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Samstag, August 24, 2024
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    Parteitag der Republikaner hinter Trump – Was kommt auf Europa zu?

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    Die Republikaner haben Trump beim Parteitag als Kandidaten bestätigt. Nachdem er auch das Attentat überlebte, trennt ihn nun wenig von der Präsidentschaft. Doch wie wird diese politisch gestaltet und was erwartet die europäischen Staaten in Zukunft? – Ein Kommentar von Ahmad Al-Balah.

    In Milwaukee startet am Montag mit 50.000 Delegierten der Parteitag der Republikaner. Donald Trump geht mit einem gestärkten Image aus dem Attentat und nun auch der Wahl hervor. Erzählungen mit religiösem Inhalt werden durch ihn und über ihn verbreitet, als sei er von Gott auserwählt und geschützt.

    Anschlag auf Trump: Die Gewalt ist in dieser Gesellschaft Alltag

    Mit seiner öffentlichen Darstellung nach dem Attentat dürfte es Trump gelungen sein, die Reihen der Republikaner und der amerikanischen Wählerschaft ausreichend hinter sich zu vereinen. Dass er gegen einen Joe Biden im November gewinnen wird, gilt als sehr wahrscheinlich. Doch die Frage nach seiner zukünftigen politischen Ausrichtung im Amt beschäftigt weiterhin die Gemüter im rechten republikanischen Lager innerhalb der USA sowie bei den Verbündeten in Europa.

    „Project 2025” und die Person Trump: Konservative bemüht um Kontinuität

    Trump ist eher Entertainer und Symbolfigur als Stratege. Deshalb ist er einerseits schwer für die Parteieliten einzuhegen, andererseits auch widersprüchlich und politisch flexibler. Die Hoffnungen von Rechten, die eher ein geschlossenes Weltbild und ideologische Grundsätze haben und feste Pläne und Visionen verfolgen, haben sich deshalb bislang noch nicht erfüllt.

    Eine strategische Initiative der konservativen Rechten rund um ehemalige Mitarbeiter:innen von Donald Trump namens „Project 2025“ steht stellvertretend für den Versuch, Trumps Linie zu beeinflussen. Die Initiative baut auf das 1973 gegründete konservative Thinktank-Projekt „Heritage Foundation”. Das 2023 ins Leben gerufene Projekt bezeichnet sich selbst als „Presidential Transition Project“ (Projekt für den präsidialen Übergang). Unterstützt wird es von 100 konservativen rechten Organisationen.

    Der Plan richtet sich gegen die „radikale Linke“ und soll dazu dienen, die „richtigen Menschen an die Macht zu bringen“. Ihr Vorsitzender Kevin Roberts ist einer der Gründe, warum das „Project 2025“ aktuell wieder diskutiert wird. Medienwirksam verkündete er kürzlich, die USA stünden vor einer zweiten amerikanischen Revolution, die „ohne Blutvergießen“ ablaufen werde, wenn „die Linken“ dies zuließen. Der nächste Präsident der USA wird nach der Wahl im November 2024 im Januar 2025 ins Amt eingeführt, daher der Name. Für die ersten 180 Tage nach der Wahl stehen laut des Strategiepapiers „Mandat für Führung“ mit dem Untertitel „Das konservative Versprechen“ folgende vier Hauptziele des Project 2025 fest:

    1. die Wiederherstellung der Familie als Mittelpunkt des amerikanischen Lebens
    2. der Abbau des Verwaltungsstaates
    3. die Verteidigung der Souveränität und der Grenzen der Nation
    4. die Sicherung der gottgegebenen individuellen Rechte auf ein Leben in Freiheit

    So sollen Andersdenkende aus dem Staatsdienst entlassen werden, die Justiz und das FBI umgebaut, Abtreibungen verhindert, Klimapolitik beendet, Finanzregulierung abgebaut und „woke“ Propaganda kriminalisiert werden. Außenpolitisch interessant ist, dass das „Project 2025“ Hilfspakete für die Ukraine ablehnt.

