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Mittwoch, September 18, 2024
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    Shirin Davids „Bauch Beine Po“ – Ist das Empowerment und Frauensolidarität?

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    Shirin Davids neuer Song „Bauch Beine Po“ ist der Sommerhit 2024 und dennoch heftig umstritten. Mit Lyrics wie „Geh ins Gymmie, werde skinny“ vermittelt die Rapperin ihren Zuhörerinnen, einfach nur hart arbeiten zu müssen, um erfolgreich, reich und schön zu sein. – Ein Kommentar von Charlene Klawitter.

    Shirin David ist die wohl erfolgreichste Rapperin Deutschlands. Angefangen als Youtuberin startete sie 2019 ihre Karriere als Rapperin und landete mit ihrem Debüt-Album „Supersize“ direkt auf Platz 1 der deutschen Charts. Zum jetzigen Zeitpunkt hat Shirin über fünf Millionen Hörer:innen auf Spotify und weit über sechs Millionen Follower auf Instagram.

    In der Öffentlichkeit verkauft sich Shirin David als erfolgreiche „Boss Bitch“ in einem männlich dominierten Business. Unter dem Motto „gutaussehend UND talentiert“ labelt sich Shirin David als Feministin. Das zeigt sich unter anderem auch in der letzten Sendung von „Wetten, dass…?“, in der sie einen sexistischen Kommentar von Thomas Gottschalk mit der Aussage kontert, dass Feministinnen auch eloquent, klug und gleichzeitig wunderschön sein könnten.

    In Songs wie „Ich darf das“ oder ihrem neusten Release „Bauch Beine Po“, die von Teilen ihrer Zuhörerschaft als „Girlboss-Hymnen“ gefeiert werden, fordert Shirin David die Frauen dazu auf, sich nicht zu schämen und ihr Ding durchzuziehen. Textpassagen wie „Stelle keine Frauen in den Schatten damit ich schein’ (Nein) (…) Real Bad Bitches lieben Bad Bitches“ und „Ich bin schlau , aber blond und supermega hot“ vermitteln den Hörer:innen, dass Frauen „Queens“ sein können und man auch als Frau reich, erfolgreich und schön sein kann.

    Sexistischer Rap von Frauen – ist das „Empowering”?

    Neuer Song mit alten Idealen

    Mit ihrem neuen Song „Bauch Beine Po“, der am 26. Juli 2024 veröffentlicht wurde, treibt Shirin die kapitalistische Selbstoptimierung der Frau auf einen neuen Höhepunkt: Das „lyrische Ich” lebt einen reichen Lifestyle („Zum Frühstück ein’n Champagnie bei Bottegie “), ist erfolgreich und vor allem eines: besonders attraktiv. Eben genau so, wie Shirin David sich in der Öffentlichkeit gibt.

    Doch der Song bleibt dabei nicht stehen: Er fordert seine weiblichen Hörerinnen auf, es dem lyrischen Ich gleich zu tun: Sie sollen ins Fitnessstudio oder zum Pilates gehen und an ihrem Körper arbeiten – nicht zuletzt, um Männern zu gefallen. Im Song heißt es etwa: „Du willst einen Body, dann musst du pushen (…) Bist du ein Hottie, werden sie gucken.“

    Dabei bedient sich Shirin des patriarchalen Schönheitsideals, das dem weiblichen Körper abverlangt, schlank und sportlich zu sein. So heißt es: „Geh ins Gymmie, werde skinny“.

    Die seit Jahren bestehende Workout-Routine „Bauch Beine Po“ lässt sich in den Lyrics und nun endlich auch im Titel des Songs wieder finden. Im Musikvideo werden die sportlichen Aktivitäten zusätzlich noch betont sexualisiert: In enger Kleidung spreizt Shirin lasziv ihre Beine, führt die Hände eng am Körper herab und setzt ihren Körper für den „Male Gaze“ („männlichen Blick”) in Szene.

    Nicht noch eine neoliberale Feministin

    Nach dem Release hagelte es ordentlich Kritik: Shirin würde mit diesem Lied ein seit langem bestehendes Schönheitsideal für Frauen unterstützen. Gerade in „Bauch Beine Po“ wird den Zuhörerinnen vorgeschrieben, dass sie sich nur überaus anstrengen müssen, um so schön wie Shirin zu werden – ungeachtet dessen, dass sie genug Geld hätte, sich mehrere Schönheits-OPs zu leisten. So meinte Shirin selber einmal, dass ihr Körper „60 Prozent Doc – 40 Prozent Gym“ sei.

