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Zu wenige Frauenhäuser: In Deutschland fehlen mehr als 13.000 Plätze

Eine Anfrage der Linkspartei im Bundestag hat große Mängel in der Bekämpfung patriarchaler Gewalt offenbart. SPD, Grüne und FDP hatten in ihrem Koalitionsvertrag zwar einen Ausbau des Hilfesystems für Frauen angekündigt. Doch Aufrüstung, Militarisierung und Subventionen für die Großindustrie sind der Regierung wichtiger als die Finanzierung von Frauenhäusern.

Derzeit gibt es in Deutschland insgesamt 7.786 Plätze in Frauenhäusern für Frauen und ihre Kinder. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linkspartei hervor. Legt man die Maßstäbe der Istanbul-Konvention an, mit deren Unterzeichnung sich die BRD seit 2018 für den Schutz von Frauen verpflichtet hat, wären jedoch etwa 21.500 Plätze notwendig. Dazu kommt außerdem, dass Frauen die Kosten für eine Unterbringung in Frauenhäusern zum Teil selbst übernehmen müssen.

Die nun von der Bundesregierung veröffentlichten Zahlen zeigen deutlich, dass die Opfer von patriarchaler Gewalt oft im Stich gelassen werden. In Deutschland gibt es, trotz der Ankündigung der Ampelregierung in ihrem Koalitionsvertrag vom Jahr 2021, noch kein bundesweites Finanzierungssystem für Frauenhäuser.

Wirtschaftskrise, Asylrechtsverschärfungen und Kürzungen – Frauen als Vergessene der Krisen?

Die fehlenden Ausgaben für ein umfassendes Hilfesystem für Frauen und LGBTI+ reihen sich in die lange Liste von Kürzungen und Einsparungen im sozialen Bereich ein. Vor allem seit der vor zwei Jahren nach dem Beginn des Ukraine-Kriegs ausgerufenen „Zeitenwende” und den seitdem massiv erhöhten Ausgaben für Militär und wirtschaftlichen Strukturwandel leiden vor allem Arbeiter:innen vermehrt unter den Folgen dieser Aufrüstungsoffensive.

Auch bestehende Frauenhäuser sind nicht für alle offen

Für viele Frauen sind Frauenhäuser die erste Anlaufstelle, wenn sie patriarchale Gewalt erleben. Diese Gewalt geht in den meisten Fällen von den eigenen Ehemännern oder Beziehungspartnern in den eigenen vier Wänden aus. Da Frauen öfter in sogenannten atypischen Beschäftigungsverhältnissen – also in Teilzeit- oder Minijobs – arbeiten und Haus- und Reproduktionsarbeit ohne Entlohnung verrichten, sind sie vor allem in Krisenzeiten hoher Gefahr ausgesetzt, arbeitslos zu werden. In solchen Notsituationen und durch die ohnehin angespannte Situation auf dem Wohnungsmarkt in den Großstädten fällt es vielen Frauen schwer, bei Gewalterfahrungen durch den eigenen Partner einfach auszuziehen und sich eine neue Wohnung zu suchen.

Da in vielen Kommunen der Aufenthalt im Frauenhaus über die Sozialleistungsansprüche geregelt wird, müssen Frauen ohne derartige Ansprüche – also zum Beispiel Studentinnen oder Frauen mit eigenem Einkommen – in einigen Frauenhäusern die Kosten der Unterbringung darüber hinaus selbst tragen. Die Kosten erstrecken sich dabei je nach Region auf Beträge von 10 bis 150 Euro pro Tag und Person. Für viele Frauen stellt dies eine hohe Hürde dar, überhaupt Schutz in einem Frauenhaus zu suchen.

Für geflüchtete Frauen kann sich darüber hinaus die Wohnsitzauflage als Hindernis erweisen. Sie müssen, sobald sie in ein Frauenhaus außerhalb des ihnen behördlich zugewiesenen Wohnorts einziehen möchten, langwierige Anträge stellen. Die Finanzierung ihrer Unterbringung ist währenddessen oft ungeklärt, viele Frauenhäuser lehnen deshalb die Aufnahme von Frauen mit Wohnsitzauflage grundsätzlich ab.

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