Massenproteste, Auseinandersetzungen mit der Polizei, besetzte Unis – Studierende in Griechenland demonstrieren seit einigen Wochen gegen die Reformpläne der konservativen Regierung. Diese will das in der Verfassung verankerte Verbot von Privat-Universitäten aufheben. Gewerkschaften und Studierendenverbände warnen, dass dadurch ein Zwei-Klassen-System in der Bildung entstehe.
In der nun vierten Woche in Folge gehen Studierende und Hochschulbeschäftigte in Griechenland auf die Straße. Sie protestieren gegen einen Gesetzesentwurf, der die Gründung von Privat-Universitäten erlauben würde.
Zuletzt versammelten sich am Donnerstag, den 1. Februar, Hunderte zu einer Demonstration in Athen. Wie in einem Video zu sehen ist, kam es hierbei auch zu Zusammenstößen zwischen der Studierendenvereinigung und den Einheiten für die Wiederherstellung der Ordnung (MAT), einer auf Riot Control spezialisierten Einheit der griechischen Polizei.
Die geplanten Reformen
Griechenlands Premierminister Kyriakos Mitsotakis, dessen konservative Partei Nea Dimokratia die Mehrheit im Parlament besitzt, hatte die Reformpläne Ende Dezember letzten Jahres angekündigt. Bislang ist durch Artikel 16 der griechischen Verfassung die Gründung von Privat-Universitäten verboten. Die Regierung will sich nun auf ein 2020 gefälltes Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union beziehen, um das Verbot zu umgehen.
Die Reformpläne sehen vor, dass Privat-Universitäten fortan als griechische Zweige ausländischer Universitäten operieren können. Bereits jetzt gibt es einige private Colleges in Griechenland, die Abkommen mit ausländischen Universitäten abgeschlossen haben, um bestimmte Bachelor- und Masterkurse anzubieten. Griechenlands Bildungsminister Kyriakos Pierrakakis erwartet, dass Privat-Universitäten bereits im akademischen Jahr 2025-2026 in Griechenland Fuß fassen werden.
Befürworter:innen privater Hochschulbildung – z.B. das amerikanische Wilson Center – heben hervor, dass Griechenland seine öffentlichen Universitäten im internationalen Vergleich stark unterfinanziere. Aufgrund mangelnder Studienplätze hat Griechenland – relativ zu seiner Bevölkerung – den höchsten Anteil an Studierenden, die an ausländischen Universitäten immatrikuliert sind. Die Privatisierungspläne werden somit als eine Lösung der Probleme und als Motor für die griechische Wirtschaft präsentiert.
Demonstrationen für kostenlose, öffentliche Bildung
Auch Gegner:innen der Reformen fordern adäquate Finanzierung für öffentliche Universitäten. Sie warnen jedoch, dass die Einführung von Privat-Universitäten ein Zwei-Klassen-System in der Bildung verfestigen und den Status öffentlicher Universitäten mindern würde. So kritisiert die Kommunistische Jugend Griechenlands (KNE) die Automatik, dass „du nur studierst, wenn du Geld hast“, und fordert „moderne Schulen und Universitäten – ausschließlich öffentlich und wirklich kostenlos.“.
Die Massenproteste gegen die Reformen selbst begannen am 11. Januar. Parteien, Studierendenvereinigungen und Gewerkschaften von Lehrpersonen und Hochschulbeschäftigten hatten zu ihnen aufgerufen. Tausende gingen in mehreren Städten auf die Straße. In Athen gab es dann bald einen kurzen Zusammenstoß mit der Polizei, woraufhin Tränengas eingesetzt wurde. Auch in Thessaloniki kam es zu Auseinandersetzungen mit der Polizei.
Doch die Bewegung dauerte an und führte am 25. Januar weitere Massenproteste in 40 Städten durch. Viele Studierende zeigten bei den Protesten auch – fahnenschwenkend – ihre Solidarität mit den Menschen Palästinas, an denen Israel derzeit vorgeworfen wird, einen Genozid zu verüben. Darüber hinaus übten Studierende auch Druck aus, indem sie diverse Universitäten besetzten.
Am 18. Januar wurden 250, also die Hälfte aller griechischen Hochschulen besetzt: Derzeit sind es immer noch mindestens 100. Auch wenn die Studierenden der Abteilungen Rechtswissenschaften der Universität Thessaloniki und des Chemieingenieurwesens in Patras nun beschlossen haben, ihre Besetzung zu beenden, um das Semester fortsetzen zu können, hat die Studierenden-Mehrheit insgesamt vor, ihre Proteste noch zu verschärfen.
Die kämpferische Studierendenbewegung in Griechenland
Es ist nicht das erste Mal, dass Mitsotakis den Widerstand der Studierenden provoziert. So plante seine Regierung, zum Juni 2022 eine Hochschul-Polizei einzuführen. Während die griechische Polizei bis 2019 nur unter strengen Vorlagen überhaupt den Campus betreten durfte, sollten nun Spezialeinheiten eingeführt werden, die an den Universitäten patrouillieren dürfen.
In Anbetracht der Geschichte Griechenlands muss dies für viele alarmierend gewesen sein: Schließlich schlug in den 1970er Jahren die Militärjunta die Proteste der Studierenden blutig nieder. Ein Panzer durchbrach am 17. November 1973 das Tor der von Studierenden besetzten Polytechnischen Hochschule Athens. 24 Menschen wurden daraufhin von Scharfschützen der Junta getötet.
Doch ihren Kampfgeist bewahren sich die griechischen Studierenden bis heute. Dass sie damit auch Erfolg haben können, zeigte sich im Juli letzten Jahres: die Regierung machte einen Rückzieher und verkündigte das ‚Aus‘ für die Campus-Polizei.