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Montag, September 16, 2024
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    Sommerarbeitslosigkeit: Dauerthema für angestellte Lehrer:innen

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    Ende des Schuljahres und sechs Wochen Sommerferien – für angestellte Lehrer:innen ist dies häufig kein Grund zur Freude, denn oft werden sie über die Ferien entlassen und erst zum neuen Schuljahr wieder eingestellt. Leider ist dies bei weitem nicht die einzige Ungerechtigkeit an deutschen Schulen. Einen kleinen Einblick gibt Jens Ackerhof – selbst seit mehreren Jahren angestellter Lehrer.

    Aber immerhin habt ihr lange Ferien!“ So oder so ähnlich lautet häufig der abschließende Kommentar, wird man als Lehrer:in auf seinen Beruf angesprochen. Das „immerhin“ bezieht sich dabei auf den katastrophalen Zustand des Bildungssystems.

    Unter diesem leiden natürlich vor allem die Schüler:innen. Statt ihre Neugier zu wecken und Eigenständigkeit zu fördern, geht es dem Schulsystem im Kapitalismus vor allem darum, sie in den Arbeitsmarkt zu quetschen. Wer dann nicht allen Anforderungen genügt, hat meist nur Chancen auf miese Jobs.

    Ungerechte Bewertung für Schüler:innen, unbezahlte Arbeit für Lehrer:innen

    Als angehender Lehrer sehe ich selbst oft, wie unfair Schule sein kann – wie zum Beispiel das Bewertungssystem an Hamburger Stadtteilschulen, der Hamburger Variante der Gesamtschule. Dort gibt es andere Noten als an den Gymnasien. Das heißt: Schüler:innen an Stadtteilschulen werden faktisch benachteiligt, wenn sie mit Schüler:innen aus den Gymnasien verglichen werden.

    Doch auch Lehrer:innen arbeiten unter einem belastenden System. Eine befreundete Klassenlehrerin klagt beispielsweise darüber, dass sie es an manchen Arbeitstagen kaum schafft, Pausen zu nutzen oder auch nur auf Toilette zu gehen. Denn mit der Pausenglocke kommen auch etliche Anliegen und Planungsgespräche, die „einfach nicht warten können“. Ob in oder außerhalb der Schule, Lehrer:innen leisten oft unbezahlte Mehrarbeit.

    Sommerarbeitslosigkeit: Vor allem Referendar:innen sind betroffen

    Sind „immerhin lange Ferien“ dabei ein Lichtblick? Nicht für viele befristet angestellte Lehrkräfte! Noch immer werden viele von uns zu den Sommerferien entlassen, nur um dann zum neuen Schuljahr wieder eingestellt zu werden. Dies war auch bei mir in den letzten drei Jahren, in denen ich mir mit Lehraufträgen mein Studium finanzierte, der Fall.

    Eine Statistik der Bundesagentur für Arbeit für das Jahr 2023 zeigt, wie gängig die Praxis noch ist. Rund die Hälfte der Arbeitslosmeldungen fiel in Bayern und Hamburg auf den Beginn der Sommerferien, in Baden-Württemberg waren es sogar 58 Prozent. Einige Bundesländer haben mittlerweile die Sommerarbeitslosigkeit durch Regeln eingeschränkt. Auch auf Druck der Gewerkschaften hin werden in Baden-Württemberg in diesem Sommer zum ersten Mal auch Lehrer:innen mit befristeten Verträgen weiterbezahlt.

    Referendar:innen profitieren davon allerdings nicht. Denn wer das Referendariat (heute: „Schulvorbereitungsdienst“) beendet, steigt in aller Regel nicht nahtlos in die reguläre Beschäftigung ein. Je nach Bundesland entsteht dabei eine Lücke von sechs Wochen (Baden-Württemberg) bis zu ganzen vier Monaten (NRW).

    Das Problem: Auf Arbeitslosengeld haben die fertig ausgebildeten Lehrer:innen keinen Anspruch. Im Vorbereitungsdienst werden wir als „Beamte auf Widerruf“ beschäftigt. Das bedeutet, dass weder Beiträge zur Arbeitslosenversicherung gezahlt noch ein Anspruch auf sie erhoben werden kann.

    Für gerechte Bildung – gegen den Kapitalismus

    Die schäbige Praxis der Sommerarbeitslosigkeit und die unbezahlte Mehrarbeit sind für Pädagog:innen leider nicht das einzige Problem: Noch immer werden in den meisten Bundesländern Grundschullehrer:innen schlechter bezahlt als Gymnasiallehrer:innen.

    Auch wäre ohne Sozialpädagog:innen der Unterricht an vielen Schulen kaum durchführbar. Dennoch erhalten sie ein weitaus geringeres Gehalt als Lehrer:innen. Natürlich müssen wir schon heute für unsere Rechte als Pädagog:innen und Schüler:innen kämpfen. Doch damit Schule mehr als Vorbereitung auf Lohnarbeit ist, damit tatsächliche Bildung allen offen steht und damit der Beruf den Pädagog:innen Erfüllung statt Burnout bringt, müssen wir das kapitalistische System überwinden.

    Dieser Text ist in der Print-Ausgabe Nr. 89 vom August 2024 unserer Zeitung erschienen. In Gänze ist die Ausgabe hier zu finden.

    • Perspektive-Autor seit 2023. Wohnort: Hamburg. Kommentare verfasst er häufig über bürgerliche Politiker:innen und deren Propaganda. Seine Lieblings- und Haustiere sind Ratten.

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