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Donnerstag, Mai 2, 2024
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    Silvester: Polizei setzt angekündigte Repressionen um

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    An Silvester ging die Polizei mit einer hohen Polizeipräsenz vor. Bereits vor den Feierlichkeiten wurden Demonstrationen von der Polizei angegriffen und schikaniert. In Berlin und Leipzig kam es zu zahlreichen Festnahmen und Polizeigewalt. Laut Behörden blieb es allerdings vergleichsweise ruhig.

    In den Tagen vor Silvester wurde sowohl von der Polizei als auch von zahlreichen Politiker:innen angekündigt, mit voller Härte vorzugehen. Der regierende Bürgermeister Berlins, Kai Wegner (CDU), erklärte: “Heute ist die Nacht, wenn es denn notwendig ist, die Nacht der Repression.” Die angekündigte Härte bekamen sowohl politische Organisationen, als auch migrantische Jugendliche zu spüren.

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    Repression gegen politische Veranstaltungen an Silvester

    Die Frauenorganisation Zora veranstalte am Silvestermorgen die Demonstration „Sexualisierte Gewalt ist keine Frage der Herkunft“. Auf der Demonstration wurde mit Bezug auf die „Silvesternacht“ 2015 kritisiert, dass nach der Vergewaltigung von mehreren Frauen nur eine rassistische Hetzkampagne entbrannt sei, aber nicht über die Gefahr von sexualisierter Gewalt an öffentlichen Plätzen, die von Männern jeglicher Herkunft kommt, diskutiert wurde.

    Ein unbekannter Mann warf im Verlauf der Demonstration einen Böller in Richtung der Demonstrierenden. Daraufhin kam die Polizei mit mehreren Mannschaftswagen angefahren. Eine Aktivistin von Zora sprach sich in ihrer Rede daraufhin gegen die Polizeipräsenz aus und sagte erbost, dass „die Polizei sich aus dem Bezirk verpissen soll und hier nichts zu suchen hat“. Denn die Polizei sei nicht vor Ort, um sie zu schützen, sondern um migrantische Menschen zu kriminalisieren und schikanieren.

    Ein Polizist griff daraufhin – mit dem Vorwurf der Beleidigung eines Polizeibeamten – nach dem Megaphon der Aktivistin und versuchte den Redebeitrag zu unterbrechen. Nach Beendigung der Versammlung wurde die junge Frau dann von der Polizei festgenommen und einer polizeilichen Maßnahme unterzogen. Diese Repression geschieht nur wenige Wochen, nachdem die Polizei mit 170 Beamt:innen die Wohnungen von sechs Aktivist:innen von Zora durchsucht hatte, weil die junge Frauenorganisation sich in einem Instagram-Post für die Stärkung fortschrittlicher und anti-patriarchaler Kräfte in Palästina ausgesprochen hatte.

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    Die Gruppe Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost hatte für Silvester zu einer Demonstration gegen den Völkermord und die Vertreibung der Palästinenser:innen in Gaza aufgerufen. Am Mittag versammelten sich daraufhin mehrere tausend Menschen in Neukölln, um gegen die anhaltende Bombardierung durch Israel zu protestieren. Dabei wurde das Vorstandsmitglied der Jüdischen Stimme, Iris Hefets, zum dritten Mal seit Oktober von der Polizei festgenommen.

    Die Polizei begründete die Repression gegen die Aktivistin damit, dass auf ihrem Pappschild der Slogan „Seit über 100 Jahren warnen Juden: Zionismus tötet“ und „Jews against Genocide“ zu lesen war. Obwohl sie erklärte, dass dies in der Vergangenheit bereits mehrmals geprüft wurde, bestand die Polizei darauf, Rücksprache zu halten. Iris Hefets weigerte sich, Deals mit der Polizei zu machen und das Schild abzugeben, woraufhin die Polizeibeamt:innen ihr das Tranparent gegen ihren Willen abnahmen.

    Eine weitere Demonstration, die für 22:30 Uhr in Neukölln angemeldet wurde, wurde von der Polizei dann noch vor Beginn verboten.

    Feuerwerksverbotszone in Neukölln

    Neukölln stand besonders im Fokus der medialen Hetzkampagne und der Repression der Polizei. Einen besonderen „Brennpunkt“ stellte dabei die Sonnenallee dar, auf der es in den vergangenen Wochen und Monaten zu zahlreichen spontanen Protesten gegen den Krieg in Gaza gekommen war. Dabei waren immer wieder zahlreiche Menschen festgenommen worden.

    Um Ausschreitungen zu unterbinden, kündigte die Polizei an, im nördlichen Abschnitt erstmals eine Pyro-Verbotszone einzurichten. Damit sollten jegliche Feierlichkeiten und Proteste von vornherein durch eine hohe Polizeipräsenz unmöglich gemacht werden.

    Im vergangenen Jahr war es an Silvester zu Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und migrantischen Jugendlichen gekommen. „Die letzten Jahre war es hier immer schon wild, aber diesmal nur halb so wild, wie es nach dem vergangenen Silvester aufgebauscht wurde“, erklärt hingegen eine Anwohnerin gegenüber der Berliner Morgenpost und fügte hinzu: „Ich habe das Gefühl, dass eine übermäßige Polizeipräsenz dazu führt, dass sich die Situation hochschaukelt.“

    Ein anderer Anwohner äußert sich ähnlich: „Ich glaube nicht, dass es in Neukölln schlimmer als in Wedding oder anderen Bezirken ist, sondern dass es eine rassistische Kampagne der Polizei und der Stadt ist, so stark auf Neukölln zu schauen.“

    Zahlreiche Festnahmen in Berlin und Leipzig

    Polizei und Feuerwehr sprechen von einer eher ruhigen Nacht in Berlin. Ein Sprecher der Berliner Feuerwehr sprach von einem “normalen Silvester”. Es habe keine größeren Einsätze für die Berliner Feuerwehr gegeben. Auch Verletzte habe es auf ihrer Seite nicht gegeben. Im gesamten Stadtgebiet gab es einzelne Meldungen über brennende Mülltonnen und andere kleine Gegenstände. Vereinzelt sollen auch Fahrzeuge mit Raketen beschossen worden sein.

    Die Polizei spricht nach eigenen Angaben von 54 verletzten Beamt:innen in Berlin, wobei die Angaben nicht genauer spezifiziert werden. Insgesamt waren knapp 4.000 Polizist:innen in der Hauptstadt im Einsatz. Diese nahmen im Laufe der Nacht etwa 390 Menschen fest und leiteten 720 Ermittlungsverfahren ein, vor allem wegen Brandstiftung und Verstößen gegen das Sprengstoffgesetz.

    Vor allem im Bereich der Sonnenallee soll es zu brutalen Festnahmen durch die Polizei gekommen sein. Verschiedene politische Organisationen verbreiteten deshalb einen Aufruf zur Suche nach zwei mutmaßlichen Augenzeug:innen der gewaltvollen Festnahme: Zwischen Sonnenallee und Karl-Marx-Str. soll zwischen 3:30 und 4 Uhr eine Person von der Polizei zusammengeschlagen und dann in einem Krankenwagen weggebracht worden sein.

    Neben Berlin gab es größere Versammlungen von Menschen auch in Leipzig. Im links-geprägten Stadtteil Connewitz kamen um Mitternacht etwa 3.000 Menschen zusammen. Auf der Leipziger Eisenbahnstraße gab es ebenfalls eine hohe Polizeipräsenz und zahlreiche Kontrollen, vor allem von migrantischen Jugendlichen.

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