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Dienstag, März 19, 2024
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    Schaffen Roboter den Kapitalismus ab?

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    Technologie, Eigentum und Macht – ein Kommentar von Thomas Stark

    Alle reden heute von Digitalisierung, künstlicher Intelligenz (KI) und den Robotern der Zukunft. Der nächste Schritt in der technologischen Entwicklung wird ohne Zweifel die Art und Weise, wie wir arbeiten und konsumieren, erheblich verändern. Für viele Beschäftigte stellt sich vor allem in naher Zukunft die ganz konkrete Frage, ob ihre Arbeitsplätze weiter existieren werden, wenn Maschinen über das „Internet der Dinge“ selbständig miteinander kommunizieren oder mittels KI auch die geistige Arbeit, der Bereich der klassischen „Weißkragen“-Berufe, automatisiert werden kann. (Link). Und wo wird man noch arbeiten können, wenn nicht?

    Für manche Intellektuelle stehen dagegen die visionären Seiten der technischen Entwicklung im Vordergrund: Was wird nicht alles möglich werden, wenn Roboter sich selbst produzieren und Computer sich selbst programmieren können? Wird die menschliche Arbeit damit ganz überflüssig – und könnten wir dann nicht ein Paradies auf Erden errichten, in dem alle überflüssigen früheren Arbeitskräfte im Überfluss leben?

    No capitalism in the age of robots“

    Gut, wenn in diese Debatte hin und wieder einmal die Kernfrage hineingetragen wird, um die es geht, wenn wir über die gesellschaftliche Realität der Digitalisierung reden: Nämlich die Eigentumsfrage. –  Ludger Eversmann z.B. behandelte dieses Thema jüngst in seinem Artikel „No Capitalism in the Age of Robots“ bei Telepolis. (Link) Er debattiert gegen die allzu optimistischen (und dabei ökonomisch völlig unsinnigen) Thesen des Johns Hopkins-Professors, Adair Turner (kurz: Roboter werden kommen und das „Problem der Produktion“ so vollständig lösen, dass es unwichtig wird). Alles, was von Robotern produziert wird, wird nahezu kostenlos zu haben sein. Und das alles im Kapitalismus. (Link). Und er sparte nicht mit – sehr berechtigter – Kritik an linksalternativen Konzepten wie „Genossenschaften, Landkommunen und Arbeiterselbstverwaltungen“ – deren Beliebtheit eigentlich nur das Ergebnis von Unkenntnis über die Realität der heutigen Industrieproduktion sei.

    Wenn in Zukunft in der „Smart Factory“ automatisiert und auf Anfrage produziert würde, so Eversmann, müsse die Gesellschaft vielmehr nur noch sagen: „Wozu brauchen wir denn nun noch einen Unternehmer?“, sich die entsprechenden Produktionssysteme beschaffen und die „benötigten Kapazitäten“ bemessen (also die Produktion planen…). An menschlicher Arbeit bleibe im Wesentlichen die Überwachung der Produktion und das Design der Produkte übrig – sowie Tätigkeiten außerhalb der Produktion. Die Voraussetzung sei aber, dass die ganze Sphäre der Produktion nicht unter dem „Diktat der Kapitalverwertung“ verbleibe.

    Alles nichts wert ohne Arbeit

    Alle Stimmen, die meinen, Kapitalismus und Roboter könnten gemeinsam Wohlstand für alle schaffen, verkennen, dass menschliche Arbeit die einzige Quelle von kapitalistischem Gewinn (Mehrwert) ist. Dass mit der Weiterentwicklung der Produktionstechnik menschliche Arbeitskraft freigesetzt wird, bedeutet im Kapitalismus im Zweifel den Verlust des Arbeitsplatzes. Das Kapital wiederum nutzt die „industrielle Reservearmee“ der Arbeitslosen, um den Arbeitslohn unter den Wert der Arbeitskraft zu drücken. Grundlage dieser Bewegung ist die Tatsache, dass die Produktionsmittel eben Eigentum der Unternehmer sind, während die ArbeiterInnen kein Eigentum besitzen außer ihrer Arbeitskraft.

    An diesen Verhältnissen ändern Roboter erstmal gar nichts. Die weitgehende Automatisierung der Arbeitsprozesse durch Roboter und künstliche Intelligenz ist nichts als ein weiterer Schritt in der Bewegung hin zur höheren „organischen Zusammensetzung des Kapitals“ (Verhältnis von Maschinerie zu menschlicher Arbeitskraft), die schon seit Marx‘ Zeiten abläuft. Eine völlige Abschaffung menschlicher Arbeit im Kapitalismus ist jedoch unmöglich, weil die Unternehmen dann ohne Mehrwert da stünden.

    Der Irrtum, dem Adair Turner und viele andere unterliegen, liegt darin, gesellschaftliche Verhältnisse für Eigenschaften von Gegenständen zu halten: „Wert“ kann ein Produkt nur besitzen, wenn es das Ergebnis menschlicher Arbeit ist. Marx hat den Fehler der bürgerlichen Ökonomie, dies zu verkennen, als „Warenfetischismus“ bezeichnet.

    Was also tun?

    Roboter allein schaffen keine neue Gesellschaft, die den Kapitalismus ablöst. Allerdings werfen sie die Eigentumsfrage, die seit 200 Jahren besteht, noch einmal umso schärfer auf. Wenn es darum geht, wie die Gesellschaft denn nun die Sphäre der Produktion dem Diktat der Kapitalverwertung entziehen soll, bleibt der Telepolis-Autor leider sehr nebulös: „Was wir brauchen, sind Forschungsprojekte, die in diesem Sinne transformative Strategien und Konzepte entwickeln und so weit erforschen, dass sie als konkrete Politikziele in politische Entwürfe und Programme integriert und dem Wähler zur Entscheidung vorgelegt werden können. Daran sind sicher auch Knowhow-Träger aus dem Feld der digitalen Hochtechnologien zu beteiligen.“ – Meint er etwa, man könnte das Kapital in die Forschung an seiner eigenen Überwindung fließen lassen?

    Was man sich darunter vorstellen soll, „eine Gebrauchswertorientierung in der Sphäre der Produktion zu realisieren“ und damit den kapitalistischen Wachstumszwang zum Erlöschen zu bringen, ist darüber hinaus ebenso wenig klar wie die Frage, warum es auf der Grundlage einer vergesellschafteten Produktion noch „Reiche“ geben kann, die sich „nur noch gegenseitig das Geld abnehmen“ (welches Geld eigentlich?).

    In Wahrheit stellt sich die Frage viel einfacher: Wie „beschafft“ sich die Gesellschaft die Produktionssysteme? Indem sie diese den Eigentümern wegnimmt. Denn das Eigentum an den Produktionsmitteln, welches die Grundlage des Kapitalismus ist, wird sich niemals von selbst auflösen. Diese Aufgabe kann aber nur von der gesellschaftlichen Klasse geleistet werden, die sich durch ihr fehlendes Eigentum auszeichnet – und das ist die ArbeiterInnenklasse. Die Frage der Vergesellschaftung der Produktionsmittel ist dann aber keine technologische mehr, sondern eine Machtfrage!

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    • Perspektive-Autor seit 2017. Schreibt vorwiegend über ökonomische und geopolitische Fragen. Lebt und arbeitet in Köln.

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