    Trump dementiert, dass er mit dem Projekt in Verbindung steht. Doch seine Politik und sein aktuelles politisches Programm zeigen große Ähnlichkeiten. Im Hintergrund versuchen offensichtlich führende Köpfe des konservativen kapitalistischen Lagers, die Fäden zu ziehen. Gerade ist Trump, gestärkt durch das verklärte Bild eines Unbesiegbaren auf keine Unterstützung angewiesen. Das Land wird sich innenpolitisch in jeden Fall stärker nach rechts entwickeln unter Trump – sei es mit dem „Project 2025“ oder seinem eigenen Programm.

    Wird Trump die USA in eine Diktatur verwandeln?

    Wer entscheidet künftig über die US-Außenpolitik?

    Laut einem Strategiepapier des European Council on Foreign Relations existieren derzeit drei außenpolitische Ausrichtungen in der republikanischen Partei, die um den außenpolitischen Einfluss in der Trump-Präsidentschaft buhlen: Sie versuchen, ein außenpolitisches Konzept zu entwerfen, das alle starken Linien, die Trump hat (und das sind einige), aufgreift, aber auch viele Detailfragen klärt und versucht, eine Brücke zu schlagen zwischen dem, was sie erreichen wollen, und dem, wofür er steht.

    Die erste Gruppe sind die „Begrenzer”: Das sind Republikaner, die der Meinung sind, dass die US-Außenpolitik im Ausland viel zu aktiv war, und die wollen, dass sich die US-Außenpolitik auf das Inland konzentriert. Der wichtigste Vertreter hier ist Trump selbst sowie sein neuer Vize-Präsident J.D. Vance. Auch die Wählerschaft Trumps zählt hierzu.

    Die zweite Denkschule sind die „Prioritisierer”: Das sind diejenigen, die die Bedrohung durch China als vorrangig ansehen und wirklich wollen, dass sich die US-Außenpolitik fast ausschließlich auf China und Asien konzentriert und das Engagement in Europa und vor allem im Nahen Osten reduziert. Diese werden es zusammen mit der dritten Gruppe vermutlich schaffen, Trump’s China-Politik ein hohe Priorität einzuräumen – auf Kosten der Ukraine und Israels.

    Die dritte Gruppe sind die traditionelleren „Vorrangsteller”, die wollen, dass sich die US-Außenpolitik in alle Richtungen engagiert und die USA in allen wichtigen strategischen Regionen der Welt die traditionelle Führungsrolle übernehmen. Dazu gehören neben Mike Pompeo, der Verteidigungsminister werden könnte, ca. 70-75% der republikanischen Kongressdelegation. Von Jahr zu Jahr würden es zwar weniger, doch es sei „noch immer die dominierende Strömung in der republikanischen Elite”.

    Alle drei Richtungen werden vermutlich in der Regierung vertreten sein, denn Trump wird diese Leute wahrscheinlich auch nach weiteren Kriterien wie Loyalität und Durchsetzungsvermögen auswählen.

    Drei zentrale Probleme für Europa prognostiziert

    In Bezug auf die Ukraine oder Israel wird Trumps Ausrichtung ihnen jedoch nicht gleich den Boden unter den Füßen wegziehen, da er in seiner Regierung und insbesondere im Kongress eine ganze Reihe von „Vorrangstellern“ haben wird. Diese werden ihn in der Ukraine-Situation davon überzeugen, dass eine Einigung möglich ist. Er könnte dann z.B. die Militärhilfe als Druckmittel sowohl gegen die Ukraine als auch gegen Russland nutzen. Zum ukrainischen Präsidenten Selenskyj könnte er sagen: „Ich werde einen Friedensgipfel veranstalten, und wenn Sie nicht erscheinen, werde ich die Hilfe einstellen“. Zu Präsident Putin könnte er sagen: „Ich werde einen Friedensgipfel veranstalten und wenn Sie nicht erscheinen, verdoppele ich die Hilfe.“

