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Samstag, August 24, 2024
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    Deutscher Staat mit Rundumschlag: Der Operationsplan Deutschland

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    Der deutsche Staat macht sich kriegsbereit – nach außen und innen. Neben der Politik werden auch die Medien eingespannt. Und Widerständigen wird gedroht. – Ein Kommentar von Johann Khaldun.

    Der SPIEGEL berichtet, dass wir uns darauf einstellen müssen, als „Drehscheibe Deutschland“ 800.000 Soldaten und ihren technischen Anhang an die Ostflanke eines Krieges zwischen der NATO und Russland zu befördern. Dafür muss besonders die Autobahn A2 fit sein, denn auf ihr würden im Falle eines russischen Angriffs die NATO-Kriegskräfte gegen den Feind Russland marschieren. Auch vorgeblich zivile Institutionen – wie Feuerwehr, Krankenhäuser, Bund und Kommunen – müssten dann kräftig mithelfen. Für die Bereitstellung von Verpflegung, Unterbringung, Frischwasser sollen diese eingebunden werden. Aber auch Technik, Energie und Infrastruktur werden benötigt. Das Technische Hilfswerk (THW) bereite sich dazu beispielsweise auf Räumarbeiten vor.

    Im Frühjahr 2024 wurde in diesem Zuge an der A5 in Nordhessen geprobt, einen mobilen Rastplatz fürs Militär aufzubauen. Der Bürgermeister der Stadt Alsfeld Stephan Paule (CDU), zeigt sich dabei verwundert über das geringe Interesse aus der Bevölkerung seines Dorfes und erklärt: „Was Zeitenwende bedeutet haben bisher nur die wenigsten verstanden“. Das ist auch der Ton, der zurzeit von der Ampelregierung und in Medien, wie dem SPIEGEL, angegeben wird. Um sich gegen die Bedrohung aus Russland zu wehren, brauche es mehr Aufrüstung und mehr „Kriegstüchtigkeit“, die der Kriegsminister Boris Pistorius von der SPD fordert.

    „Wir“ sollen kriegstüchtig werden? – Nicht mit uns!

    Worum geht’s wirklich?

    Während uns der CDU-Politiker, die Ampelregierung und der SPIEGEL mit der alten Erzählung vom bösen Russen im Osten schrecken, geht es aber um viel mehr. Das Russland von heute ist sicherlich ein imperialistischer Kontrahent im Kampf um Einflusssphären, Rohstoffe, billige Arbeitskraft und Handelsrouten. Aber ein direkter Angriff auf NATO-Gebiet durch Russland unter Putins Führung steht derzeit nicht auf der Tagesordnung Von deutschen Militärstrategen wird jedoch mit der Angst gespielt, dass Russland ab 2029 in der Lage sein werde, die NATO anzugreifen.

    Die Bundeswehr hat nun erklärt, dass der sogenannte Operationsplan Deutschland (OPLAN DEU) entwickelt wurde. Dabei handelt es sich um einen geheimen, mehrere hundert Seiten langen Plan, wie Deutschland im Falle von Kriegen und Krisen seine Interessen verteidigen kann. Das sind ganz konkrete Planungen, die Infrastruktur und Militär betreffen. Sie werden vor allem durch „die russische Bedrohung“ gerechtfertigt und sollen selbst wiederum die weitere Aufrüstung der Bundeswehr und die Militarisierung der deutschen Gesellschaft rechtfertigen.

    Kriegstüchtig auf allen Ebenen: „Operationsplan Deutschland“ bis März

    Die Wahrheit, die dabei zwischen den Zeilen zu finden ist, ist die, dass die Krisen, auf die sich das deutsche Kapital und sein Staat vorbereitet, auch innere Krisen betreffen. „Aus Fake News und Desinformationen können dann sehr, sehr schnell auch gewaltsame Demonstrationen werden“, so Generalleutnant Bodemann, während er die vier Bedrohungen erklärt: Desinformation, Cyberangriffe auf Regierungseinrichtungen und Infrastruktur, Spionage und Sabotage von Infrastruktur. Klar, dass muss dann kein Angriff von außen sein. Daher sagt Bodemann auch: „Wir befinden uns nicht im Krieg, aber wir befinden uns schon lange nicht mehr im Frieden“.

    Medienmacht und Ideologie

    Prof. Dr. Carlo Masala von der Bundeswehruniversität in München spricht noch etwas offener, wenn er davor warnt, dass Russland durch mediale Beeinflussung der Massen, diese gegen die eigene Regierung aufbringen könne. Da könnten, so der Professor, Regierungen sogar ganz ohne Waffen fallen. Die Taktik, den Verlust der eigenen ideologischen Vormacht in der Bevölkerung durch verschwörungstheoretische Beschuldigungen zu leugnen und so zugleich ungewollte Stimmen zu dämonisieren, ist ein altes Mittel in der Trickkiste bürgerlicher Herrschaft.

