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Montag, April 29, 2024
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    Wer wird Russlands nächste:r Präsident:in?

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    Vom 15. bis 17. März findet in Russland die achte Präsidentschaftswahl statt. Diese steht ganz im Zeichen des Ukrainekriegs, der sich im Februar zum zweiten Mal jährt. Die Kandidat:innen stehen vor hohen bürokratischen Hürden und der Gewinner scheint schon fest zustehen. Doch welche Bedeutung haben die Wahlen überhaupt?

    In den Präsidentschaftswahlen im März entscheidet sich, wer das höchste Amt im russischen Staat bekleidet. Der Präsident in Russland ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte, er kann Dekrete erlassen und ist Oberhaupt verschiedener Schlüsselbehörden, z.B. des Innen-, Außen-, Verteidigungs- und Justizministeriums. Das Amt des Präsidenten wird auf sechs Jahre gewählt. Der Wahlsieger soll am 7. Mai, kurz vor dem Tag der Befreiung vom Faschismus, ins Amt gehoben werden.

    Hohe bürokratische Hürden erschweren vielen unabhängigen Kandidat:innen den Antritt zur Wahl. Für die Kandidatur müssen sie mindestens 300.000 Unterschriften sammeln, wobei pro Wahlkreis maximal 2.500 Unterschriften gezählt werden. Kandidat:innen, die von Parteien aufgestellt werden, brauchen nur 100.000 Unterschriften. Nach Einreichen der erforderlichen Unterschriften entscheidet die zentrale Wahlkommission über die Annahme der Kandidatur. Bei der Präsidentschaftswahl 2018 wurde so die Kandidatur des westlich orientierten Alexei Nawalny aufgrund einer fragwürdigen Verurteilung wegen Untreue vom Zentralen Wahlkomitee abgelehnt.

    Wer tritt an?

    Zum aktuellen Zeitpunkt sind 11 Kandidat:innen in den Wahlkreisen zur Wahl aufgestellt – diese Zahl schwankt jedoch und bedeutet noch nicht, dass Russ:innen im März tatsächlich die Wahl zwischen 11 Kandidat:innen haben werden. Bis zum 27. Dezember konnten Bewerbungen bei der Wahlbehörde eingehen, seitdem hat sich die Zahl bereits deutlich verringert.

    Der amtierende Präsident Wladimir Putin wurde wie zu erwarten von seiner Partei „Geeintes Russland“ zur Wiederwahl aufgestellt. Im sehr wahrscheinlichen Fall seiner Wiederfall wäre es seine fünfte Amtszeit als Präsident, nur unterbrochen von der Periode 2008-2012, wo er aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht amtieren durfte. In dieser Zeit war er Ministerpräsident unter seinem Parteikollegen Dmitri Medwedew. Laut Statistiken des staatlichen Meinungsforschungsinstituts liegen seine Zustimmungswerte bei 78,8% im November und somit noch über dem Wahlergebnis der Präsidentschaftswahl von 2018 mit 76,6%.

    Für seine Kandidatur stellt Putin kein Programm auf. Auf der offiziellen Website seiner Wahlkampagne findet sich ein Überblick über den Verlauf der Kampagne, seine Biografie und die Übersicht der Wahlkampfführer, der sog. „Vertrauensleute“. Der Inhalt seiner Kandidatur besteht in der Fortführung der Politik im Sinne der russischen Finanzoligarchie, der Rüstungs- und Energieindustrie sowie der Rohstoffgewinnung. Im Ukrainekrieg sollen weitere militärische Anstrengungen für eine Stärkung der russischen Verhandlungsposition durchgeführt werden. Der dafür notwendige Staatsumbau findet systematisch statt, wie schon die Verfassungsänderungen bewiesen, die Putins Kandidatur ermöglichten. Auch die Gesellschaft wird mithilfe staatlicher Medien und Organisationen wie der Junarmija, einem militärischen Verband für Kinder und Jugendliche von 8-18 Jahren mit über 1,2 Millionen Mitgliedern, für die imperialistischen Bestrebungen Russlands gefügig gemacht.

