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Sonntag, September 8, 2024
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    Aufrüstung: Europäische Staaten planen eigenen Marschflugkörper

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    Die USA wollen Waffensysteme in Deutschland stationieren, die bis nach Russland reichen. Deutschland plant darüber hinaus die Entwicklung eigener Marschflugkörper — zusammen mit Frankreich, Italien und Polen. Eine erste Absichtserklärung wurde am Donnerstag unterzeichnet.

    Die Nachricht kam überraschend: Die USA werden künftig Marschflugkörper vom Typ „Tomahawk“ in Deutschland stationieren. Dieses Waffensystem hat eine Reichweite von bis zu 2.500 Kilometern und wäre damit mühelos in der Lage, Moskau und andere Ziele in Russland zu erreichen. Die Verlegung soll ab 2026 erfolgen. Es wäre das erste Mal seit Ende des Kalten Krieges, dass US-Waffen mit Reichweite bis nach Russland in Deutschland stehen.

    Doch mit der Stationierung des US-Systems will es Deutschland nicht bewenden lassen: Am Donnerstag unterzeichnete Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) gemeinsam mit seinen Amtskollegen aus Frankreich, Italien und Polen eine Absichtserklärung zum Bau eines eigenen europäischen Marschflugkörpers.

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    Entwicklung ist bereits eingeleitet

    Auch dieses System, das bisher unter dem Namen „Land Cruise Missile System“ (LCM) gehandelt wird, soll Ziele tief im russischen Staatsgebiet angreifen können. Bisher ist von einer Reichweite von 2.000 Kilometern die Rede. Und die Entwicklung ist schon im Gange. Der Rüstungskonzern „MBDA” hatte den Bau der Waffe auf einer Rüstungsmesse Ende Juni in Paris angekündigt. MBDA ist ein Gemeinschaftsunternehmen des deutsch-französischen Airbus-Konzerns sowie von „BAE Systems” aus Großbritannien und „Leonardo” aus Italien.

    Das Unternehmen will LCM zum Teil aus schon existierenden französischen Marschflugkörpern entwickeln. Im Gegensatz zu diesen soll das neue System aber nicht nur von Schiffen, sondern auch von Land aus abgeschossen werden können. Auch das deutsche „Taurus-System” wird in die Entwicklung einfließen.

    LCM ergänzt die deutsch-französisch geführten Projekte zum Bau eines neuen Kampfflugzeugs (FCAS) sowie eines Panzers (MGCS).

    Imperialistische Gegensätze in der Zusammenarbeit

    Die Zusammenarbeit zwischen beiden Staaten auf dem Gebiet auf der Aufrüstung ist jedoch nur scheinbar harmonisch. Alle beteiligten imperialistischen Länder sind vielmehr peinlichst darauf bedacht, nicht in eine einseitige Abhängigkeit von den anderen zu geraten. Jede Seite will die Vorteile — zum Beispiel aus dem Zugang zu fremdem Know-how — für sich nutzen, ohne dabei zu viel von sich selbst preiszugeben.

    Welcher europäische Staat die Führungsrolle bei der Entwicklung welcher Waffe einnehmen soll, wird daher genauestens verhandelt: Frankreich etwa hat den Hut beim neuen Kampfjet auf, während Deutschland das Kommando beim Panzersystem MGCS einnimmt. Bei der Luftabwehr verzichtet Deutschland gleich ganz auf die Kooperation mit Frankreich, kauft ein israelisch-amerikanisches System und versucht möglichst viele europäische NATO-Mitglieder unter den eigenen Schirm zu holen — sehr zum Unmut aus Paris.

    Beim europäischen Marschflugkörper dagegen dürfte sich Deutschland gerade aus der Abhängigkeit von den USA befreien wollen. Denn solange die „Tomahawks“ auf deutschem Boden stationiert sind, wäre es ein Leichtes für Washington, die Bundesrepublik auch ungewollt in einen Krieg mit Russland zu verwickeln.

    Über die Verhandlungen zur „Tomahawk“-Verlegung ist bislang wenig bekannt: Die Gespräche liefen auf Regierungsebene hinter verschlossenen Türen. Der Bundestag brauchte darüber nicht informiert zu werden und über die Details hüllt sich die Bundesregierung bislang in Schweigen. Christian Lindner (FDP) sprach im ARD-Hauptstadtstudio immerhin vielsagend von einer „Stationierungsentscheidung der USA“. Diese bleiben auch die alleinigen Eigentümer der Waffen.

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