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Freitag, November 8, 2024
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    Welt-AIDS-Tag: Ein Kampf bis heute

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    Seitdem 1983 das HI-Virus entdeckt wurde, ist die Krankheit AIDS auch ein politisches Gezerre. Schon seit über 40 Jahren kämpfen besonders unterdrückte und ausgebeutete Teile der Weltbevölkerung gegen diese Krankheit. Heute am 1. Dezember ist der „Welt-AIDS-Tag“. Letztlich sorgt er dafür, dass die andauernden Grausamkeiten des Imperialismus nicht in Vergessenheit geraten. – Ein Kommentar von Fridolin Tschernig

    Von Regierungen ignoriert, vom Staat, den Medien und anderen Reaktionären instrumentalisiert: AIDS wurde in der Geschichte immer herangezogen, um Schwulenfeindlichkeit und auch Rassismus zu untermauern. Am 35. Welt-AIDS-Tag soll es uns nicht nur um die Frage gehen, wer von der AIDS-Pandemie betroffen ist. Vielmehr soll es auch darum gehen, warum genau diese Frage eng mit Kapitalismus und Patriarchat zusammenhängt.

    Was ist AIDS?

    Aber zuerst: Was ist überhaupt AIDS? AIDS steht für „Acquired immunodefieciency Syndrom“ und ist die Folge einer Infektion mit dem HI-Virus (Humanes Immunschwäche-Virus). Das Virus überträgt sich über Körperflüssigkeiten. Hier allen voran: Blut, Sperma, Vaginalsekret und der Flüssigkeitsfilm im Darm. Die Infektion tritt also bei der Übertragung genau dieser Körperflüssigkeiten auf, was beispielsweise beim unverhüteten Geschlechtsverkehr, dem Teilen von Spritzen aber auch einer Schwangerschaft der Fall ist.

    Nach einer Infektion passiert äußerlich erst einmal sehr wenig. Es dauert einige Zeit, bis tatsächlich schwerwiegende Symptome zu erkennen sind. Die Viruszellen können vom Immunsystem selbst nur schwach bekämpft werden, da es eben gerade die Immunzellen sind, die infiziert werden, und es eine rasche Bildung unterschiedlicher Varianten gibt. Die Viruszellen greifen dann eben umgekehrt die Zellen des Immunsystems an. Und das macht den Körper nach und nach angreifbar für viele andere Arten von Krankheiten.

    Nach mehreren Jahren – durchschnittlich zehn – können sich dann schwere Immunerkrankungen durchsetzen. Über 70% der menschen, die HIV für Jahre unbehandelt lassen, kommen in dieses Stadium. Diese Phase nennt man AIDS. Die durchschnittliche Lebenserwartung ohne Behandlung beträgt dann nur noch ungefähr 18 Monate. Eine unbehandelte HIV-Infektion verläuft nach 20 Jahren zu fast 100 Prozent tödlich.

    Einblick in eine kämpferische Vergangenheit

    Als die Pandemie Anfang der 1980er ausbrach, war die Schwulenbewegung in ihre erste Krise nach den sogenannten „Stonewall Riots“ in New York geraten. Zum einen hatten Ende der 1960er revolutionäre Organisationen nie einen allzu bestimmenden Einfluss, aber hatten mit Revolutionärinnen wie Sylvia Rivera oder Marsha P. Johnson dennoch einen Führungsanspruch. Der erste revolutionäre und klassenkämpferische Schwung in den LGBTI-Organisationen war dann Mitte der 70er im Wesentlichen vorbei. Danach setzte sich eine reformistische und integrative Führung durch.

    Die GLF (Gay Liberation Front) spaltete sich an der Frage der Militanz, die STAR (Street Transvestites Action Revolutionaries) wurden bewusst von Demonstrationen ausgeschlossen, die HAW (Homosexuelle Aktion Westberlin) wurde ab 1974 nach und nach durch reformistische Organisationen ersetzt. Und auch die Rotzschwul (Rote Zelle Schwul) ging in ihrer Aktivität zurück.