    Dem haben die Kandidat:innen anderer Parteien in der Duma wenig hinzu zu fügen oder zu entgegen zu setzen. Die Kommunistische Partei der Russischen Föderation, die Partei mit den meisten Sitzen nach dem Geeinten Russland, übt sich keineswegs in oppositioneller Betätigung. Im Neujahrsgruß des Vorsitzenden blickt dieser „mit Stolz auf Armee und Flotte“ auf das Jahr 2023 zurück.

    Die demokratische Opposition

    Seit der Zerschlagung des demokratischen Oppositionslagers um Alexei Nawalny durch die Verhaftung und Flucht führender Politiker:innen fehlt der demokratischen Opposition eine wichtige organisatorische Stütze durch die landesweiten Organisationsstrukturen, die mittlerweile aufgelöst sind. Diese sind natürlich immens wichtig für die Organisation von Kampagnen, Sammlung von Unterschriften für die Kandidatur u.v.m..

    Das liberale Oppositionslager unterteilt sich in verschiedene Grüppchen, pro-westliche liberale und konservative, Sozialdemokraten und eine Palette an unabhängigen Kandidat:innen, die schnell Aufmerksamkeit erlangen und sie genauso schnell verlieren. Eine einheitliches Programm lässt sich kaum entwickeln. Die Opposition gegenüber Putin und dem Krieg wäre das Bindeglied. Währenddessen finden immer noch Diskussionen statt um das Finden und Entwickeln einer Wahlstrategie oder Möglichkeiten eines Wahlboykotts.

    Auch symbolische Erfolge oppositioneller Kandidat:innen sind kaum denkbar, selbst wenn eine schnelle Einigung stattfinden würde. Trotzdem werden Wahlkampagnen entfaltet. Die Wahlen sollen genutzt werden, um bestehende Organisationen zu stärken und neue zu schaffen. Mit der Eskalation des Ukrainekriegs wurden oppositionelle Organisationen noch stärker angegriffen.

    Demokratische Rechte und Wahlen

    Die Spielräume für legale Proteste sind verschwindend gering in Russland. Direkt nach Beginn der Eskalation des Ukrainekriegs wurde die „Erzeugung und Verbreitung von Fake News“ über den Verlauf der „Spezial-Operation“ unter Strafe gestellt. Bis zu 15 Jahre Haft drohen bei Verstößen. Die bloße Verwendung des Wortes „Wojna“ (russ.: Krieg) hat schon zu mehrjährigen Haftstrafen geführt. Genauso hohe Strafen erwarten einen bei Kriegsdienstverweigerung.

    Trotz dieser Umstände kam es immer wieder zu Protesten gegen die aktuelle Politik und besonders gegen den aggressiven Kriegskurs. Große Schlagzeilen machten die Proteste im September 2022 in Dagestan – nach der Mobilisierung wehrpflichtiger Arbeiter:innen aus dem armen Föderalstaat. Mit handfestem Körpereinsatz versuchten Familienangehörige die Rekrutierung zu verhindern.

    Die Einschränkungen legalen Protests und die damit verbundene Unterdrückung der Antikriegs-Bewegungen sorgen dafür, dass mittlerweile jegliche oppositionelle Politik gegen den Krieg den legalen Rahmen verlassen muss. Dies erfordert jedoch auch andere Organisationsstrukturen, als für die bloße Teilnahme an Wahlen notwendig wäre. Illegale Organisationsstrukturen, eine breite Verankerung in der russischen Bevölkerung und ein planvolles, geeintes Handeln wären notwendig.

    Mittlerweile ist klar, dass ein Kurswechsel in der russischen Politik durch Wahlen faktisch nicht möglich sein wird. Aber selbst ein erfolgreicher liberal-demokratischer Widerstand gegen den Krieg würde das Leid der Arbeiter:innen nur kurz- oder mittelfristig lindern. Das kapitalistische System sorgt schlicht gesetzmäßig für Kriege zwischen konkurrierenden Ländern und ihren Monopolen um die Verteilung von Ressourcen, um Märkte und geostrategische Positionen.

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