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Samstag, April 27, 2024
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    Wenn Kapitalismus Schule macht: Lehrkräftemangel und schlechte Lernbedingungen

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    Der Zustand in Deutschlands Schulen ist vielerorts katastrophal. Allein in Berlin fehlen zum Start des neuen Schuljahres in 40 von 360 Grundschulen mehr als 10% des Personals. Der über Jahre immer schlechter gewordene Bildungsbetrieb lässt sich im Kapitalismus nicht reformieren. – Ein Kommentar von Mohannad Lamees.

    Kürzlich unterhielt ich mich mit einem Kollegen über unsere Arbeit, über die Pausenzeiten und den Lohn. Im Gespräch kamen wir auch schnell auf die Arbeitsbedingungen in anderen Betrieben zu sprechen. Mein Kollege berichtete zum Beispiel über seine Partnerin, die Lehrerin an einer Grundschule ist und über ihre vielen Bekannten, die ebenfalls als Lehrkräfte arbeiten und in den letzten Jahren in den Beruf eingestiegen sind.

    Nach ein paar Jahren, schilderte mein Kollege seine Beobachtungen aus dem Bekanntenkreis, verlieren alle Neueinsteiger:innen den Enthusiasmus aus der Uni-Zeit und werden im harten Schulalltag gebrochen – sie machen nur noch das Nötigste, fahren ihr Engagement herunter und leisten Dienst nach Vorschrift. Die motivierten Neulinge, so mein Kollege, merken eben recht schnell, dass es im System Schule vor allem um eins geht: Schüler:innen disziplinieren und für Ordnung sorgen.

    Personalmangel, keine Möglichkeit für eine angemessene Unterstützung der Schüler:innen, vollgepackte Klassen – dass die Situation in den Schulen in Deutschland schlecht ist, bestätigen auch statistische Erhebungen: Allein in Berlin fehlt zum Beginn des neuen Schuljahrs in 40 von 360 Grundschulen mehr als jede zehnte Lehrkraft, und Schulen müssen nun auch offiziell bei den Pflichtstunden kürzen.

    Das ist bei weitem kein Phänomen, das nur in der Hauptstadt auftritt. Nein, der Trend, dass es zu wenig Lehrkräfte gibt, ist schon seit Jahren absehbar und ersichtlich. So schrieb schon 2010 die Süddeutsche Zeitung: „Lehrermangel so groß wie nie“. Geändert hat sich wenig. Forscher:innen prognostizieren gar, dass der Lehrkräftemangel in Deutschland bis zum Jahr 2032 um die 80.000 fehlende Lehrer:innen betragen werde.

    Kein Sondervermögen gegen den Lehrkräftemangel?

    Unterdessen gelingt es den Politiker:innen seit Jahren nicht, bessere Arbeitsbedingungen für Lehrer:innen zu schaffen und dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Stattdessen rüstet Deutschland fleißig auf und schuf zum Beispiel ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr. Für Gesundheit und Bildung jedoch werden die Ausgaben zusammengestrichen.

    Auch die Gewerkschaften helfen nicht weiter. Zwar stellen sie immer wieder neue Forderungen an die Regierungen auf und verlangen bessere Bezahlung und bessere Arbeitsbedingungen. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in Berlin organisierte sogar 14 Warnstreiks innerhalb der vergangenen beiden Schuljahre. Doch immer dann, wenn die Lehrer:innen wirklich kämpferisch sind und ihre Forderungen gegenüber Schulämtern und Kultusminster:innen durchdrücken wollen, nimmt die GEW Dampf vom Kessel, anstatt die Kämpfe tatsächlich zu führen.

    Der Grund dafür liegt auf der Hand: Im kapitalistischen System stehen weder die Interessen der Arbeiter:innen, in diesem Fall der Lehrer:innen, noch die der Kinder und Jugendlichen von  Arbeiter:innen, also dem Großteil der Schüler:innen, im Vordergrund. Wenn wir also derzeit über den Lehrkräftemangel sprechen und über die schlechten Bedingungen an den Schulen, dann lasst uns konsequenterweise auch die Ursache dieses Übels benennen: es ist die kapitalistische Produktionsweise. Dass Arbeiter:innen ein Leben lang von den Kapitalist:innen ausgebeutet werden, schlägt sich auch im Schulwesen nieder – es zählt nicht gute umfängliche Bildung und Betreuung, sondern einzig und allein das Heranziehen der Arbeiter:innengeneration von morgen.

    Was sagt uns das? Bessere Bildung und bessere Arbeitsbedingungen im Bildungsbetrieb werden wir nicht von den Regierenden geschenkt bekommen, mögen wir unsere Forderungen auch noch so vehement an sie richten. Nein, um die systematische Verschlechterung des Bildungsbereiches in unserem Land zu beenden, müssen wir Schluss machen mit dem ganzen System an sich. Erst wenn wir die kapitalistische Produktionsweise auf den Müllhaufen der Geschichte werfen, werden wir ein  Schul- und Universitätswesen aufbauen können, das tatsächlich unsere Bedürfnisse und Interessen widerspiegelt und das Lehrkräften nicht die Motivation und den Enthusiasmus raubt.

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