Die Bundestag geht mit einem Haushaltsentwurf in die Sommerpause, der zahlreiche Kürzungen und Einschnitte vorsieht; unter anderem auch im Budget das Familienministeriums. Hinter dem Streit um das Elterngeld gerät jedoch die Kinderarmut in den Hintergrund. – Ein Kommentar von Paul Gerber
Bei der Debatte um die von der Bundesregierung vorgesehenen Kürzungen im Bundeshaushalt des Familienministeriums steht in den letzten Tagen die Obergrenze für das Elterngeld im Vordergrund: Das Grün geführte Ministerium wollte gerade dort den Rotstift ansetzen und die Obergrenze für den Erhalt von Elterngeld von 300.000 Euro jährliches Haushaltseinkommen auf 150.000 Euro reduzieren .
Die FDP macht ihrem Ruf als Partei der „besser Verdienenden“ alle Ehre und protestiert ausgerechnet gegen diese Kürzung, obwohl Finanzminister Lindner (FDP) in den meisten anderen Bereichen unbedingt starke Sparmaßnahmen durchsetzen will.
Keine Rolle spielt dabei jedoch, dass das Elterngeld gerade für Eltern mit geringem Einkommen trotzdem empfindliche finanzielle Einschnitte bedeutet. So rechnet die Junge Welt vor, dass, wer in den 12 Monaten vor der Geburt Vollzeit zum Mindestlohn gearbeitet hat und dafür etwa 1.400 Euro Netto erhalten hat, mit lediglich 900 Euro auskommen muss, wenn Elterngeld beantragt wird.
Was steckt hinter der Kindergrundsicherung?
Schon im Wahlkampf ein zentrales Thema der Grünen war der Kampf gegen Kinderarmut. Ihr Wundermittel dagegen? Die sogenannte „Kindergrundsicherung“. Hinter dem mit viel Tamtam angekündigten Projekt verbirgt sich jedoch bei näherem Hinsehen eher, dass Kindergeld und Bürgergeld (früher Hartz IV) für arme Kinder zusammengelegt werden.
An ihre Stelle soll ein einkommensunabhängiger Basisbetrag treten und ein zusätzlicher Geldbetrag, den Eltern erhalten, wenn sie kein eigenes oder nur ein sehr geringes Einkommen haben. Zwar haben die Grünen verkündet, dass sie dabei Steigerungen durchsetzen wollen. Wie hoch diese genau ausfallen würden, ist jedoch bislang vollkommen unbekannt, da noch kein Gesetzesentwurf vom Familienministerium vorgelegt wurde.
Die Tatsache, dass das Finanzministerium das Budget für das Projekt von den zuvor veranschlagten 12 Milliarden auf 2 Milliarden Euro heruntergekürzt hat, lässt jedenfalls stark vermuten, dass es hier ganz ähnlich wie bei der Umbenennung von Hartz IV in „Bürgergeld“ eher um eine kosmetische Veränderung geht. Sehr unwahrscheinlich erscheint, dass die massiv gestiegenen Lebenshaltungskosten Berücksichtigung finden.
Wenn die Grünen ihre ursprünglichen Pläne durchsetzen können, würde die größte Verbesserung für arme Familien wohl darin bestehen, dass bestimmte Zuschüsse, die das Jobcenter bisher nur auf Antrag übernommen hatte, dann automatisch ausgezahlt werden würden. Beispielsweise eine relativ geringe Summe von 100 oder 150 Euro zum Start des Schuljahrs.
Wie ist das Gerangel um Leistungen wie die Kindergrundsicherung einzuordnen?
Egal, ob der staatliche Zuschuss Kinder-Hartz-IV, Kindergeld oder Kindergrundsicherung heißen wird, klar muss sein, dass all diese Modelle letztlich eine Subvention für Löhne darstellen. Sie dienen dazu, Familien das Überleben zu sichern, auch wenn der Lohn der Eltern eigentlich unter dem Existenzminimum einer Familie liegt.
Platt gesagt bedeutet das tendenziell, dass die Kapitalist:innen den Lohn (wenn überhaupt) für das Überleben der Erwachsenen zahlen, während dem Staatshaushalt die Aufgabe zugeschustert wird, für das Auskommen der Kinder zu sorgen. Klar ist, dass die Kapitalist:innen bei solchen Maßnahmen versuchen werden, den Lohn weiter zu senken.
Ist die Frage, ob im nächsten Haushalt 2 oder 12 Milliarden Euro für die Grundsicherung vorgesehen sind, somit ganz und gar irrelevant? Auch das wäre eine falsche Schlussfolgerung. Zwar ist es wichtig festzuhalten, dass der ganze Staatshaushalt durch die Arbeiter:innenklasse gezahlt wird, denn sie schafft allen Reichtum, der in Milliardenhöhe neu verteilt wird.
Eine Maßnahme wie die Kindergrundsicherung stellt also zunächst eine Umverteilung innerhalb der Arbeiter:innenklasse dar. Wird der dafür vorgesehene Betrag jedoch noch weiter gekürzt, bedeutet dies, dass der Staat noch stärker als ohnehin zu einem Umverteilungsmechanismus von unten nach oben wird.
Das bei den ärmsten Kindern eingesparte Geld wird stattdessen in Subventionen sowie Investitionen im Interesse großer Unternehmen gesteckt oder für die Weiterführung der Aufrüstung ausgegeben.
Während die grundsätzliche Forderung also sein muss, dass die Löhne wieder ein Niveau erreichen, von dem auch eine mehrköpfige Familie leben kann, gilt es trotzdem, die konkreten Einschnitte bei der Kindergrundsicherung nicht hinzunehmen.