    Auch hier liegt ein Körnchen Wahrheit. Natürlich versucht Russland Einfluss auf die Meinungsbildung der deutschen Bevölkerung zu nehmen. So wie das auch die USA tun, so wie das auch Frankreich tut, so wie es auch Deutschland in allen Ländern, die in seinem Einflussbereich liegen, tut. Das ist grundlegende imperialistische Machtpolitik. Da verrät jeder sich nur selbst, wenn er den anderen beschuldigt. Doch ganze Bevölkerungen lassen sich nicht durch bloße Propaganda destabilisieren. Da bedarf es als notwendige Voraussetzung ein ohnehin verlorenes Vertrauen in die Regierung, wie es mittlerweile in allen imperialistischen Ländern in bedeutendem Maße verbreitet ist. Daher kommt nun der Versuch, den bösen Ausländern, allen voran den imperialistischen Konkurrenten, die Schuld zuzuschieben.

    Oberstleutnant i. G. Marcel Bohnert hat bei einem Symposium im Januar zum OPLAN DEU das journalistische Publik auch direkt eingespannt: „Sie werden als Multiplikatoren fungieren und dazu beitragen, dass sich das gesamtgesellschaftliche Bewusstsein für die gewandelte sicherheitspolitische Realität weiter erhöht“. Wir haben gesehen, dass der SPIEGEL dem pflichtbewusst Folge geleistet hat. Aber das ist natürlich legitime Beeinflussung unserer Meinung, denn sie kommt ja vom Staat, der sich immer wieder selbst versucht zu legitimieren.

    Unverkrampfter Diskurs über den Krieg

    Warum macht aber das Kapital und sein Staat einen solchen Druck. Kurz, es ist die Zeitenwende. Mit dem beschönigenden Wort hat Bundeskanzler Scholz bekanntermaßen die aktuelle tiefe Krise des Kapitalismus und speziell der Hegemonie des amerikanisch-europäischen Bündnisblocks über das imperialistische System bezeichnet. Die Wirtschaftskrise, die in Deutschland zurzeit zu Massenentlassungen, Reallohnsenkungen und Kürzungen im Haushalt führt, treibt die einzelnen Imperialisten auseinander und in den verstärkten zwischenimperialistischen Konflikt um Quellen von Rohstoffen und Arbeitskraft, um Handelsrouten und Einflusssphären.

    Dieser Kampf hat mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine einen neuen, starken Schub bekommen. Seitdem tritt vor allem auch das deutsche Kapital aufs Gas. Sondervermögen werden zur historischen Aufrüstung locker gemacht, offener Rassismus wird wieder Alltag im politischen Diskurs durch alle Parteien hindurch und legitimiert eine immer rassistischere, unmenschlichere Migrations- und Asylpolitik, der Faschismus steigt in politischer Vertretung durch die AfD rasant auf und die bürgerlichen Medien, die in Deutschland ohnehin nie durch besonders kapitalismuskritische Tendenz auffällig geworden sind, lassen sich noch willfähriger gleichschalten.

    Wenn also die Ministerialdirigentin des Bundesinnenministerium Jessica Däbritz über den OPLAN DEU sagt, „Deutschland muss unverkrampfter etwa über Krieg sprechen“, dann folgt sie dieser Entwicklung des Kapitalismus und seiner politischen Vertreter:innen und Verteidiger:innen. Das Ziel der Reise ist klar: ein neuer großer Krieg zwischen den Imperialisten. Dafür dürfen wir dann künftig zuerst in die Marschstiefel und dann ins Grab steigen.

    Der OPLAN DEU ist dabei eine Drohung zugleich nach innen und nach außen. Er warnt die anderen Imperialisten: macht euch bereit, das deutsche Kapital steigt wieder in die Marschstiefel. Und er warnt uns: wagt bloß keine Widerrede, sonst geht es euch an den Kragen. Wie einst sollen wir uns wieder brav opfern lassen für ein System, dass uns ausbeutet und unterdrückt, dass uns belügt und an der Nase herumführt. Es liegt an uns, ob wir da mit machen.

    „Zeitenende statt Zeitenwende?“ – Bundeswehrverband macht Druck nach Haushaltsentwurf

    • Perspektive-Autor seit 2023. Philosoph deutsch-algerischer Abstammung mit Fokus auf Arbeiter:innengeschichte und deutschem Idealismus. Vom Abstrakten zum Konkreten auf dem Weg der Vermittlung.

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