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Sonntag, September 22, 2024
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    Haftstrafen für KSC-Fans nach Pyro-Show

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    Der deutsche Staat statuiert ein Exempel an zwei Karlsruher „Ultras”, und das Innenministerium Niedersachsens setzt auf Überwachung, um Fußballfans zu kriminalisieren. So testet der Staat derzeit an aktiven Fußballfans seine Law-and-Order-Politik. – Ein Kommentar von Freddi Durruti.

    Im November 2022 kam es zu einer Show mit Pyrotechnik im Karlsruher Wildparkstadion, um das 20-jährige Bestehen einer „Ultra”-Gruppe zu feiern. In der vergangenen Woche wurden dafür nun zwei KSC-Ultras zu einer Haftstrafe von 14 Monaten ohne Bewährung verurteilt. Dieses Strafmaß stellt einen Höhepunkt in der Repression der Behörden gegen Fußballfans, insbesondere gegen deren Ultras dar.

    Keine aktive Beteiligung nachgewiesen

    Besonders auffällig ist dabei, dass selbst die Staatsanwaltschaft, die sonst häufig mit ihren Strafforderungen übers Ziel hinausschießt, Bewährungsstrafen forderte. Das Gericht entschied nun aber, zwei KSC-Ultras zu Haftstrafen zu verurteilen – ohne, dass ihnen eine aktive Beteiligung an der besagten Pyro-Show überhaupt nachgewiesen werden konnte.

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    Bei einem der Angeklagten wurden im Nachgang der Aktion bei einer Hausdurchsuchung Pyrotechnik, sowie ein Lieferschein darüber gefunden. Das Gericht konnte jedoch nicht klären, ob diese bestellte Pyrotechnik bei der besagten Aktion verwendet wurde. In Sprachnachrichten auf den beschlagnahmten Handys soll es um die Planung der Pyro-Aktion gegangen sein. Das war für die Staatsanwaltschaft Grund genug, den Angeklagten vorzuwerfen, sie hätten von der Aktion gewusst und sie gebilligt.

    Vom Gericht wurden sie nun der schweren Körperverletzung in 11 Fällen schuldig gesprochen, da es nach Angaben von Verein und Polizei bei der Aktion zu 11 Verletzten kam. Dass es hierzu jedoch noch nicht einmal einer direkten Tatbeteiligung bedarf, zeigt sehr deutlich, dass hier ein Exempel statuiert werden sollte: Seit Jahren werden die Pyro-Shows in deutschen Kurven immer aufwändiger und vor allem immer akzeptierter. Diesen Erfolg der aktiven Fanszenen rund um die Ultras kann der deutsche Staat so wohl nicht stehen lassen. Stattdessen sieht er sich gezwungen, die Kriminalisierung von Pyro-Shows beim Fußball auf neue Spitzen zu treiben.

    Sozialarbeiter:innen wegen Verweigerung einer Aussage verurteilt

    Im Rahmen dieses Prozesses wurden zudem drei Mitarbeitende des Karlsruher Fanprojekts (eine verbreitete Form der sozialen Arbeit mit Fußballfans) zu Geldstrafen wegen „Strafvereitelung“ in Höhe von 120 Tagessätzen verurteilt. Das Karlsruher Fanprojekt hatte im Nachgang der Aktion einen geschützten Raum zur Aufarbeitung der Vorfälle angeboten, woraufhin sie zur Zeug:innenaussage vorgeladen wurden.

    Da Sozialarbeiter:innen derzeit kein Zeugnisverweigerungsrecht haben, waren die Mitarbeitenden zumindest rechtlich gezwungen, gegen ihre eigenen Klient:innen auszusagen. Trotz der Beugehaft, die im Raum stand, verweigerten die Sozialarbeiter:innen jedoch ihre Aussage – und sind nun wegen „Strafvereitelung“ vorbestraft.

    Hannover-Fans reagieren mit Protest auf Restriktionen

    Am 6. Oktober soll in Braunschweig das sogenannte „Niedersachsen-Derby” zwischen Eintracht Braunschweig und Hannover 96 stattfinden. Nachdem es im vergangenen Jahr bei beiden Aufeinandertreffen zu Ausschreitungen und dem Einsatz von Pyrotechnik kam, hattte das Innenministerium Niedersachsens zunächst den Ausschluss jeglicher Gäste-Fans bei beiden Spielen in dieser Saison gefordert.

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    Nachdem die Vereine dem Innenministerium ihre Sicherheitskonzepte vorlegten, einigte man sich dann schließlich doch darauf, Gäste-Fans zu erlauben, ihre Anzahl aber stark einzuschränken. So sollen nur 60 Prozent der normalerweise zugelassen Anzahl an Gästekarten verkauft werden, eine intensivere Videoüberwachung sowie verstärkte Einlasskontrollen und das Verbot jeglicher Fan-Materialien für mehr Sicherheit im Sinne der Polizei sorgen.

    Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens (SPD) nannte das Vorgehen die „letzte Chance“. Doch die Rechnung hat sie ohne die Fan-Szene von Hannover 96 gemacht: diese lehnt die kollektive Kriminalisierung sowie die Restriktionen ab und hat für den Spieltag eine Demonstration in Braunschweig angemeldet – ein cleverer Schachzug, um die Einschränkungen zu umgehen.

    Die Stadt Braunschweig schränkte daraufhin kurzerhand das Demonstrationsrecht ein und genehmigte den Hannover-Fans lediglich eine Kundgebung am Hauptbahnhof, woraufhin die Hannover-Fans den Protest komplett absagten. Aber sicherlich werden sich die Fußballsport-Begeisterten nun etwas anderes einfallen lassen.

    Ultra-Szene: Testfeld der Polizei und Justiz

    Beide Beispiele zeigen vor allem eines ganz deutlich: Der deutsche Staat zieht die Repressionsschrauben immer fester an und testet an der Ultra-Szene nicht nur Polizeieinsatztaktiken, sondern auch neue Ausmaße juristischer Repression.

    Das hat auch einen Grund: der „Volkssport“ Fußball hat das Potenzial, tausende Menschen für widerständige Anliegen zu mobilisieren, das mit dem Fußball verbundene Milliardengeschäft von Investor:innen zu stören und Freiräume nicht nur in den Kurven, sondern auch durch eigene Anlaufstellen im Alltag und vieles mehr zu schaffen. So haben etwa die Proteste gegen den sogenannten „Investorendeal” der DFL in der letzten Saison deutlich gezeigt, dass Fußballfans dem Kapitalismus etwas entgegensetzen wollen und Erfolge wie den dann gescheiterten Milliardendeal der DFL erkämpfen können.

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