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Sonntag, September 8, 2024
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    Was die Proteste in Kenia mit dem Internationalen Währungsfonds zu tun haben

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    Die Proteste in Kenia gehen weiter. Diese sind nicht nur gegen die Regierung, sondern auch gegen den IWF und seine neokoloniale Herrschaft gerichtet. – Ein Kommentar von Felix Zinke

    Die Proteste in Kenia sind noch immer nicht zum Erliegen gekommen. Nachdem die Regierung Kenias unter Führung des Präsidenten William Ruto einen neuen Finanzplan verabschiedet hatte, welcher Steuererhöhungen in Höhe von 2,7 Milliarden US-Dollar beinhaltete, sind im ganzen Land Proteste dagegen ausgebrochen. Diese Proteste wurden seitens des Staats mit äußerster Brutalität beantwortet. Mittlerweile hat das zu mindestens 39 Toten geführt. Dennoch gehen die Proteste weiter und richten sich nicht nur gegen die Regierung Rutos, sondern auch gegen die Kredite des IWF (Internationaler Währungsfonds), eine westlich dominierte internationale Finanzinstitution.

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    Der IWF: Eine Institution des Neokolonialismus

    Offiziell ist der IWF eine Institution der Vereinten Nationen (UN), die Ländern in Notsituationen helfen soll. Tatsächlich ist sie aber ein Instrument, mit dem neokoloniale Abhängigkeiten aufrechterhalten werden.

    Im Rahmen der antikolonialen Bewegung konnten sich viele Länder in den 1960er-Jahren von der direkten Herrschaft westlicher Staaten befreien. Jedoch hatte die Entkolonialisierung die Wunden, welche ihnen über Jahrhundert zugefügt worden waren, nicht heilen können. Dies hat dazu geführt, dass zwar die Kolonialherren weg waren, jedoch die Abhängigkeit in einer neuen Form weiter Bestand hatte.

    Dies geschah vermittels neuer Institutionen wie des IWF oder der Weltbank. Durch den Raub der Ressourcen und die Zerstörung der vor der Kolonialisierung existierenden Gesellschafts- und Wirtschaftssysteme benötigten die frisch befreiten Länder Gelder, um ihre eigene Wirtschaft aufzubauen. Diese wurden über den IWF zur Verfügung gestellt.

    Der Preis für die Finanzspritze war jedoch neben den hohen Zinsen auch die Politik der „Konditionalität, welche die USA gegen alle Widerstände faktisch nach dem Koreakrieg eingeführt hatte. Diese besagt, dass jeder Staat, der Kredite erhält, bestimmte Konditionen erfüllen muss. Diese Konditionen sind die sogenannten Strukturanpassungsprogramme. Diese Strukturanpassungsprogramme sind finanzpolitische Änderungen, welche praktisch die alten kolonialen Abhängigkeiten wiederherstellen, ohne dass eigene Truppen die Gebiete besetzten müssen. Beispiele für Strukturanpassungsprogramme sind:

    • Kürzungen von Staatsausgaben
    • Fokussierung auf den Export von Ressourcen
    • Liberalisierung der Ökonomie
    • Privatisierungen von staatlichen Institutionen
    • Entwertung der eigenen Währung

    Dies sind nicht alle möglichen Strukturanpassungsprogramme, bieten jedoch einen Einblick in die Tiefe jener. Die Kredite stellen so eine Abhängigkeit von imperialistischen Staaten her, welche auf diese Weise die Politik der abhängigen Länder diktieren können.

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    Kenia als eines der Opfer des IWF

    Ähnliche Einschnitte wurden vom IWF auch in Kenia gefordert. Die Steuererhöhung, welche zu Lasten der kenianischen Arbeiter:innenklasse gehen soll, wurde eben eingeführt, um Schulden beim IWF zu tilgen und dessen Forderungen nachzukommen.

    Jedoch muss hier auch ein Unterschied zwischen der lokalen herrschenden Klasse und den Arbeiter:innen gemacht werden. Während die Arbeiter:innen in neokolonialen Staaten wie Kenia nichts von deren Abhängigkeit zu gewinnen haben, sieht es für die Kapitalist:innen anders aus.

    Diese verdienen selbst an der besonders rücksichtslosen Ausbeutung von Mensch und Natur in ihren Ländern mit. Auch wenn sie gegenüber den Kapitalist:innen aus den USA und anderen mächtigen Ländern den Kürzeren ziehen, sind sie am Gewinn aus der neokolonialen Ausbeutung ihrer Länder beteiligt. Deswegen richten sich die Proteste in Kenia auch gegen den IWF genauso wie gegen Präsident William Ruto und seine Regierung, welche „das Land verkaufen“ .

    Die Instabilität der Neokolonien

    Durch die verschärften Ausbeutungsbedingungen sind neokoloniale Staaten jedoch auch viel instabiler als imperialistische Kernstaaten wie Deutschland. Der Klassenkampf findet dort schon unter verschärfteren Bedingungen statt, als wir es hierzulande kennen. Der Rahmen der Zugeständnisse ist durch die Abhängigkeit und Ausbeutung größerer Staaten geringer, und so müssen diese Staaten viel öfter und härter zu repressiven Maßnahmen greifen. Denn wenn kein Zuckerbrot vorhanden ist, bleibt nur noch die Peitsche.

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    Die Proteste in Kenia zeigen jedoch, dass Repressionen und der kleine Rahmen an Zugeständnissen schnell an ihre Grenzen kommen und die fragile kapitalistische Ordnung infrage stellen können.

    • Perspektive Autor seit 2024. Berlin Informatikstudent und Werki in der IT. Schwerpunkte: internationale Kämpfe und Imperialismus.Begeisterter Radfahrer.

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