    Allein bis 2018 hatte sie 75.000 Euro für Schönheits-OPs ausgegeben. Geld, das die meisten Frauen ohnehin nicht haben – genauso wenig, wie sie es sich leisten könnten, mit ihrem Range Rover zum Frühstück zu fahren, um einen Champagner zu trinken und danach teure Fitnessstudios zu besuchen. Die meisten Frauen jedenfalls, „pushen“ nicht für ihren Body, sondern für ihre Miete.

    Doch das Bild der reichen, schönen und erfolgreichen Frau impliziert nicht nur, dass jede Frau durch „harte Arbeit“ einen Körper haben kann, der dem kapitalistischen und patriarchalem Schönheitsideal entspricht, sondern noch viel mehr: Shirin erzählt uns von dem uralten Mythos, dass jede Frau es schaffen kann, im Kapitalismus aufzusteigen à la „Vom Tellerwäscher zum Millionär“. Die Realität sieht jedoch eher aus wie „Von der Tellerwäscherin zur Küchengehilfin, die nebenbei noch den Haushalt schmeißt“. Denn die meisten Frauen müssen nicht nur für ihren Lohn arbeiten gehen, sondern sich auch noch zuhause unbezahlt um die Hausarbeit und Kindererziehung kümmern.

    Vielleicht kann sich Shirin durch ihr Geld von den meisten Zwängen des Patriarchats freikaufen, indem sie die Hausarbeit auf Putzkraft, Gärtner:in und Friseur:in auslagert. Die meisten Frauen können das jedoch nicht – und ihnen zu sagen, dass sie nur härter arbeiten müssten, um reich und erfolgreich zu sein, reproduziert die tiefsitzende kapitalistische Ideologie. Das in „Bauch Beine Po“ vermittelte Schönheitsideal einer schlanken Frau mit langen Haaren usw. setzt noch einen drauf: es bringt alle diejenigen, die sowieso schon mehrfach ausgebeutet sind, noch mehr unter Druck, diesem Ideal zu entsprechen.

    Warum aber eine Frau kritisieren, wenn es so viele männliche Rapper gibt, die mit frauenfeindlichen Lyrics nur so um sich schmeißen? Die Kritik an „Bauch Beine Po“ soll männliche Rapper keineswegs aus der Schusslinie nehmen. Jedoch nimmt Shirin David für sich in Anspruch, frauensolidarisch zu sein und Frauen zu „empowern“. Das tut sie aber gerade nicht und verbreitet stattdessen durch ihre Songs kapitalistische Ideologie und stärkt patriarchale Schönheitsideale.

    Welcher „Feminismus“ ist dann richtig?

    Shirin David propagiert in ihren Songs einen bürgerlichen Feminismus. Sie strebt nach „Gleichstellung“ von Frauen und Männern – Frauen sollen auch erfolgreich und reich sein dürfen. Frauen können schön und dabei selbstbewusst sein, können ihre Sexualisierung und konstante Bewertung zurückweisen und sich frei davon ganz selbstbewusst der Welt zeigen. Dabei wollen wir jedoch nicht stehen bleiben: Uns bringt es nichts, Frauen in Führungsetagen zu bekommen oder zu erfolgreichen Rapperinnen zu machen, wenn die große Mehrheit der Frauen weiter in schlecht bezahlten Jobs oder in ihren verschuldeten Einfamilienhäusern schuften darf.

    Wir wollen nicht einen „Iced Matcha Latte vor dem Pilates“, wir wollen das ganze Café und das Pilates-Studio dazu – denn wer kann sich sowas heute überhaupt noch leisten? Wir wollen Frauenkörper entsexualisieren, sie zurückerobern und den Händen der Männer entreißen, die sie bewerten, bemessen, einengen und bestimmen. Wir wollen die Reproduktionsarbeit vergesellschaften, sodass sie nicht mehr unbezahlt von den Frauen dieser Welt gemacht werden muss. Wir wollen gleiche Rechte, aber auch gleichen Lohn. Wir wollen den Mehrwert, den unsere Arbeit schafft, und den Respekt, der uns gebührt.

    Clara Zetkin – Vorbild im Kampf gegen Kapitalismus und Patriarchat

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