Viele Frauen blicken verunsichert und ängstlich auf die Zukunft. Dass diese Ängste keine Hirngespinste sind, zeigen die zunehmenden Angriffe aus der Politik auf uns. Entwicklungen, die sich in die letzten Jahre einreihen: Corona-Lockdowns, Inflation und Teuerungen, Krieg. – Krisen, die Frauen alle auf besondere Weise getroffen haben: Dabei bleiben die Auswirkungen gerade auf die Frauen aber oft unsichtbar, obwohl sie die Hälfte der Bevölkerung treffen. – Ein Kommentar von Anita Blank.
2021 waren 16,5 Prozent aller Frauen von Armut bedroht, und je höher die Altersgruppe, desto mehr Frauen sind betroffen. In Deutschland gilt als arm, wer 60 Prozent oder weniger des Durchschnittseinkommens monatlich zur Verfügung hat. Konkret bedeutet das aktuell: Wer als alleinlebende Person von 1.250€ oder weniger pro Monat leben muss, ist betroffen. Ein weiterer Blick auf die Zahlen offenbart, dass Alleinerziehende nochmals stärker armutsgefährdet sind, genau so wie verheiratete Frauen mit vielen Kindern und Migrantinnen. Dabei stieg das Armutsrisiko in den letzten Jahren spürbar an.
Dass Frauen so häufig armutsgefährdet sind, ist kein Zufall. Ein Drittel aller Frauen arbeitet in atypischen Beschäftigungsverhältnissen (also Teilzeit, Minijob, befristete Arbeitsverhältnisse oder Leiharbeit) und verfügt so über ein geringeres Einkommen, zahlt weniger in die Rentenkassen ein und wird häufiger gekündigt.
Mit dieser schlechten finanziellen Ausgangslage werden Frauen von jeder Krise schneller und heftiger getroffen. Dazu kommen die Kürzungen im kürzlich beschlossenen Bundeshaushalt. Mit der Anhebung des CO2-Preises, der Erhöhung der Mehrwertsteuer in der Gastronomie von 7 auf 19 Prozent (und damit auch für Essen in der Schule und im Betrieb) und der Streichung von Subventionen in der Landwirtschaft werden Verbraucherpreise weiter ansteigen – und das in Zeiten von anhaltender Inflation und damit einhergehenden Reallohnverlusten. Für Rentnerinnen, Migrantinnen, Alleinerziehende und erwerbslose Frauen sind weder steuerliche Erleichterungen noch ein Anheben von Leistungen vorgesehen. Stattdessen wird beim Bürgergeld, Wohngeld, bei der Kindergrundsicherung und bei den Renten gespart, wo es nur geht.
Rückzug ins Private
Gerade in Zeiten von zunehmenden Entlassungen, steigender Gewalt und Preisen nehmen soziale Einrichtungen eine zentrale Rolle ein, indem sie die soziale Infrastruktur absichern. Aber genau das wird mit dem neuen Haushalt unmöglich gemacht. Schon im letzten Jahr warnten soziale Träger, dass Angebote und Leistungen bei 40 % der befragten Einrichtungen eingeschränkt oder ganz eingestellt werden müssen. Sie gehen dabei davon aus, dass das 2024 noch mehr Angebote betreffen wird. Damit fallen Unterstützungen wie Beratung für Migrant:innen, Sozialberatungen und Kultur- und Freizeitangebote weg oder werden stark eingeschränkt.
Und genau wie zu Zeiten der Corona-Lockdowns sind es vor allem Frauen, die diese fehlenden Angebote und die Betreuung zuhause auffangen müssen, etwa die Pflege von Angehörigen und die Kinderbetreuung. Wenn durch schlechte Personalschlüssel und Überlastung die Schließzeiten von Kitas und Nachmittagsbetreuung zunehmen, sind sie es, die ihre Arbeitsstunden reduzieren oder sogar ganz kündigen. Eine Entwicklung, die Frauen ans Haus und finanziell an ihre Partner fesselt.
Gewaltschutz in Krisenzeiten
Dieser Rückzug ins Private verfestigt nicht nur die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern, sondern steigert auch die Gefahr, Gewalt erleben zu müssen. 2022 stiegen die registrierten Fälle sogenannter häuslicher Gewalt um fast 10 Prozent an. Und so furchtbar diese Entwicklung ist, ist sie keine Überraschung. Schon während der Weltwirtschaftskrise 2008/2009 wurde diese Beobachtung gemacht, und auch in der Corona-Pandemie berichteten 7,5 Prozent aller Frauen von Gewalt in der Quarantäne. Existenzsorgen, Angst um den Arbeitsplatz und damit verbundene Minderwertigkeitskomplexe können gerade in Zeiten von Krisen zu einem Anstieg von Gewalt gegen Frauen führen.
Mit der Unterzeichnung der „Istanbul-Konvention” hat sich der deutsche Staat eigentlich verpflichtet, Gewalt gegen Frauen konsequent zu bekämpfen. Trotzdem fehlen seit Jahren fast 15.000 Frauenhausplätze, und die Beratungsstellen sind maßlos überlastet. Durch mangelnde Finanzierung und Kürzungen müssen Frauenhäuser zahlreiche Schutzsuchende abweisen und sind auf ehrenamtliche Mitarbeiterinnen angewiesen. Weiterhin ist gerade das Angebot für migrantische Frauen unzureichend und auch für Frauen mit Behinderungen, psychischen Erkrankungen und jugendlichen Söhnen sind Frauenhäuser oft gar keine Option. Für diese Frauen bleibt dann häufig nur noch die Wahl zwischen Gewalt und Obdachlosigkeit.
Geflüchtete Frauen werden häufig vergessen
Sprechen wir über die Auswirkungen momentaner wirtschaftlicher Entwicklungen und politischer Entscheidungen auf die Situation von Frauen, müssen wir uns auch die neuen Asylgesetzgebungen auf nationaler sowie auf europäischer Ebene anschauen. Denn obwohl es sich in Europa bei der Mehrzahl der Geflüchteten um Männer handelt, sind es vor allem Frauen, die mit ihren Kindern fliehen und dadurch auch in Deutschland noch vor ganz andere Herausforderungen gestellt werden. Sie sind häufig allein für die Kinderbetreuung zuständig, machen dadurch seltener Sprachkurse und haben größere Schwierigkeiten, selbstständig zu werden. Mit dem sogenannten „Rückführungsverbesserungsgesetz” kommt für viele ein gestiegenes Abschiebungsrisiko hinzu.
Die Krisen unserer Zeit machen keinen Unterschied zwischen geflüchteten, migrantischen und deutschen Frauen. Aber anders als die Frauen der Kapitalist:innenklasse, der Anna-Lena Baerbocks und Nancy Faesers in Deutschland können sie sich nicht freikaufen von ihrer Unterdrückung. Sie können ihre Wohnungen und Unterkünfte nicht einfach verlassen, wenn sie Gewalt erfahren, sie können niemanden bezahlen, der ihre Kinder versorgt und Angehörigen pflegt, sie können nicht auf Erspartes zurückgreifen, wenn ihre Arbeitsstellen weggekürzt werden. Auf die Politiker:innen, die durch ihre Gesetze und Kürzungen für die oben benannte Situation mit verantwortlich sind, kann kein Verlass sein, wenn es darum geht, der besonderen Betroffenheit von Frauen in allen Krisen ein Ende zu setzen. Stattdessen braucht es einen solidarischen Zusammenschluss aller Arbeiter:innen gegen Kürzungen und Asylrechtsverschärfung.