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Zeitung für Solidarität und Widerstand

Ein Urteil für die Tonne

Warum 8 Sozialstunden für’s Containern immer noch zu viel sind. – Ein Kommentar von Tabea Karlo

Es gibt eine Sache, die wirklich alle Menschen auf der Welt gemeinsam haben: Wir müssen essen.

Essen – an dieser Stelle wird mir wohl jeder zustimmen – das ist nichts, wofür oder wogegen wir uns entscheiden könnten. Wenn wir nicht essen, dann verhungern wir zwangsläufig irgendwann. Alleine aus diesem sehr simplen Grund ist es schon völliger Unfug, dass wir dafür bezahlen müssen, denn damit bezahlen wir buchstäblich dafür zu leben.

Doch zumindest in einer kapitalistischen Gesellschaft müssen wir uns mit diesem zwar etwas absurden, aber für uns lächerlich normalen Fakt erst Mal anfreunden. Zumindest dachte ich das immer, bis ich meine persönlichen Helden entdeckt habe: „Dumpster-Diver“.

Dumpster-Diving – oder auch „Containern“

Dumpster-Diver sind Menschen, die genau das nicht einsehen, die sich nicht damit zufrieden geben, für etwas zu zahlen, das lebensnotwendig ist. Dumpster-diving oder auch „Containern“ genannt, ist eine Bewegung, die sich vor einigen Jahren entwickelt hat und sich nun immer größerer Beliebtheit erfreut. Dabei geht es erstmal genau darum, wonach es sich anhört: Weggeworfenes aus den Containern, meist riesiger Unternehmen, zu holen.

Ich spreche hier bewusst nicht von stehlen, denn meiner Meinung nach hat jemand, wenn er /sie etwas wegwirft, ganz offensichtlich kein Interesse mehr daran. Das gilt für Einzelpersonen ebenso wie für große Supermarktketten. Weshalb sollte man dieses Containern also wie Diebstahl behandeln oder gar rechtlich damit gleichsetzten?

Sozialstunden und Geldstrafe für Containern

Jetzt kommen wir an die Stelle, an der mir nicht mehr alle zustimmen, denn zumindest Edeka und die deutsche Justiz sehen das leider anders als ich. Genau deshalb wurden am 30. Januar nämlich zwei Studentinnen zu acht Sozialstunden und einer Geldstrafe von 225€ auf Bewährung verurteilt.

Die beiden hatten sich in einer Juninacht vergangenen Jahres mit einem Vierkantschlüssel den Containern des Olchinger Edekas gewidmet und wurden dabei von der Polizei unterbrochen. Daraufhin erstattete der Marktleiter der Edeka-Filiale Anzeige, und wie man grade lesen konnte, hatte er damit auch noch Erfolg.

Acht Sozialstunden und eine relativ geringe Geldstrafe auf Bewährung, das hört sich doch erstmal gar nicht so schlimm an, könnte man jetzt sagen. Doch an dieser Stelle sollte man sich dann ganz ehrlich fragen: Wofür? Was haben diese beiden Studentinnen denn getan, was so verwerflich ist? Etwa etwas aus dem Mülleimer geholt und damit vor dem vergammeln gerettet? Dafür gesorgt, dass Lebensmittel, die noch absolut genießbar sind, noch zu verwenden, anstatt sie unnötig im Mülleimer vergammeln zu lassen? Oder haben sie es etwa tatsächlich gewagt, sich etwas zu nehmen, das der Millionenkonzern Edeka ganz offensichtlich sowieso nicht mehr wollte?

Geld regiert – doch Widerstand regt sich

Dass so etwas in Deutschland heute illegal ist, das zeigt nur eins: Der „beste Freund“ unserer Gesetze sind leider nicht die Menschenrechte, sondern das Geld. Welchen Grund sonst kann es geben, dass Lebensmittelkonzerne wie Edeka in Deutschland jedes Jahr schätzungsweise 18 Millionen Tonnen Essen in den Müll wandern lassen können, ohne dass jemand etwas sagt, aber wenn StudentInnen ein paar Bananen klauen, wird es brenzlig.

Ähnlich sahen das glücklicherweise auch 80.000 andere Menschen, die im Vorfeld der Verhandlung die Petition der beiden Angeklagten unterzeichneten. Ebenso wie eine Vielzahl solidarischer UnterstützerInnen, die vor dem Gerichtssaal eine Kundgebung abhielten. Eben diesen UnterstützerInnen und dem Widerstandsgeist der beiden jungen Studentinnen ist es zu verdanken, dass die Strafe, die in vorherigen Verhandlungen auf 1.200€ angesetzt war, nun auf dieses Maß gesunken ist.

Also lasst es euch nicht nehmen, mal was mitzunehmen.

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Tabea Karlo
Tabea Karlo
Perspektive-Autorin seit 2017. Berichtet schwerpunktmäßig über den Frauenkampf und soziale Fragen. Politisiert über antifaschistische Proteste, heute vor allem in der klassenkämperischen Stadtteilarbeit aktiv. Studiert im Ruhrpott.

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