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Samstag, April 27, 2024
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    Rückführungsverbesserungsgesetz der Ampel: Verschärfte Polizeibefugnisse, Einreiseverbote, Abschiebehaft und Verfolgung von Seenotrettung

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    Die Ampel hat im Bundestag das “Rückführungsverbesserungsgesetz” beschlossen, wodurch Abschiebungen leichter gemacht werden sollen. Es sieht mehr Befugnisse für die Polizei, verschärfte Aufenthalts- und Einreiseverbote und verlängerte Abschiebehaft vor und erlaubt eine strafrechtliche Verfolgung von Seenotretter:innen. Im Jahr 2023 gab es 27 Prozent mehr Abschiebungen als im Jahr davor, während die Zahlen von vertriebenen und flüchtenden Menschen weltweit steigen.

    Am Donnerstag hat der Bundestag mit der Mehrheit der Stimmen der SPD, FDP und Grünen das sogenannte Rückführungsverbesserungsgesetz beschlossen. Die CDU und AFD haben gegen das Gesetz gestimmt, weil es ihnen nicht weit genug geht. Laut Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) soll das Rückführungsverbesserungsgesetz dafür sorgen, dass „Menschen ohne Bleiberecht schneller unser Land verlassen müssen“. Durch das neue Gesetz sollen Abschiebungen also erleichtert werden.

    Erweiterte Befugnisse für die Polizei, verschärfte Aufenthalts- und Einreiseverbote

    Das neue Rückführungsverbesserungsgesetz sieht unter anderem vor, dass die Durchsuchungsbefugnisse der Polizei erweitert werden: So kann die Polizei in Zukunft auch andere Zimmer in Gemeinschaftsunterkünften durchsuchen als das, in dem die betroffene Person wohnt, und Abschiebungen müssen nicht mehr angekündigt werden.

    Gegen Aufenthalts- und Einreiseverbote kann zwar immer noch Widerspruch und Klage eingelegt werden, diese hemmen die Wirkung der Verbote jedoch nicht mehr automatisch. Dafür muss nun ein zusätzlicher Rechtsschutzantrag eingereicht werden. Aufenthalts- und Einreiseverbote verbieten Personen, die aus Deutschland ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben wurden, für einen bestimmten Zeitraum, wieder nach Deutschland zu kommen.

    Wollen wir legale Abschiebungen oder keine?

    Verlängerte Abschiebehaft und strafrechtliche Verfolgung von Seenotretter:innen

    Durch das Rückführungsverbesserungsgesetz wird die Höchstdauer der Abschiebehaft von 10 auf 28 Tage verlängert werden. Von Abschiebungen betroffene Personen können also zukünftig fast einen Monat in Haft gehalten werden. Abschiebehaft soll auch möglich sein, wenn gegen Aufenthalts- und Einreiseverbote verstoßen wird, also dann, wenn eine Person nach einer erfolgten Abschiebung wieder nach Deutschland einreist.

    Familien mit Minderjährigen sollen „grundsätzlich nicht in Abschiebehaft genommen werden“, was die Ampel in letzter Minute geändert hat. Trotz der Änderungen kritisiert der Deutsche Anwaltsverein (DAV) die Verlängerung der Ausreisehaft. Rechtsanwältin Gisela Seidler, Vorsitzende des DAV-Ausschusses “Migrationsrecht”, meint: „Die Haftkriterien in diesem Bereich sind ohnehin schon messerscharf. Die nun zur Debatte stehende Regelung ist kaum noch im Bereich der Verhältnismäßigkeit.”

    Das neue Rückführungsverbesserungsgesetz öffnet auch die Tür für eine strafrechtliche Verfolgung von Seenotretter:innen. Darin wird von vielen Kritiker:innen eine „Agenda der Rechten“ gesehen, „mit der humanitäre Hilfe kriminalisiert werden kann”.

    Regierung billigt schnellere Abschiebungen und längere Abschiebehaft

    Schutz für ukrainische Geflüchtete, Abschiebungen in den Iran

    Laut Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) wurde das Rückführungsverbesserungsgesetz geschaffen, „damit wir weiterhin unserer humanitären Verantwortung für die Menschen gerecht werden können, die wir vor Krieg und Terror schützen müssen – wie die 1,1 Millionen Geflüchteten aus der Ukraine“. Gleichzeitig hatten die Innenminister:innen aller Länder – mit Ausnahme von Berlin – an Neujahr kein Problem damit, den Abschiebestopp in den Iran aufzuheben.

    Von September bis November 2023 wurden zwischen 39,3 und 42,3% aller iranischen Asylanträge positiv entschieden, mehr als die Hälfte der Asylanträge iranischer Menschen damit jedoch negativ. Mindestens 57% müssen also mit ihrer Abschiebung in ein Land rechnen, das allein im Jahr 2023 knapp 750 Menschen hingerichtet hat und in dem sich die Lage für Frauen, LGBTQ+ sowie Oppositionelle weiter dramatisch verschlechtert. Von Krieg betroffene ukrainische Geflüchtete dürfen – glücklicherweise – bisher bleiben, von Verfolgung und Hinrichtung betroffene iranische Geflüchtete sollen hingegen abgeschoben werden.

    Im Jahr 2023 wurden insgesamt 16.430 Menschen aus Deutschland abgeschoben. Das sind rund 3.485 Menschen, bzw. 27% mehr als noch im Jahr 2022. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) setzt seine Ankündigung von Oktober 2023 also offensichtlich in die Tat um. Damals meinte Scholz im Spiegel-Interview: „Wir müssen endlich im großen Stil abschieben.“. Gleichzeitig steigen die Zahlen von vertriebenen und fliehenden Menschen durch Krieg, Krisen und die Folgen des Klimawandels laut UNO-Flüchtlingshilfe weltweit in beängstigendem Ausmaß.

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