    Beispielhaft kann man die Entwicklung zur weiteren Integration am bundesweiten Treffen „Homolulu“ 1979 sehen: Frühere revolutionäre Gruppen wie die HAH (Homosexuelle Aktion Hamburg) stellten hier Forderungen nach Integration ohne jede Systemkritik auf. In dieser Situation der Schwäche befand sich die LGBTI-Bewegung im Allgemeinen, aber auch die Schwulenbewegung im Besonderen.

    HIV-Pandemie

    Im Jahr 1981 wurde HIV das erste Mal in den USA diagnostiziert. Dort und in Westeuropa hatten die Infektionen von Anfang an vor allem Homosexuelle betroffen. Studien zufolge gab es in dieser Zeit aber wahrscheinlich schon Infektionen im Bereich von 100.000 bis 300.000 Fällen, die aber als solche noch nicht erkannt wurden.

    In kurzer Zeit entwickelte sich die Epidemie zu einer weltweiten Pandemie, wahrscheinlich auch deshalb, weil das Virus ursprünglich aus Haiti kam. In der Hochphase von 1987 bis 1996 gab es zwischenzeitlich bis zu 3 Millionen Infektionen im Jahr. Durch das Virus starben bis heute über 37 Millionen Menschen. Der Höhepunkt der Pandemie endete erst mit der Entdeckung einer Therapie Mitte/Ende der 1990er Jahre. Aber auch die allgemeine gesundheitliche Versorgung hatte sich verbessert und es wurden mehr Verhütungsmittel eingesetzt.

    Seit der Entdeckung und Verbreitung der antiretroviralen Therapie ab 1996 ist die Todesrate im Verhältnis zu den Infektionszahlen deutlich gesunken. Diese Behandlung bedeutet aber keine Heilung, sondern die medikamente müssen kontinuierlich eingenommen werden. Menschen aus Neokolonien und ausgebeuteten Ländern mit mangelnder Bildung und unzureichender Gesundheitsversorgung hatten und haben deshalb einen deutlich schlechteren Zugang zu der Therapie.

    Umgang der bürgerlichen Staaten

    In dieser Zeit gab es weltweit verschärfte Angriffe auf die Arbeiter:innenklasse. Auf die Weltwirtschaftskrisen der 70er und 80er Jahre, auch Ölkrisen genannt, reagierten die imperialistischen Staaten mit Sparprogrammen vor allem im sozialen Bereich. In dieser Zeit waren es die bekannten Gesichter Ronald Reagens und Margaret Thatchers, die die Interessen des Kapitals durchgesetzten. Auch die Gegenmaßnahmen ihrer Regierungen passen da ins Bild. Es gab nämlich keine.

    In den USA wurden keinerlei staatlichen Schritte unternommen, eine Therapie oder Heilung für HIV zu verbreiten. HIV wurde fast gänzlich ignoriert. Während jeder zehnte schwule Mann in den USA starb, lachte der Pressesprecher des damaligen US-Präsidenten Ronald Reagan noch 1984 über das Thema und beleidigte den Fragesteller.

    Aber ein paar Versuche gab es dennoch – jedoch keine fortschrittlichen. Denn die Monopolpresse und staatlichen Medien verbreiteten weiterhin Lügen über die Krankheit. Sie instrumentalisierten den Tod und das Elend von schwulen wie auch drogenabhängigen Menschen, um zu hetzen und zu spalten.

    Situation in Deutschland

    Und wie sah es zu der Zeit in Deutschland aus? Ein damals noch recht unbekannter CSU-Abgeordneter namens Horst Seehofer forderte „spezielle Heime“, in denen man HIV-Erkrankte „konzentrieren“ könne. Wild gehetzt und diskriminiert wurde also auch hier – obwohl die Pandemie in Deutschland nie eine so große Bedeutung hatte wie in vielen anderen Ländern. Bis heute sind circa 32.000 Menschen, überwiegend schwule Männer, in Deutschland an AIDS gestorben.

