder nicht, das Ziel bleibt dasselbe. Wie sagte es schon die faschistische Ideologin Ellen Kositza im Jahr 2015: „Die Schlange: sie häutet sich und häutet sich wieder und doch bleibt sie immer die gleiche.”

Rudolf Routhier
Rudolf Routhier
Perspektive-Autor seit Sommer 2022. Schwerpunkte sind rechter Terror und die Revolution in Rojava. Kommt aus dem Ruhrpott und ließt gerne über die Geschichte der internationalen Arbeiter:innenbewegung.

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