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Sonntag, April 28, 2024
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    Lieferengpass bei HIV-Medikament: Patient:innen können nicht mehr ausreichend versorgt werden

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    Ein seit Monaten bestehender Mangel eines HIV-Medikaments eskaliert. Etwa 90 Prozent aller HIV-Schwerpunktpraxen sind betroffen. Eine Alternative gibt es nicht auf dem Markt.

    Am Donnerstag, den 1. Februar hat das Bundesgesundheitsministerium unter Karl Lauterbach offiziell den Engpass der Medikamentenkombination Emtricitabin/Tenofovirdisoproxil festgestellt. Das Kombi-Präparat ist das einzig zugelassene Medikament für die HIV-Präexpositionsprophylaxe (HIV-PrEP). Es ist schon seit Wochen nicht ausreichend lieferbar. Durch die jetzige Feststellung des Engpasses sind mehr Importe, auch Einzelimporte, aus dem Ausland möglich. Dort ist das Medikament jedoch ebenfalls vielerorts nicht verfügbar. Eine Entspannung der Situation wird frühestens im März diesen Jahres erwartet.

    Bedeutung des Kombi-Präparats

    Im Rahmen der HIV-PrEP schützt das Medikament präventiv vor einer Ansteckung mit HIV. Derzeit nutzen etwa 40.000 Personen diese Safer-Sex-Methode. Die Deutsche AIDS-Gesellschaft e.V. (DAIG) befürchtet durch den Wegfall des Präparats einen Anstieg der Neuinfektionen und einen „Rückschlag für die jahrelange erfolgreiche Präventionsarbeit“. Etwa 36% der Anwender:innen müssen schon zum jetzigen Zeitpunkt die regelmäßige Einnahme unterbrechen.

    Ein weiteres Anwendungsfeld des Medikaments ist die Therapie nach schon erfolgter HIV-Ansteckung. Betroffene befürchten, dass eine Umstellung auf andere und wesentlich kostenintensivere Therapie-Regime notwendig sein wird. Dabei wird es insbesondere bei sog. Salvage-Therapien (Rettungs-Therapien) eingesetzt. Solche Therapien sind regelmäßig die letzten Optionen für Erkrankte, bei denen Primär-Therapien nicht mehr anschlagen, beispielsweise wegen auftretender Resistenzen. Für die betroffenen Personen kann damit der Mangel des Medikaments schnell lebensbedrohlich werden. Alternativen dazu gibt es für diesen Einsatz keine.

    Versagen von Wirtschaftssystem und Politik

    Schon Mitte Oktober meldete der erste Pharmahersteller seine fehlende Lieferfähigkeit für das überlebenswichtige Präparat. Die DAIG schlug einen Monat später mit einem Eil-Brief an Bundeskanzler Scholz Alarm. Erst zwei Monate später wurde das Gesundheitsministerium tätig.

    Der Lieferengpass des HIV-Medikaments reiht sich ein in die Liste von mittlerweile 529 Medikamenten, die „nicht kurzfristig lieferbar“ sind. Dies bedeutet eine Lieferzeit von mindestens zwei Wochen.

    Ein Grund dafür ist die Monopolisierung des Medikamentenmarktes: Fällt die Produktion des einzigen Herstellers aus, ist ein Engpass meist absehbar. Lagerungen von Medikamenten wurden schon früher oft aus Kostengründen abgeschafft. Für Emtricitabin/Tenofovirdisoproxil hat z.B. das Pharmaunternehmen Ratiopharm einen Marktanteil von über 50%.

    Ein anderer Grund ist, dass die Medikamentenhersteller auf dem freien Markt in anderen Länder teils mehr Geld für ihre Produkte verlangen können und deswegen bevorzugt an diese liefern. Rabattverträge zwischen deutschen Pharmaunternehmen und Apotheken führen dazu, dass diese – anstatt selbst herzustellen – preiswertere Generika im Ausland kaufen. Einfluss auf die Produktion haben sie dann jedoch keine mehr.

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