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Freitag, November 8, 2024
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    Gewalt an Frauen: „Ein Angriff auf eine ist ein Angriff auf alle von uns.“

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    Nachdem das „Frauenkollektiv“, eine sozialistische Frauenorganisation, zuletzt vor allem zum Thema Antimilitarismus gearbeitet hat, steht in den nächsten Monaten die Frauenrevolution im Mittelpunkt ihrer Arbeit. – Im Interview beschreiben sie Motivation und Hintergründe ihrer neuen Kampagne.

    Wie kam es dazu, dass ihr das Thema Frauenrevolution nun auf die Agenda gesetzt habt?

    In unserem Selbstverständnis bringen wir zum Ausdruck, dass wir in einer Gesellschaft leben, in der Millionen Menschen auf Grund ihres Geschlechts und ihrer Klassenzugehörigkeit ausgebeutet und unterdrückt werden. Der Kapitalismus und das Patriarchat bestimmen unsere Wirtschaftsordnung, die Strukturierung der Gesellschaft, das politische System, unsere Erziehung und Sozialisation, die Form unserer Familien – also unser gesamtes heutiges Leben.

    Und genau aus diesem Grund ist es notwendig, explizite Räume der politischen Organisierung für Frauen zu schaffen, um diesem kapitalistischen und patriarchalen System den Kampf anzusagen und eine Alternative aufzuzeigen. Um das zu schaffen, denken wir, braucht es einen Umsturz der Verhältnisse, eine sozialistische Revolution und eben auch eine soziale Revolution. Und ein Teil davon ist für uns die Frauenrevolution!

    Und schauen wir uns die Lage der Frauen und der gesamten Arbeiter:innenklasse heute an, können wir feststellen: wir haben eigentlich keine andere Alternative. Wir müssen anfangen, uns zu organisieren und als Frauen und Menschen der Arbeiter:innenklasse dem System etwas entgegenzusetzen.

    Wie ordnet ihr die aktuelle Lage von Frauen in Zeiten wie diesen ein? Und was spielt das Patriarchat für eine Rolle?

    Wir leben in Krisenzeiten! Und das zeigt sich nicht zuletzt an den steigenden Zahlen patriarchaler Gewalt. Die Zahlen häuslicher Gewalt sind laut Kriminalstatistik 2022 um rund 9% zum Vorjahr gestiegen und auch im Jahr 2021 war bereits ein Anstieg zu verzeichnen. Insgesamt wurden 240.547 Betroffene häuslicher Gewalt registriert, davon 157.818 im Kontext von Partnerschaftsgewalt. 80% der Betroffenen sind weiblich. Allein in diesem Jahr wurden bereits 90 Frauen in Deutschland von ihren (Ex)Partnern ermordet.

    Das Patriarchat besteht in einem Unterdrückungs- und Ausbeutungsverhältnis. Das heißt also, einmal mehr zeigt sich das auf der ökonomischen, aber eben auch auf der gesellschaftlichen Ebene. Das Patriarchat wirkt sich sichtbar auf die ökonomische Situation von Frauen aus. Dies treibt Frauen häufig in die finanzielle Abhängigkeit von ihren Partnern. Mit dieser Abhängigkeit geht dann auch oft Gewalt einher, der die Frauen nicht entkommen können. Wir sehen also, dass Gewalt gegen Frauen eine unmittelbare Folge von Krisen ist und die Lage der Frauen massiv verschlechtert.

    Was genau bedeutet denn Frauenrevolution für euch?

    Erst einmal würden wir vorneweg sagen, dass die Frauenrevolution als gesellschaftliche Revolution im Grund genommen schon heute beginnt.

    Das heißt für uns, dass wir schon jetzt unserem Fühlen, Handeln und Denken das Bewusstsein über die Notwendigkeit der Frauenrevolution zugrunde legen. Dafür müssen wir verstehen und uns anschauen, welchen Einfluss das Patriarchat auf uns hat und wie wir diese ausschließlich erlernten bürgerlichen Geschlechterrollen bekämpfen können.

    Kurz gesagt würden wir dabei von einer Entwicklung des Geschlechtsbewusstseins sprechen. Einem Bewusstsein darüber, was für Machtverhältnisse zwischen den Geschlechtern herrschen und was für Auswirkungen diese in unserer Gesellschaft so mannigfaltig mit jeder und jedem von uns anstellen.

    Das heißt ganz konkret, dass wir in jedem Aspekt unseres Lebens und unserer Arbeit die Perspektive der Frauen sichtbar machen und unsere Unterdrückung und Ausbeutung anprangern. Und genau dafür braucht es Frauensolidarität! Wir halten sie der Unterdrückung entgegen. Denn genau das ist die stärkste Waffe, die wir gegen diese Ordnung haben!

    Vorhin sprachen wir über die steigenden Zahlen der Gewalt an Frauen. Umso wichtiger, dass wir diese Gewalttaten auf keinen Fall unkommentiert lassen. All diese Taten manifestieren das patriarchale System immer wieder aufs Neue. Deswegen nutzen wir auch immer wieder die Losung: „Ein Angriff auf eine ist ein Angriff auf alle von uns.“

    Wir stehen parteiisch auf der Seite der Betroffenen und ziehen Konsequenzen für Täter. In keinem Fall dürfen persönliche Beziehungen oder Freundschaften unser Vorgehen gegen patriarchale Gewalt einschränken.

    Wie verbindet ihr eure Kämpfe?

    Der Kampf für die Frauenrevolution ist also auch ein Kampf des aktiven Widerstands als revolutionäres Kollektiv gegen das Patriarchat und den Kapitalismus.

    Dafür brauchen wir eine klassenkämpferische Bewegung, wo natürlich die eine Hälfte der Klasse nicht fehlen darf. Und um das Patriarchat zu verbannen, brauchen wir natürlich auch eine starke Frauenbewegung, die bewusste Schritte geht, um diesem System den Kampf anzusagen.

    Wir können und wollen uns nicht einfach unserer Unterdrückung entziehen, indem wir Orte schaffen, an denen wir die Unterdrückung nicht wahrnehmen, so wie es teils feministische Gruppen als sogenannte „Safe Spaces“ fordern. Diese kann es im Kapitalismus nämlich nicht geben, da wir alle der patriarchalen Sozialisation ausgesetzt sind.

    Und um genau dies gezielt voran zu bringen, ist es an der Zeit, solch eine Kampagne ins Leben zu rufen und Frauen der Arbeiter:innenklasse davon zu überzeugen.

    Ein wichtiger Kampftag, um die Frauenrevolution voranzubringen und unsere Kämpfe auf den Straßen sichtbar zu machen, ist der „Internationale Tag gegen Gewalt an Frauen“. Seit der Gründung des Frauenkollektivs sind wir am 25. November auf den Straßen und mobilisieren Frauen, damit sie ihren Kampfgeist, ihre Wut und ihre Trauer dort zum Ausdruck bringen können. Und natürlich ist auch dieses Jahr der 25. November ein so wichtiges Datum, um die Frauensolidarität in der Praxis zu leben und dem Patriarchat den Kampf anzusagen.

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