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Freitag, November 8, 2024
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    Wird Trump die USA in eine Diktatur verwandeln?

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    Der Spiegel warnt davor, dass Donald Trump nach einem etwaigen Sieg bei den anstehenden amerikanischen Präsidentschaftswahlen eine Diktatur errichten will. Wie realistisch ist diese Angst? – Ein Kommentar von Johann Khaldun.

    Wieder steht eine US-Wahl an und wieder wird die große Panik verbreitet, dass jetzt aber wirklich alles auf dem Spiel stehe: Die amerikanische Demokratie, der ganze Stolz der liberalen Welt, könnte vom Tyrannen Trump umgeworfen werden. Vor allem könnten die USA unter Trump die NATO verlassen, den heilige Schutzschirm Europas gegen die Barbaren im Osten.

    Trump droht mit dem Rückzug der USA aus Europa – was steckt dahinter?

    In der Titel-Story des SPIEGEL werden diese Ängste der atlantisch-orientierten bürgerlichen Ideolog:innen und Kapitalist:innen vor allem durch drei Argumente geschürt: Trump hat aus seiner letzten Wahl gelernt, dass er die Bürokratie hinter sich bringen muss. Es gibt eine Denkfabrik, die versucht, Trump zu beeinflussen. Und Trump hat seinen politischen Feinden Rache geschworen. Dazu wird der Ex-Präsident standesgemäß mit Hitler verglichen, das verschwörungstheoretische Denken seiner Anhänger kritisiert und ihre Abkehr von der NATO und der Ukraine als „Isolationismus“ gegeißelt.

    Eine Analyse der gesellschaftlichen Gründe für das Scheitern Trumps während seiner letzten Amtszeit oder seine fortgesetzte Beliebtheit bietet der Artikel nicht an. Ebenso wenig gibt er eine Einbettung der Trump-Bewegung in das amerikanische politische Milieu oder eine auch nur angedeutete Kritik an der Partei der Demokraten dort.

    Wen vertritt Trump?

    Der Erfolg Trumps ist nur im Zusammenhang mit langanhaltenden gesellschaftlichen Prozessen zu erklären. Er liegt vor allem in der Aufreibung der amerikanischen Mittelschichten und der weißen, sozial, politisch und ökonomisch besser gestellten Arbeiterschichten begründet. Seit der Bürgerrechts- und nationalen Befreiungsbewegung der schwarzen Amerikaner:innen in den 60er Jahren gibt es einen langsamen Erosionsprozess der Privilegien für Weiße in den USA. Dazu kommt seit den 70er Jahren – durch die politische Offensive Ronald Reagans eingeleitet – die „neoliberale Phase“ des Imperialismus, die durch die Doppelstrategie von scheinbar aufgeklärter Propaganda und ökonomischem Raubbau an der eigenen industriellen Substanz besticht, um so die imperialistische Ausbeutung und Unterdrückung der Welt-Mehrheit zu tarnen.

    Es gibt also breite gesellschaftliche Schichten der amerikanischen Gesellschaft, die sowohl ihre als rechtmäßig empfundene Herrschaftsstellung über die Schwarzen zu verlieren befürchten und die zugleich ökonomisch immer stärker unter Druck geraten. In Trump sehen sie ihren Interessenvertreter. Er verbindet ihre Probleme mit der Hegemonie-Krise des amerikanischen Imperialismus. Denn durch den Aufstieg Chinas als imperialistische Konkurrenz zum amerikanischen Weltreich steigt der Druck auch auf den US-Imperialismus. Dies nutzen nicht nur die Trump-Leute, um China für ihren nationalen und imperialen Niedergang verantwortlich zu machen. Das ist politischer Konsens in den USA.

    Diese Prozesse sind zugleich nicht einfach so aufzuhalten, sondern sie wurzeln in der systemischen Krise des Kapitalismus insgesamt. Ob Republikaner und Demokraten, es liegt in der Hand keiner Partei, ob es zur Reproduktion der Probleme und damit zur weiteren Faschisierung der USA und auch der anderen imperialistischen Länder kommt. Wenn die Biden-Regierung das barbarische Grenzregime der USA weiter fortsetzt und Israel in seinem Völkermord an den Palästinenser:innen den Rücken deckt, ist das Ausdruck der selben Faschisierung, die auch Trump und seine Massenbasis antreibt. So wie in Deutschland die gegenwärtige Regierung mit ihrer rassistischen Migrations- und Asylpolitik nichts anderes tut, als der politischen Linie der AfD zu folgen.

    Rückführungsverbesserungsgesetz der Ampel: Verschärfte Polizeibefugnisse, Einreiseverbote, Abschiebehaft und Verfolgung von Seenotrettung

    Wie weit kann Trump gehen?

    Wenn diese gesellschaftlichen Entwicklungstendenzen so tief wurzeln und sich auch in absehbarer Zeit nicht ändern werden, warum also steht dann mit einem etwaigen Trump-Sieg dennoch kein Faschismus an? Weil der Faschismus eine Form der Absicherung der bürgerlichen Herrschaft ist, die viel direkter und offener den ausbeuterischen und unterdrückerischen Charakter des Kapitalismus zum Ausdruck bringt. Damit ist der Faschismus instabil, denn er erzeugt durch diese gesteigerte Repression Gegenwehr. Die Macht der bürgerlichen Demokratie, ihr Nutzwert für die Herrschaft des Kapitals, liegt dagegen darin, dass sie Konsens erzeugt. Sie bewegt uns, an unserer eigenen Unterdrückung und Ausbeutung teilzunehmen – wenn auch nur dem Schein nach. Dieser Schein aber zählt, denn er sorgt für gesellschaftliche Stabilität.

