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Montag, Juli 1, 2024
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    „Grüner Bunker“ – Städtebau trifft auf Greenwashing

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    Der „Feldstraßenbunker” in Hamburg wurde begrünt. Was gut klingt, entpuppt sich als wenig ökologisch und Teil der Touristifizierung des Stadtteils St. Pauli. – Ein Kommentar von Benjamin Schwartz

    In Hamburg gibt es einige Hochbunker aus dem Zweiten Weltkrieg. Aus unterschiedlichen Gründen wurden sie nicht oder nicht vollständig gesprengt. In Wilhelmsburg waren die Alliierten der Meinung, dass es reiche, wenn der Bunker ausreichend beschädigt ist, um nicht mehr als Bunker genutzt werden zu können. Heute wird er „Energiebunker“ genannt und ist wichtiger Teil der Energie- und Wärmeversorgung Wilhelmsburgs. In Winterhude war ein Hochbunker in einen Häuserblock integriert und konnte so nicht ohne Beschädigung gesprengt werden. Heute ist der Bunker beinahe ein normales Wohnhaus.

    Der prominenteste Hochbunker Hamburgs dürfte allerdings der Feldbunker auf dem Heiligengeistfeld sein. Er steht in unmittelbarer Nähe des Millerntor-Stadions, des Doms und der Reeperbahn. Auch dieser Bunker konnte aufgrund der Nähe zu Wohnhäusern nicht gesprengt werden, wird aber bereits seit Ende des Zweiten Weltkriegs auf unterschiedliche Weise genutzt: Erst als Notunterkunft, dann wurde die Tagesschau von hier ausgestrahlt und mittlerweile befinden sich dort unter anderem eine Hochschule, ein Club und eine Boulder-Halle.

    Innerhalb der letzten Jahre wurde der Bunker zunehmend begrünt und um ein Hotel sowie Veranstaltungsräume erhöht. Auf dem Dach befindet sich nun ein öffentlicher Park, der aufwändig bepflanzt wurde.

    Die ökologische Problematik

    Von einem „grünen Leuchtturmprojekt“ kann jedoch wohl kaum gesprochen werden: Stadtplaner Mario Bloem hat errechnet, dass der Park 650 Jahre brauchen wird, um den CO2-Ausstoß wieder auszugleichen. Dies ist eine Absurdität und in gewisser Weise eine gute Metapher für den Klimaschutz im Kapitalismus. Jedoch wäre der ökologische Begriff zu kurz gefasst, würde er bloß auf den CO2-Ausstoß reduziert.

    Marco Schmidt von der TU Berlin argumentiert, dass das Mikroklima durch die Begrünung verbessert werde. Das mag auf den Efeu zutreffen, der den Bunker seitlich bewächst. Inwieweit das Mikroklima verbessert wird, wenn in 50 bis 60 Meter Höhe ein Park ist, bleibt fraglich. Für den unmittelbar kühlenden Effekt auf dem Heiligengeistfeld hätte es womöglich gereicht, den Bunker mit Efeu bewachsen zu lassen. Deutlich einfacher und günstiger. Auch der „BUND” (Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V.) steht dem Projekt skeptisch gegenüber.

    Einigen Tieren mag der Park Lebensraum bieten, allerdings bildet die Höhe eine große Hürde. Darüber hinaus wurden vor allem Bergpflanzen in den Park integriert, da auf dem alleinstehenden Betonklotz ein gänzlich anderes, deutlich raueres Klima herrscht als in der dichten Stadt. Das schränkt die Tierarten, die den Park nutzen können, weiter ein. Es scheint fast, als bestünde der größte ökologische Nutzen darin, dass nun die begleitenden Wissenschaftler:innen beobachten, welche Pflanzen sich wie gut zur Dachbegrünung anbieten – ein bescheidenes Zwischenfazit.

    (K)ein Park für St. Pauli

    Grundsätzlich ist es in jedem Fall zu begrüßen, wenn ein neuer Park eröffnet wird. Dieser jedoch istwohl weniger für die Bewohner:innen des Karolinenviertels gedacht. Denn schneller als das Erklimmen des sogenannten „Bergpfads” ist der Weg vom Fuße des Bunkers zum Park an der Marktstraße und dem Park an der Mathildenstraße. Wer Erholung vom Alltag braucht, wird also in diese Parks gehen.

    “Exarchia”: Gentrifizierung auf griechisch

    Das Eröffnungsdatum des Parks gibt eher Aufschluss darüber, für wen er wohl gedacht ist: Am gleichen Tag wie das „wichtigste“ EM-Spiel in Hamburg, am 05. Juli, kann das grüne Dach des Bunkers erstmals besucht werden: So viel mediale, internationale Aufmerksamkeit wird so bald nicht mehr in der Stadt sein. Es ist davon auszugehen, dass das neue Wahrzeichen in vielen Ländern vor oder nach dem Spiel vorgestellt wird. Darüber hinaus werden viele EM-Begeisterte in der Fanzone auf dem Heiligengeistfeld den Bunker schon zwangsläufig betrachten können.

    Es ist also ein neues „Wahrzeichen” – schon wieder. Erst 2017 wurde die Elbphilharmonie eröffnet. Bereits seit letztem Jahr wird vonseiten der Stadt mit dem „grünen Bunker“ geworben. Wie viele weitere Städte buhlt Hamburg um Tourist:innen und internationale Investor:innen. Insbesondere der Stadtteil St. Pauli wird als bekanntester Stadtteil Opfer dieser „Touristifizierung”.

    Dass sich die Wohnumgebung vieler Paulianer:innen dadurch zu einer Mischung aus Freiluftmuseum und Ballermann für Besucher:innen wird, bzw. es bereits zu erheblichen Teilen ist, vernachlässigt die Stadt. Einhergehen werden damit die Gentrifizierungstendenzen, also eine Verdrängung der bisherigen Bewohner:innen und ihrer Kultur durch einerseits Zugezogene und andererseits Unternehmer:innen, die mit dem Image von St. Pauli Geld machen möchten. Nicht zuletzt wird auch mit der Reeperbahn als einem der größten und bekanntesten Rotlichtviertel Europas Werbung mit häufig unfreiwilliger Sexarbeit gemacht.

    Der Kapitalismus kennt keine Grenzen

    Die Politik Hamburgs und die Medien stehen diesem Begrünungsprojekt sehr positiv gegenüber. Eine kritische Begleitung des Umbaus findet nicht statt. Dadurch bleiben Fragen ungeklärt wie zum Beispiel: Was halten die Anwohner:innen davon, dass sie ein großes Hotel mit über 130 Zimmern vor ihre Haustür bekommen? Oder werden andere Nutzer:innen des Bunkers durch den Umbau eingeschränkt? Stattdessen sind die Politik und die Medien bereit, sich den Kapitalinteressen des Hotels unterzuordnen.

    Wieder einmal wird deutlich, dass alles Teil von kapitalistischem Profitstreben wird: Selbst mit der Angst vor dem Klimawandel lässt sich Geld verdienen. Eine, in diesem Fall wortwörtlich, „grüne Fassade” reicht, um als positives Beispiel im Kampf gegen den Klimawandel gehandelt zu werden.

    Es bleibt einzig zu hoffen, dass durch die wissenschaftliche Begleitung dieses Projekts wichtige Informationen für andere Dachbegrünungen gesammelt werden. So könnte der Bunker doch noch einen höheren ökologischen Mehrwert erhalten.

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