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Wirtschaftskrise: Deutschland weiter in schwankender Stagnation

Die deutsche Wirtschaft schrumpft das zweite Jahr in Folge. Das ist die Vorhersage einer Projektgruppe verschiedener Wirtschaftsinstitute. Auch für die kommenden Jahre sehen die Wirtschaftsforscher:innen nur ein sehr schwaches Wachstum. Verschiedene Faktoren sind für die Dauerkrise verantwortlich.

Der Daumen zeigt nach unten: Deutschlands führende Wirtschaftsforschungsinstitute sehen die Wirtschaft in diesem Jahr wieder schrumpfen. Es wäre bereits das zweite Jahr in Folge. Ging das deutsche Bruttoinlandsprodukt in 2023 um 0,3 % zurück, prognostiziert die Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose für 2024 ein Minus von 0,1 Prozent. Damit korrigieren die Forscher:innen ihre bisherige Vorhersage von plus 0,1 Prozent aus dem Frühjahr. An der Projektgruppe beteiligen sich unter anderem das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), das Münchner ifo Institut und das Institut für Weltwirtschaft (IfW Kiel).

Für die anhaltende Stagnation machen die Ökonom:innen verschiedene Faktoren verantwortlich: „Neben der konjunkturellen Schwäche belastet auch der strukturelle Wandel die deutsche Wirtschaft“, äußerte Geraldine Dany-Knedlik vom DIW Berlin: „Dekarbonisierung, Digitalisierung, demografischer Wandel und wohl auch der stärkere Wettbewerb mit Unternehmen aus China haben strukturelle Anpassungsprozesse ausgelöst, die die Wachstumsperspektiven der deutschen Wirtschaft dämpfen.“

Anhaltende Krise seit 2018

Tatsächlich kommt der deutsche Kapitalismus bereits seit Jahren nicht aus dem Krisenmodus heraus. Der aussagekräftigste Indikator hierfür ist die Entwicklung der Industrieproduktion, die das Statistische Bundesamt regelmäßig misst. Deren letzter Höhepunkt liegt bereits fast sieben Jahre zurück: Im November 2017 stand der Index bei 108,5 – diesen muss man mit dem Wert 100 aus dem Basisjahr 2021 vergleichen. Seitdem geht es wellenförmig nach unten. Für Juni 2024 meldeten die Statistiker:innen einen Index von 93,2.

Der Rückgang der Produktion ab 2017/18 war zunächst auf eine weltweite Überproduktionskrise zurückzuführen, wie sie der Kapitalismus regelmäßig alle paar Jahre hervorbringt. Die Krise zog sich über das Jahr 2019 hin und ging danach nahtlos in die Corona-Pandemie über, als Lockdowns weite Teile der Wirtschaft zeitweise lahmlegten. Die Industrieproduktion hatte im April 2020 mit einem Wert von 78,1 ihren Tiefpunkt in Jahrzehnten.

Energiepreise: Erholung oder Ruhe vor dem nächsten Sturm?

Pandemie ging nahtlos in Ukraine-Krieg über

Die Auswirkungen der Pandemie zogen sich über zwei Jahre hin und bedeuteten vor allem die ständige Unterbrechung weltweiter Lieferketten, was zur Knappheit von Rohstoffen und Vorprodukten führte und die Erholung nach den Lockdowns auch in Deutschland stark ausbremste. Von den hieraus resultierenden ersten Preissteigerungen waren alle kapitalistischen Länder betroffen.

Im Februar 2022 überfiel dann noch Russland die Ukraine. Die massiven Wirtschaftssanktionen der westlichen kapitalistischen Länder gegen Russland wirkten auf Deutschland besonders stark zurück, das seit Jahren erhebliche Mengen an Gas, Öl und anderen Rohstoffen von dort bezogen hatte. Die Preisexplosionen des Jahres 2022 waren die heftigsten seit über dreißig Jahren, und bis heute sind die Preise hoch geblieben.

Zusätzlich zu den genannten Faktoren für die krisenhafte Entwicklung in Deutschland herrscht hierzulande ein Mangel an Arbeitskräften, sodass die kapitalistischen Unternehmen die Reallöhne der Arbeiter:innen in der Krise nicht noch weiter senken konnten. Die Autoindustrie und deren Zulieferfirmen stecken zudem mitten in einer kostspieligen Transformation auf Elektroautos. Erst kürzlich schockierte VW mit der Ansage, in seinen deutschen Werken mittelfristig 30.000 Stellen abbauen zu wollen. Daneben ist die Umstellung der deutschen Energieproduktion auf erneuerbare Energien im vollen Gange. An der politischen Ausgestaltung der Transformationen durch die Ampelregierung gibt es aus Kapitalkreisen jedoch heftige Kritik.

Start der VW-Tarifverhandlungen: Konfrontation steht bevor

Erholung in Sicht?

Zwar ist nicht ausgeschlossen, dass sich der deutsche Kapitalismus nach Umsetzung der Transformation wieder erholt und seine führende ökonomische Stellung in Europa dauerhaft verteidigt. Laut einer Studie der IMD Business School im schweizerischen Lausanne, über die das Handelsblatt im Juni berichtete, liegt Deutschland aktuell jedoch unter den wettbewerbsfähigsten Nationen der Welt nur noch auf Platz 24: „Viele andere Länder in der Welt sind schneller“, resümierte ein Schweizer Forscher das Studienergebnis. Auch die Projektgruppe weist auf eine anhaltende Investitionsschwäche hin.

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