    Erst wenn die gegebene Gesellschaft derart instabil geworden ist, dass der Weg der bürgerlichen Demokratie nicht mehr gangbar ist, um den Kapitalismus abzusichern, wird der Faschismus als die direktere, repressivere Form dieser Herrschaft notwendig. Davon aber sind die USA ebenso wie Deutschland noch weit entfernt. Währenddessen wird aber die bürgerliche Demokratie weiterhin unterhöhlt: Grund- und Arbeitsrechte werden abgetragen, offener Rassismus wird normalisiert und politisch vor allem in der Migrations- und Asylpolitik verschärft, Militarismus und Nationalismus nehmen zu und werden aktiv angetrieben.

    Trump hat gute Chancen, die Wahl zu gewinnen. Aber er kann den amerikanischen Staat nicht in eine faschistische Diktatur verwandeln. Er kann auch nicht einfach als Alleinherrscher agieren. Das werden nicht nur die Bürokratie und die Demokratische Partei verhindern, sondern die gesellschaftlichen Grenzen, die ihm das Kapital setzt.

    Worum geht es dem Spiegel?

    All das, all die Vorarbeit durch die liberale Politik, geschieht noch vor der politischen Übernahme einer faschistischen Partei, vor dem Staatsumbau in eine offene Diktatur des Kapitals durch die Faschist:innen. Die liberale Bourgeoisie und ihre politischen Vertreter tun das unter allerlei Vorwänden: es gilt, „den Russen“ oder „die Chinesen“ zu stoppen, eine „freiheitlich-demokratische Grundordnung“ (eben jene, die damit selbst in ihrem Schein ausgehöhlt wird) zu verteidigen gegen böse „Autokraten“ oder „Terroristen“.

    Ein immer stärker verbreitetes ideologisches Mittel ist dabei die Verschwörungstheorie. Sie ist Ausdruck der gesellschaftlichen Unsicherheit und umfasst dabei parteiübergreifend immer breitere Teile der Gesellschaft. Da die wirklichen Gründe für die Verheerungen des Kapitalismus nicht gesehen werden, nicht gesehen werden sollen und dürfen, da sie wie Naturgewalten über uns hereinbrechen, bedarf es anderer Erklärungen. Und hier kommen die verschiedenen Verschwörungs-Märchen zum Einsatz: es sind „der Jude“, „der Russe“, „Putler“ persönlich, „die Chinesen“ oder ihr „allmächtiges“ Oberhaupt Xi Jinping. Alles – nur nicht die Bewegungsgesetze des Kapitalismus. Der Irrationalismus, der hinter dieser Verschwörungslogik steckt, ist Produkt der Krise des Kapitals.

    Damit decken Artikel wie der des Spiegel aber genau diese tiefer liegenden Prozesse. Solche Artikel blenden uns für die wirkliche Problemlage. Vielmehr liefern sie in ihrem Klebenbleiben an der Oberfläche – sogar nur an einem Teil derselben – dem Kapitalismus vielfältige Ausreden. Es ist nur Trump, es sind nur die „Autokraten“, es ist nur die AfD, die alles schlecht machen wollen. Als gäbe es dahinter keine tieferen Bewegungsgesetze, die diese Krisenerscheinungen erzeugen. Durch diese Oberflächlichkeit fällt die liberale Ideologie aber ihrerseits selbst diesen Krisenprozessen anheim.

    So zeigt sich das Verschwörungsdenken auch im Artikel, wenn die Denkfabrik „Project 2025“, die über keine formale Verbindung zu Trump verfügt, empörende politische Pläne schmiedet und mit karikaturartigen Handlangern besetzt ist, zur treibenden politischen Macht hinter Trump erklärt wird. Einzelne Politiker:innen werden der Anspielung nach zu Putins Schachfiguren erklärt, weil sie auf einem Foto zusammen mit ihm zu sehen waren. Das ist ein Denken der Verzweiflung, keine klare politische Analyse.

    So zieht man freilich auch die eigenen politischen Garant:innen aus der Schusslinie. Wenn alles an bösen Männern und Verschwörungen liegt, sind die eigenen politischen Vertreter:innen nicht nur schuldfrei, sondern sogar standhafte Kämpfer gegen diese Kräfte. Keine andere Logik als die von Trump, nur indirekter. Damit erscheinen die USA als unbefleckte Macht, die durch Trump beschmutzt zu werden droht, statt als das hegemoniale Weltreich, das sich noch für keine Schandtat zu fein war. Wir sehen die selben politischen Dynamiken auch in Deutschland, wenn das Problem des aufkommenden Faschismus allein bei der AfD gesucht wird, während die gesamte politische Parteienlandschaft immer mehr nach rechts marschiert.

    • Perspektive-Autor seit 2023. Philosoph deutsch-algerischer Abstammung mit Fokus auf Arbeiter:innengeschichte und deutschem Idealismus. Vom Abstrakten zum Konkreten auf dem Weg der Vermittlung.

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