    Das würde es ihm ermöglichen, alle seine Lager zufriedenzustellen und ihm die Bühne zu geben, die er sich für diesen Deal wünscht. Allerdings könnte dies die westliche Koalition sprengen: Die Europäer müssten die USA bei diesem Gipfel unterstützen. Täten sie das nicht, könnte die US-Unterstützung für die europäische Sicherheit in Frage stehen. Und dann wären die europäischen Verbündeten mit einigen sehr schwierigen Entscheidungen konfrontiert: ob sie mitmachen, ob sie die Trump-Regierung unterstützen oder sich ihr widersetzen sollten. Das westliche Bündnis könnte sich in Bezug auf die Ukraine an dieser Frage spalten, oder aber sie kuscht, ähnlich wie bei der Forderung der letzten Trump-Regierung, die NATO-Beiträge auf 2 Prozent des BIP anzuheben. So oder so – kein Traumszenario für die europäischen Staaten, insbesondere für diejenigen, die ihre eigene Geostrategie verfolgen wie Deutschland und Frankreich.

    Das zweite Problem für die europäischen Mächte wäre die Vorstellung, dass die Trump-Regierung die „wertebasierten Allianzen” auf der ganzen Welt in Frage stellt. Er würde sich vermutlich mehr auf gleichgesinnte ideologische Führer in verschiedenen europäischen und außereuropäischen Ländern konzentrieren, als einen demokratischen Anschein zu wahren. Der Prototyp dafür ist Viktor Orbán in Ungarn, der sehr enge Beziehungen zu wichtigen Fraktionen der Republikanischen Partei und auch zu Trump selbst pflegt. Die Ähnlichkeiten werden im „Project 2025“ sichtbar, das ja praktisch dazu dient, „den tiefen Staat umzukrempeln”.

    Länder wie Ungarn und möglicherweise auch Italien oder die Slowakei könnten „trojanische Pferde” für die von Trump geführten USA in der EU sein und der Trump-Regierung sehr effektiv dabei helfen – z.B. in Handelsstreitigkeiten zwischen den USA und der EU – ihren Willen durchzusetzen. Und im Gegenzug könnte eine Trump-Regierung sehr hilfreich sein in den zahlreichen Auseinandersetzungen, die populistische Regierungen in der EU wahrscheinlich in Zukunft mit Brüssel führen werden.

    Das dritte Problem für die europäischen Staaten könnte Trumps Klima- und Energie-Politik werden. Es ist eines der Themen, in denen sich alle drei Strömungen einig seien: Alle drei scheinen fest davon überzeugt, dass die US-Klimapolitik unter Biden eine Katastrophe war und dass eine echte amerikanische Stärke in ihrer Fähigkeit liegt, eine Energie-Supermacht zu sein.

    Die Trump-Administration wird ihrem Programm nach eine auf fossilen Brennstoffen basierende Industriepolitik fördern, die darauf abzielt, sowohl die Produktion fossiler Brennstoffe als auch fossile-Brennstoff-intensive Industrien sowie Rechenzentren und auch Zement und Stahl zu subventionieren. Die Möglichkeit besteht, dies als Wettbewerbsvorteil gegenüber Konkurrenten wie der EU und dem Vereinigten Königreich zu nutzen.

    Europa sei „sehr, sehr abhängig von US-amerikanischem Flüssigerdgas“ geworden. Die Trump-Administration könnte also versucht sein, eine Exportsteuer auf US-amerikanisches LNG einzuführen. Den Europäern bliebe dann eigentlich keine andere Wahl, als dafür zu bezahlen, denn anderswo als in Russland gibt es keine Überangebotsmöglichkeiten mehr für den Bezug von LNG. Das würde einen großen Wettbewerbsvorteil für energieintensive Industrien in den Vereinigten Staaten bedeuten, aber es wäre gleichzeitig eine ziemliche Herausforderung für die Staaten in Europa.

    Trump droht mit dem Rückzug der USA aus Europa – was steckt dahinter?

    • Ahmad Al-Balah ist Perspektive-Autor seit 2022. Er lebt und schreibt von Berlin aus. Dort arbeitet Ahmad bei einer NGO, hier schreibt er zu Antifaschismus, den Hintergründen von Imperialismus und dem Klassenkampf in Deutschland. Ahmad gilt in Berlin als Fußballtalent - über die Kreisliga ging’s jedoch nie hinaus.

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