Als junge Frau im Iran wurde sie gezwungen, ein Kopftuch zu tragen. Sie sagt: „Das Hijab ist für die Frauen weder in östlichen Ländern noch in westlichen Ländern eine freie Wahl. Wir dürfen nicht die Situation romantisieren, weil wir sie als Instrument in den Händen der Faschisten nicht zulassen möchten.“. – Ein Kommentar von Helin Kurdi
Der Tag, an dem ich eingeschult wurde, war der schlimmste Tag meines Lebens. Ich war sieben Jahre alt, ein kleines Mädchen, das zu Hause als Kind eine relative Freiheit hatte. An dem ersten Schultag musste ich plötzlich ein weißes Kopftuch mit langem grauem Mantel bis zu meinen Füßen tragen. Ich wurde von zu Hause bis zur Schule von meiner Mutter geschlagen, weil ich kein Kopftuch und keinen grauen Mantel wollte, ich habe weinend meine Mutter gefragt, warum ich jetzt ein Kopftuch tragen muss und warum mein Bruder kein Kopftuch trägt.
Sie hat mir die Antwort so formuliert: „Weil es ein Gottesgesetz ist, und er fordert von uns Frauen, dass wir unsere Haare und unseren Körper bedecken, damit wir nicht von der Familie und der Gesellschaft abweichen. Damit durch deine schönen schwarzen Haare die Ethik der Männer nicht abweicht. Da unser Körper und unsere Schönheit sehr gefährlich für die Gesellschaft sind.“
Diese Antwort hat mich als ein Kind tief erniedrigt. Ich habe mich klein und ganz unten gefühlt. Ein gefährliches Geschlecht und gleichzeitig schwach, machtlos, zerbrechlich – so zerbrechlich und schwach, dass mich immer ein Mann beschützen muss. Ich war neidisch auf meinen Bruder. Er musste kein Kopftuch tragen, er konnte bis zum Abend auf der Straße spielen. Er musste nicht meiner Mutter beim Haushalt helfen, weil die Aufgaben nur weibliche Aufgaben sind. Die männliche Aufgaben sind ganz anders: Macht, Kontrolle, Weisheit und die Frauen der Familie zu beschützen sind ihre Hauptaufgaben.
Die Ehre der Männer in der Familie ist die Vagina der Frau
An dem Tag bis zum meinen achtzehnten Lebensjahr habe ich mich jeden Tag mit Hass und Gewalt nach islamischen Regeln angezogen. Kopftuch oder besser gesagt Hijab war absolute Erniedrigung und Unterdrückung mir gegenüber und anderer Frauen auch. In einem islamischen Staat und einer absoluten patriarchalischen Familie und Gesellschaft, die sehr tief von der Religion geprägt ist, war/ist das Hijab für mich und Millionen von Frauen keine freie Wahl. In der islamischen Ideologie sind die Frauen an allem schuld, weil sie die Männer von der islamischen Ethik ablenken.
Aber die islamische Ethik geht direkt an die Vagina der Frau. Solange die Frau ihren Körper und vor allem ihre Vagina vor sexuellen Kontakten außerhalb der Ehe beschützt, ist auch die islamische Ethik und Gesellschaft geschützt. Die Ehre der Männer in der Familie ist die Vagina der Frau. Wenn die Frauen in der Familie keine Liebesbeziehungen und sexuellen Kontakte außer der Ehe haben und solange die Mädchen in der Familie Jungfrau sind, ist die Familie stolz und die Köpfe der Männer sind hoch. Und damit die „Instinkte“ des Mannes nicht angesprochen werden, muss die Frau ihren Körper verschleiern. Der Körper der Frau ist der größte Feind der Religion und ihrer Ethik.
Aus diesem Grund haben die Frauen, die in der islamischen (religiösen) Familie und Gesellschaft aufgewachsen sind bzw. von der religiösen Erziehung geprägt sind, keine freie Wahl zur Verhüllung ihres Körpers.
Man hört öfter von Liberalen und sogar manchmal von den Linken in Europa: Frauen wählen das Hijab selbst und man muss ihnen gegenüber Respekt haben und Toleranz zeigen. Aber nur, weil man gegen Populismus und Faschisten ist und gegen ihre Positionen gegen Nicht-Christen, bedeutet das nicht, dass man mit der reaktionären und hässlichen Seite von Religionen und Kultur einverstanden sein muss. Das ist einfach ein menschenverachtender und frauenfeindlicher Kompromiss.
Und ich weiß nicht, von welcher freien Wahl die Leute reden. In einer islamischen Familie, in der zu 100% Männer alles bestimmen und der Vater oder Bruder oder Ehemann für die Frau entscheiden, was sie anziehen müssen. Männer entscheiden, wie sie sich verhalten müssen, wann sie von zu Hause raus und wann sie zu Hause sein müssen und wen die Mädchen heiraten: also alles, was das Frauenleben angeht, muss einen Stempel und die Unterschrift eines Mannes haben, sonst droht den Frauen Todesstrafe.