    Die Schwäche der revolutionären Schwulenbewegung in den USA und weltweit besonders zu der Zeit hatte auch einen Einfluss auf die Gesetzgebung zu HIV. Es war schwierig, sich mit den anderen Kämpfen der Arbeiter:innenklasse zu verbinden, Ausgrenzung und Spaltung waren vorherrschend. Konnte man schon die ökonomischen Angriffe nicht zusammen abwehren, so war es bei den politischen erst recht nicht möglich.

    AIDS heute

    Von 1981 bis 1987 wurden weltweit circa 1,5 Milliarden US-Dollar in die Erforschung des HI-Virus investiert. Da ist es kein Wunder, dass erst 1996 die erste massenhafte Produktion von Medikamenten beginnen konnte. Zum Vergleich: Das ist die gleiche Summe, die allein von März 2020 bis April 2021 von der BRD in einen Corona-Impfstoff investiert wurde.

    Deswegen starben noch 2005 – schon 10 Jahre nach den höchsten Infektionszahlen – ca. 1,8 Millionen Menschen an AIDS. Dies aber nicht in den imperialistischen Zentren wie den USA, Deutschland oder China,  sondern in den kapitalistischen Ländern und Neokolonien im Süden Afrikas und Südostasiens.

    AIDS- Eine Schwulenkrankheit?

    Seit 2005 sinken glücklicherweise auch in Südafrika und benachbarten Staaten die Infektionszahlen und Todesraten.

    Allerdings gibt es auch hier immer wieder Höhepunkte: Um 2016 stiegen teilweise die Inzidenzen wieder für ein paar Jahre. Zu bemerken ist hier aber vor allem eines: die Männer sind mittlerweile seltener betroffen als die Frauen. Gerade junge Frauen von 15-25 sind besonders gefährdet.

    Im globalen Trend setzt sich durch, dass die imperialistischen Länder wie die USA oder die BRD schon lange kein wirklich direktes Problem mehr mit der Krankheit haben. In Deutschland sind es ca. 200 Tote im Jahr. Zum Vergleich: Im Jahr 2022 sind insgesamt 17.500 Menschen an infektiösen Krankheiten gestorben und 360.000 an Herzkrankheiten.

    Die Länder und Bevölkerungsschichten, die einen schlechten Zugang zu einer Therapie haben, leiden letztlich am stärksten. Hier sind es besonds die jungen Arbeiterinnen und Bäuerinnen aus dem Süden Afrikas, die sich in absolute Abhängigkeit zu ihrem Mann befinden. Die Möglichkeit zum Arzt zu gehen, sich behandeln zu lassen oder beim Sex zu verhüten, wird ihnen nicht gestattet. Aber auch die Prostitution, in die junge Frauen oft aus finanzieller Not geraten und in der ungeschützter Sex verlangt wird, steuert ihren erheblichen Anteil dazu bei.

    Unsere Antwort: Solidarität!

    Am Welt-AIDS-Tag kann es uns also nicht darum gehen, an alten reaktionären Bildern über den HI-Virus festzuhalten. Die Medien nutzten die Krankheit, um schwule Männer als dreckig und ansteckend darzustellen. Sie versuchten eine Erkrankung mit HIV und das Schwulsein gleichzusetzen. Aber wer bei HIV heute noch nur an schwule Männer denkt, der muss in das heutige 21. Jahrhundert zurückgeholt werden – viel eher begreifen wir AIDS heute als durch und durch politische Sache, die auch dementsprechend analysiert und behandelt werden muss!

    Das Patriarchat hat viele Gesichter. Als schwule Arbeiter wissen wir das – nicht zuletzt aufgrund der Hetze gegen AIDS-Erkrankte – nur zu gut. Die Frauen aus dem Süden Afrikas und in Südostasien sind für uns keine Gegnerinnen, mit denen wir um den traurigen Platz 1 in der AIDS-Statistik kämpfen. Sie sind revolutionäre Verbündete, mit denen wir gemeinsam kämpfen!

    • Seit 2022 Autor bei Perspektive. Schreibt als Studierender aus Sachsen insbesondere internationalistisch über die Jugend, Antimilitarismus und das tagespolitische Geschehen. Vorliebe für Gesellschaftsspiele aller Art.

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