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Sonntag, September 8, 2024
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    Wahlkampfveranstaltung von Pistorius in Leipzig kritisch begleitet – „Kein Interesse, für den Imperialismus zu sterben”

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    Im Rahmen der anstehenden Landtagswahlen in Sachsen hielt die SPD eine Wahlkampfveranstaltung in Leipzig ab. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) beklagte dabei, dass Schüler:innen nicht zur Bundeswehr wollten. Junge Antimilitarist:innen stellten dagegen klar, dass sie nicht an der Front für die „Interessen des deutschen Imperialismus” sterben wollen – und behinderten die Veranstaltung.

    Am 1. September finden die Landtagswahlen in Sachsen statt. Neben zahlreichen Wahlplakaten finden in ganz Sachsen mittlerweile Wahlkampfveranstaltungen statt, so auch am Montag im Leipziger Stadtteil Plagwitz.

    Kriegsminister Boris Pistorius und Sachsens SPD-Spitzenkandidatin, Sozialministerin Petra Köpping, luden zu einer Veranstaltung im Plagwitzer Biergarten „Felsenkeller“ ein, um Frage und Antwort zu ihrer Politik zu stehen. Dabei wurden sie aber immer wieder mit kritischen Nachfragen und Zwischenrufen aus dem Publikum konfrontiert.

    Störung der Wahlkampfveranstaltung

    Noch vor offiziellem Beginn der Veranstaltung riefen die Gruppe „Frieden schaffen ohne Waffen“ und das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) zu einer Kundgebung vor dem Biergarten auf. Anders als etwa die Frankfurter Rundschau berichtete, wurde die Wahlkampfveranstaltung der beiden SPD-Politiker:innen aber nicht von diesen beiden Gruppen gestört.

    Es waren allen voran antimilitaristisch eingestellte Jugendliche, die sich in und um die Veranstaltung herum versammelten, Parolen riefen und sich zum Ziel setzten, die Kriegspropaganda Pistorius‘ anzuprangern. Der Zusammenschluss aus Friedensgruppe und BSW hatte sich stattdessen sogar dazu entschlossen, ihre Versammlung vor dem Veranstaltungsort aufzulösen, weil aufgrund der lautstarken Parolen der Jugendlichen die Wahlkampfveranstaltung mehrmals unterbrochen wurde.

    Über die gesamte Veranstaltung hinweg kam es auch immer wieder direkt aus dem Publikum zu Zwischenrufen. Rund ein Dutzend Personen skandalisierten die offene Kriegstreiberei des SPD-Politikers, seine Pläne zur Wiedereinführung der Wehrpflicht und die massenhafte Aufrüstung der Bundeswehr.

    Nicht einmal eine halbe Stunde nach Beginn der Veranstaltung wurden dann schwer ausgerüstete Polizist:innen auf dem Gelände stationiert. Dabei waren es gerade die Aktivist:innen, die von Publikumsteilnehmer:innen beleidigt. Ein Jugendlicher, der einen kritischen Redebeitrag am Mikrofon geäußert hatte, wurde sogar von einem älteren Mann gegen den Kopf geschlagen.

    Jugendliche wollen „nicht an der Front sterben”

    Im Vordergrund der Veranstaltung standen vor allem die Themen „Aufrüstung” und „Kriegstüchtigkeit”. Pistorius betonte dabei immer wieder die Notwendigkeit, sich in „Zeiten multipler Krisen“ auf Krieg vorzubereiten und zog hierbei – wie so oft – Russlands Krieg gegen die Ukraine als Begründung herbei, um Milliarden ins Militär zu stecken.

    Pistorius beschwerte sich dabei über die kriegsverdrossene Haltung vieler Jugendlicher. Wenn er Schulen besuche, um für die Bundeswehr zu werben, würden viele Schüler:innen kein Interesse bekunden. Sie würden sich zu wenig für die politische Lage interessieren und ihre Meinung zu stark von Sozialen Medien beeinflussen lassen.

    „Die Jugend hat rein gar kein Interesse, für den deutschen Imperialismus an der Front zu sterben“, machte ein Jugendlicher aus dem Publikum klar. Auf die Frage, warum denn aktuell 100 Milliarden für die Aufrüstung ausgegeben werden, aber gleichzeitig Schulen und Jugendclubs kaputtgespart werden, fand Pistorius keine befriedigende Antwort. Er würde das Geld ja auch gerne für andere Sachen ausgeben. „Dann machen sie es doch“, ertönte es aus dem Publikum.

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    Krieg in Gaza und Kurdistan

    Auch die Unterstützung des Genozids am palästinensischen Volk oder die Vertreibung der kurdischen Bevölkerung durch deutsche Waffenlieferungen an Israel und die Türkei waren immer wieder Thema. Kurz nach der Eskalation im Oktober letzten Jahres verzehnfachte Deutschland seine Waffenlieferungen an den israelischen Staat und geht seit Monaten mit äußerster Brutalität und Repression gegen die palästina-solidarische Bewegung vor.

    Mehr als leere Phrasen und Lippenbekenntnisse über die „unfassbar grausame“ Lage in Palästina hatte Pistorius nicht zu bieten. „SIE bomben da“, stellte eine Aktivistin klar. „Nicht Sie entscheiden, was richtig und falsch ist, sondern die Gerichte“, entgegnete Pistorius. Zu dumm nur, dass im Laufe der Veranstaltung von mehreren Personen auf das letzte Urteil des Internationalen Gerichtshof hingewiesen werden konnte, der das Vorgehen Israels als „Genozid” definiert.

    Doch nicht nur in Palästina sind deutsche Waffen im tödlichen Einsatz. Auch das türkische Militär baut seit Jahren auf Kriegsgerät aus Deutschland. Die türkische Armee arbeitet  gerade an einer großangelegten Offensive des türkischen Militärs in Zusammenarbeit mit 300 IS-Soldat:innen mit dem Ziel, Kurd:innen aus ihren Dörfern in Südkurdistan (Nordirak) zu vertreiben: „Das ist keine Friedenspolitik, das ist Kriegspolitik“, kommentierte dann auch ein Aktivist dieses Verhalten treffend.

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    „Demokratischer Diskurs”?

    Pistorius selbst reagierte nur ausweichend auf die Nachfragen und Zwischenrufe. Mit „Schreihälsen“ würde er nicht diskutieren. Dass es sich bei den sogenannten „Schreihälsen“ um überwiegend Jugendliche handelt, die ihrer Meinung Gehör verschaffen wollen, weil gerade sie von einer drohenden Wehrpflicht betroffen wären, erschien ihm dabei als nicht relevant.

    Immer wieder beklagt Pistorius das Fehlen eines „demokratischen Diskurses“. Doch wie eine Aktivistin aus dem Publikum richtig feststellt, kann es kaum etwas Ironischeres geben als eine demokratische Debatte mit einem „Kriegstreiber”. Der Fehler liege eben nicht bei den Zwischenrufen aus dem Publikum, sondern an der kriegsgetriebenen Politik der Regierung.

    Im Anschluss kam es noch zu einer Spontankundgebung. Dabei hielt ein Sprecher der Föderation Klassenkämpferischer Organisationen in einem Redebeitrag fest: „Diese Politik sollten wir nicht einfach kommentarlos hinnehmen, wenn Milliarden ins Militär gesteckt werden, sich nach außen abgeschottet wird, Rassismus wieder salonfähig gemacht wird und bei taumelnder Wirtschaft trotzdem nur an die Konzerne gedacht wird. Weder wir Jugendlichen noch sonst wer haben in den Kriegen, in die wir für die Bundeswehr ziehen sollen, etwas zu gewinnen.“

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