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Sonntag, September 8, 2024
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    Kapitalistischer Alltag: Stellenabbau bei SAP trotz Rekordgewinnen

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    Dass die Beschäftigten vom ökonomischen Erfolg eines Unternehmens ebenfalls profitieren, ist einer der wichtigsten, ständig wiederholten Glaubenssätze des Kapitalismus. Beim momentan wertvollsten DAX-Konzern SAP wird gerade deutlich, wie wenig das stimmt. – Ein Kommentar von Paul Gerber

    SAP boomt. Das deutsche Unternehmen mit Sitz im badischen Walldorf hat im zweiten Quartal 2024 einen Vorsteuergewinn von 1,94 Milliarden Euro eingefahren. Seit Jahrzehnten verkauft das Unternehmen Softwarelösungen für andere Unternehmen und ist damit in seiner Sparte zu einem der weltweit führenden Anbieter für Datenbanken-Software aufgestiegen.

    Die Angebote der deutschen Softwareschmiede sind für viele Unternehmen so unverzichtbar geworden, dass Kenntnisse im Umgang mit SAP-Software zu einer zentralen Qualifikation bei vielen Stellenausschreibungen geworden sind.

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    Auch der Börsenkurs spiegelt die aktuell sprudelnden Gewinne wider: Mit 196,98 Euro pro Aktie erreichte der Kurs erst am Dienstag ein Allzeithoch. Ein Jahr zuvor schwankte dieser Wert noch um 125 Euro. Das Unternehmen ist somit momentan das wertvollste deutsche Börsenunternehmen.

    Jedoch spiegelt sich dieser Erfolg offenbar – zumindest nicht bei allen Mitarbeiter:innen – auch in ihrer Zufriedenheit mit dem Unternehmen wider: Beobachter:innen der Branche wie Christina Kyriasoglou zufolge rumort es kräftig in der Firmenzentrale. Aufreger sind unter anderem die von der Konzernspitze durchgesetzte Rückkehr zur Büropflicht an drei Tagen die Woche, sowie die Einführung eines neuen Bewertungssystems, mit dessen Hilfe die Angestellten regelmäßig als „Over- oder Underperformer” eingestuft werden.

    Anders als in vielen anderen deutschen Großkonzernen ist auch der Einfluss der DGB-Gewerkschaften bei SAP noch relativ begrenzt, und die Bezahlung findet nicht flächendeckend anhand von Tarifverträgen statt. Einzelnen Betriebsratsmitgliedern zufolge gibt es teils erhebliche Gehaltsunterschiede, wie auch der Spiegel berichtete.

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    Vor allem aber baut SAP mitten in seinem Höhenflug kräftig Stellen ab: zunächst waren schon 8.000 gestrichene Stellen angekündigt worden, zuletzt hat das Unternehmen seine Erwartungen sogar auf 9.000 oder 10.000 Stellenstreichungen erhöht – laut Angaben von SAP selbst aus dem Grund, dass das Abfindungsprogramm besser als erwartet angenommen werde. Will heißen: Mehr Mitarbeiter:innen als gedacht sehen den Stellenabbau als Chance, um mit einer Abfindung in der Tasche dem Unternehmen den Rücken zu kehren.

    Klar: Gerade in der IT-Branche werden viele Fachkräfte händeringend gesucht, und es ist nicht unwahrscheinlich, dass viele der Angestellten relativ „weich“ fallen, wenn sie die Abfindung nehmen und SAP verlassen. Einige können vermutlich sogar ihre Bezahlung bei einem anderen Unternehmen deutlich in die Höhe treiben. Dennoch bleibt offensichtlich: Auch bei SAP sind die Gewinnerwartungen an der Börse gerade dann am höchsten, wenn das Unternehmen mit Veränderungen der Arbeitsbedingungen oder Personalkürzungen Einsparungen bei der eigenen Belegschaft vorantreibt und dabei auch noch erfolgreich zu sein scheint.

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    Im Wettbewerb mit den eigenen Konkurrenten sieht die Lage von SAP derweil alles andere als sicher aus: In der IT-Branche tobt derzeit ein heftiger Konkurrenzkampf darum, welches Unternehmen sich die größeren Marktanteile im Bereich KI-Anwendungen und Cloud-Angeboten sichern kann. Letztere sehen vor, dass Unternehmen ihre Software nicht mehr vor Ort bei sich installieren müssen, sondern die Anwendungen über die Groß-Server des Softwareanbieters laufen. Auch SAP will das eigene Geschäft in diese Richtung umstellen.

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