Ein religiöser Muslim darf keine Frau heiraten, die kein Hijab hat, egal wie sehr der Mann in die Frau verliebt ist. Wenn die Frau auch Gefühle und Liebe zu dem Mann hat, hat die nur eine Lösung vor sich: entweder auf die Liebe verzichten oder Kopftuch tragen und Hijab haben.
Zu der Frau kann man sagen: ja, sie hat sich frei für das Hijab entschieden. Aber aus welchem Grund hat sie sich dafür entschieden? Wenn es eine zweite oder dritte Option gibt, entscheidet sich die Frau immer noch für das Hijab?
Für die Frauen in solchen Situationen geht es nicht um die freie Wahl, sondern um das Überleben.
Eine Frau oder ein Mädchen in muslimischer Familie und Gesellschaft ist immer das zweite, schwächste wertloseste, gefährlichste Geschlecht, das immer unterdrückt und kontrolliert wird, damit es die Macht des Mannes nicht gefährdet. Die Macht des Mannes ist aber stark von der Politik und Religion beschützt. Die Aspekte Liebe und Respekt bekommen die Frauen in so einer Männerwelt, solange sie brave Menschen sind und alles machen, was von den Männern verlangt wird. Aber wenn eine Frau gegen die Gesetze des Patriarchats in der Familie und Gesellschaft rebelliert, dann drohen der Frau harte Strafen sowie körperliche und psychische Folter, Isolation, Scheidung ohne Unterhalt und ohne Sorgerecht für die Kinder, Gefängnis, sogar Todesstrafe.
Die Wahl für die Frauen ist eine Entscheidung zwischen schlimm und noch schlimmer. Eine Entscheidung zwischen Tod oder Überleben. Was hier gar keine Rolle spielt, ist die Freiheit. Wo man Angst vor den Bestrafungen des Gottes, vor dem Schlagen, Foltern, vor einem Leben ohne Kinder oder Verzicht auf die Liebe hat, ist es ein Joke, von freier Wahl zu reden.
Frauen wählen das Hijab nicht einfach als eine freie Bekleidung oder eine Art der Mode. Egal wo die Frau ist, ob im Nahen Osten, Asien, Afrika oder in dem Herzen Europas oder der USA lebt.
Hijab ist nicht nur eine Art von der Bekleidung, bei der eine Frau von heute auf morgen ihren Modegeschmack ändern möchte oder bei einem Karneval einfach zum Spaß haben will. Hijab ist ein Grundgesetz des Islams und dazu werden die Frauen schon ab ihrer Kindheit gezwungen. Ein Symbol der Erniedrigung und Unterdrückung der Frauen. Mit Kopftuch und Vollverschleierung gibt eine Frau ihre Rechte und ihre Freiheit als zweites Geschlecht vor Gott und den Männern, die zur Familie gehören, auf.
fFr mich als ein siebenjähriges Kind war das Hijab keine Wahl, sondern eine Kapitulation. Wenn man in der Familie und in der Gesellschaft nicht als Mensch, sondern als ein Stück frisches hübsches Fleisch zum sexuellen Genuss gesehen wird und keine menschlichen Rechte hat, alle Gesetze und Regeln gegen einen sind, dann ist man machtlos. Wenn man machtlos ist und keine Waffen gegen seine Feinde in der Hand hat, muss man einfach Kompromisse machen und in eine Kapitulation reinkommen, damit man überlebt.
Das rationale Verständnis für die Kapitulation der Frauen in den islamischen Ländern wie Iran, Irak, arabischer Raum, Afghanistan, Pakistan, Somalia …. ist gar nicht schwer. Es gibt täglich Ehrenmorde.
Hijab, Unterdrückung, Ehrenmorde an Frauen in Europa
Der ehemalige kommunistische Parteiführer im Iran, Mansoor Hekmat, hat es in einem Artikel so geschrieben: “Wenn die Kopfbedeckung unter dem Namen Hijab für „Rosa und Julia“ unmenschlich ist, ist das auch genau für „Malihe und Shahin“ unmenschlich.“ Wenn das als Kindesmisshandlung angesehen wird, warum gibt es tausende islamische Schulen, in denen frauenfeindliche islamische Theorie gelehrt wird? Warum wird zugelassen, dass kleine Mädchen mit Hijab in der Schule lernen und warum wird das Hijab für Kinder nicht verboten? Im Namen der Toleranz werden unterschiedliche religiöse und kulturelle Verbrechen gegen Frauen in Europa zugelassen.
Das Hijab war und ist für die Frauen weder in östlichen noch in westlichen Ländern eine freie Wahl. Wir dürfen nicht die Situation romantisieren, weil wir das als Instrument in den Händen der Faschisten nicht zulassen möchten. Kampf gegen das Hijab und für eine tatsächliche freie Wahl der Frauen ist die Aufgabe von den Männern und Frauen, die für eine Gesellschaft ohne Klasse und Gleichberechtigung der Menschen kämpfen.