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Donnerstag, September 12, 2024
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    Entwicklung der Erwerbstätigkeit – Arbeitslosenquote steigt

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    Der Bericht des Statistischen Bundesamtes verzeichnet marginale Entwicklungen. In einigen Branchen geht es bergab, in anderen bergauf. Doch besonders die Arbeitslosenzahlen sollten uns Sorgen bereiten. – Ein Kommentar von Mario Zimmermann.

    Vierteljährlich erscheinen die Berichte des Statistischen Bundesamts (Destatis) zur Erwerbstätigkeit in Deutschland. Sie geben Auskunft über verschiedene Faktoren: den Beschäftigungszahlen, Arbeitslosenquoten oder der durchschnittlichen Wochenarbeitszeit kommen in der Wirtschaft eine hohe Bedeutung zu. Durch sie werden wichtige Fragen beantwortet, andere wiederum stellen sich erst.

    Geringe Entwicklung in der Erwerbstätigenzahl

    Mit dem Beginn der warmen Jahreszeit tritt traditionell eine „Frühjahrsbelebung“ in der Beschäftigung ein. Wetterabhängige und saisonale Arbeiten und Branchen beschäftigten mehr Arbeiter:innen, die zum Saisonende entlassen wurden. Das betrifft von Bauarbeiter:innen über Kellner:innen verschiedene Gruppen und Berufe.

    Im zweiten Quartal waren ungefähr 46,1 Millionen Menschen erwerbstätig. Durch die Frühjahrsbelebung konnte auch im zweiten Quartal 2024 die Beschäftigtenzahl um 249.000 Personen bzw. 0,5% im Vergleich zum Vorquartal steigen. Die saisonalen Schwankungen einberechnet, erhält man einen saisonbereinigten Anstieg von 54.000 Personen (+0,1%) zum Vorquartal.

    Blickt man auf die Entwicklung der Beschäftigtenzahl innerhalb eines Jahres im Vergleich zum Vorjahresquartal, so erhält man ein Plus von 167.000 Personen (+0,4%). Für das Statistische Bundesamt zeigt sich damit ein „Aufwärtstrend“. Ganz falsch ist das nicht: Seit dem Ende der Corona-Pandemie und der vorangegangenen Überproduktionskrise ist die Zahl der Beschäftigten für drei Jahre von Quartal zu Quartal gewachsen, nachdem es während der Pandemie einen deutlichen Rückgang gab.

    Beschäftigung am Bau und in der Produktion sinkt

    Während die Gesamtzahl leicht stieg, erfuhren die Branchen teils unterschiedliche Entwicklungen: So konnte die Dienstleistungsbranche im zweiten Quartal mit 229.000 Personen (+0,7%) den Großteil des Zuwachses an Beschäftigten verbuchen. Davon entfielen allein auf den Bereich der öffentlichen Dienstleister, der Erzieher:innen und des Gesundheitspersonals 199.000 Beschäftigte (+1,8%).

    In der Produktion hingegen ging die Beschäftigtenzahl gegenüber dem Vorjahresquartal um 44.000 Beschäftigte zurück (-0,5%). Im Baugewerbe sank die Beschäftigung um 21.000 Beschäftigte (-0,8%). Bei beiden Branchen lassen sich jeweils Verbindungen zur schwächelnden wirtschaftlichen Situation herstellen: Neben einem Anstieg der Strompreise waren mangelnde Fachkräfte, fehlende Aufträge und eine Pleitewelle für die Krise verantwortlich, die sich auch in den Beschäftigtenzahlen niederschlägt.

    Arbeitslose als Reservearmee

    Einen Widerspruch zu den Zahlen der Erwerbstätigkeit stellen allerdings die Zahlen der Arbeitslosenquote dar: Sie schwankte dieses Jahr zwischen 5,8% – 6,1%. Zwar werden Personen in verschiedenen Weiterbildungsmaßnahmen, Ein-Euro-Jobs und geringfügig Beschäftigte in den Statistiken nicht mitgezählt. Doch die Arbeitslosigkeit und Jugendarbeitslosigkeit (Juli: 4,3%) sind im Vergleich zu anderen kapitalistischen Volkswirtschaften vergleichsweise niedrig.

    Trotzdem zeigt sich in Deutschland eine Verschärfung der Situation: Im Juli lag die Gesamt-Arbeitslosigkeit bei 6,0% und damit auf dem höchsten Niveau seit 2020, als die Wirtschaft durch die Corona-Pandemie stark eingeschränkt war. Unter anderem werden zurzeit in den Zuliefererbetrieben der für Deutschland wichtigen Autoindustrie unzählige Stellen gestrichen. Allein bei ZF sind es 12.000 Stellen, die in den kommenden Jahren abgebaut werden sollen. Selbst die Produktion von E-Autos wird beispielsweise in Zwickau heruntergefahren.

    Schleichender Stellenabbau: Das deutsche Modell der Massenentlassung

    Der Widerspruch zwischen dem geringen Anstieg der Erwerbstätigenzahl und der Erhöhung der Arbeitslosenquote rührt einerseits aus unterschiedlichen Erhebungsmethoden. Andererseits kommen womöglich demographische Veränderungen zum Tragen. Dass die Arbeitslosigkeit steigt, bleibt aber ungeachtet dessen ein wichtiger Faktor, um ein klares Bild von der wirtschaftlichen Lage zu bekommen.

    Und diese Lage sieht nicht besonders rosig aus: Mit den Stellenabbau-Programmen verschiedener Industriezulieferer dürfte die Größe des Arbeitslosenheeres weiter zunehmen. Durch ihre Arbeitsplatzverluste kommen die Beschäftigten zurzeit spürbarer denn je mit ihren Ausbeutern, den Kapitalist:innen, in Konflikt. Damit steigt auch die Wahrscheinlichkeit für mehr Erhebungen der Arbeiter:innen in Form von Arbeitskämpfen zur Erhaltung ihrer Jobs.

    Gleichzeitig könnte von den gärenden Situationen wie z.B. in Zwickau zurzeit vor allem die AfD profitieren, die ihren Wahlkampf in Sachsen auch darauf ausrichtet. Die Schikanen und Unsicherheiten ihrer Ausbeutung in Krankenhaus, im Handel oder der Fabrik haben viele satt. Von sicher geglaubten Industriejobs über bislang öffentlich finanzierte Sozialarbeitsstellen bis zu den kleinen Selbstständigen sind Angriffe bis hin zum Verlust des Arbeitsplatzes zunehmend häufiger an der Tagesordnung. Den sozialen Abstieg gibt es kostenlos dazu.

    Es ist also allerhöchste Zeit, dass der Kampf für höhere Löhne und gegen den Abbau von Arbeitsplätzen eine höhere Priorität auf der politischen Agenda einnimmt.

    Rezession oder nicht – uns Arbeiter:innen geht es trotzdem schlecht

    • Perspektive-Autor seit 2023. Lieblingsthemen: Militarisierung und Arbeitskampf. Lebt und arbeitet in Nürnberg. Motto: "Practice like you've never won, play like you've never lost!" -Michael Jordan

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