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Montag, April 29, 2024
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    Zwangsarbeit für Geflüchtete?

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    Der CDU-Politiker Thom fordert, geflüchtete Menschen, die keinen Job in Deutschland finden, in “Dienstpflicht” zu stellen. Das bedeutet konkret, dass diese für wenig Geld einen Arbeitsdienst bei Kommunen oder bei der Aufforstung verrichten sollen. Jobs, die sie sich nicht ausgesucht haben und für die sie obendrein schlecht bezahlt werden sollen. – Ein Kommentar von Tabea Karlo

    Der Jurist und CDU-Bundestagsabgeordnete Alexander Thom hat eine neue Forderung aufgestellt: Geflüchtete Menschen, die keine Arbeit finden, sollen in Dienstpflicht gestellt werden. Das bedeutet sie sollen in den Bereichen arbeiten, wo es Deutschland an MitarbeiterInnen mangelt: in der Wohlfahrt, in den Kommunen und bei Naturschutzprojekten wie der Aufforstung.

    600.000 arbeitsfähige Geflüchtete beziehen momentan Leistungen nach dem zweiten Sozialgesetzbuch (SGB II). Das ist der Grundstein, auf dem Thom seine Argumentation aufbaut. In einem Interview mit der Welt begründet er seine Forderung außerdem damit, dass man geflüchtete Menschen langsam an den Arbeitsmarkt heran führen müsse, und das ginge durch einen gemeinnützigen Dienst. Regelmäßige Arbeitszeiten zwischen vier und acht Stunden am Tag seien Thom zufolge wichtig, um sich an einen geregelten Arbeitsalltag zu gewöhnen. Geflüchtete Menschen sollten motiviert werden. Der Lohn dürfe aber nicht zu hoch sein, um Menschen nicht daran zu hindern, sich einen richtigen Job zu suchen.

    An dieser Argumentation ist so vieles verkehrt. Eine kleine Hintergrundinformation dazu: Kurz vorher hat Angela Merkel in einer Rede angemerkt, dass der Klimaschutz uns alle, auch die Wirtschaft viel Geld kosten werde. Dafür hat Thom recht schnell eine einfache Lösung gefunden: bestimmte Arbeitsplätze einfach nur noch gering bezahlen. Geflüchtete in Naturschutzprojekten, Wohlfahrtsverbänden und Kommunen einzusetzen, hat wenig mit dem Interesse an den Menschen zu tun, sondern viel mehr damit, dass gerade diese Bereiche chronisch unterbesetzt sind. Könnte man Menschen, ohne dass sie vorher eine jahrelange medizinische oder pflegerische Ausbildung machen müssten, in Pflegeberufe zwängen, hätte Thom sicher auch das vorgeschlagen.

    Dienstpflicht meint Zwangsarbeit

    Dienstpflicht ist nur ein schöneres Wort für Arbeitszwang. Würde man den Geflüchteten tatsächlich helfen wollen, dann würde man die benötigten Jobs einfach zu normalen Gehältern ausschreiben und die zuständigen PersonaleiterInnen ermutigen, bevorzugt Menschen mit Migrations- oder Fluchthintergrund einzustellen.

    Thom betont fehlende Motivation als Problem, und das bezweifle ich stark. Leistungen nach dem SGB II zu bekommen, ist alles andere als angenehm. Erstens sind die Zahlungen so gering, dass sie kaum zum Leben ausreichen und zweitens muss man sich regelmäßig komplett vor dem Amt entblößen und all seine Ausgaben und eventuellen Einnahmen offenlegen. Das tut vermutlich niemand freiwillig oder gern.

    Dass Menschen mit Fluchthintergrund in Deutschland keine Arbeit finden hat nichts damit zu tun, dass sie nicht an einen Arbeitsalltag gewöhnt sind. Erstens haben sie in ihrer Heimat sicher auch gearbeitet, bevor dort so viel Leid geschah, dass sie zur Flucht gezwungen waren. Zweitens ist der Alltag während und nach der Flucht nicht gerade von langem Schlaf und Chillen geprägt. Thom bestärkt mit seinen Aussagen genau den Rassismus und die Vorurteile, die dafür sorgen, dass Geflüchtete keine Arbeit finden können.

    Dabei ignoriert er geschickt, dass das deutsche Rechtssystem, das er als gelernter Jurist nur zu gut kennen dürfte, einen großen Anteil daran hat, dass geflohene Menschen nicht arbeiten gehen können. In den ersten Monaten ist es ihnen nämlich überhaupt nicht erlaubt, erwerbstätig zu sein. Das geht erst ab einer bestimmten Aufenthaltsdauer, oder wenn sie einen gesicherten Bleibestatus haben – etwas, das auch Thom nicht etwa aufheben will. Die Dienstpflicht fordert er nur für anerkannte Flüchtlinge, die eine sogenannte Bleibeperspektive haben.

    Als Dank dafür werden die Menschen dann in Jobs gedrängt, die sie sich nicht aussuchen dürfen. Eine Dienstpflicht für Geflohene, das bedeutet konkret, sie zu zwingen einen Job anzunehmen, den sie vielleicht nicht machen möchten. Etwas, das aus Geldnot heraus in der kapitalistischen Gesellschaft sowieso immer wieder geschieht. Dass Menschen sich ihre Arbeit nicht mehr aussuchen können, sondern einfach nehmen müssen, was sie kriegen, wird damit gesetzlich verankert.

    Hungerlohn statt einer Perspektive

    Für all das sollen die Geflüchteten nur einen Hungerlohn bekommen. Schließlich darf die Dienstpflicht die Menschen nicht abhalten, sich einen richtigen Job zu suchen, und diese Motivation werde eingegrenzt, wenn man in den Jobs, die man in der Dienstpflicht annimmt, zu viel verdient. Was dabei verschwiegen wird, ist, dass durch die Dienstpflicht keine neuen Jobs geschaffen werden. Die Arbeit, die dort verrichtet wird, kommt nicht von irgendwoher, sondern es ist Arbeit, für die sonst ArbeiterInnen fehlen. Statt Arbeitsplätze zu schaffen, die richtig bezahlt werden, spart man also einen ganzen Haufen Geld, wenn man Menschen zwangsweise einstellt. Und diese unter dem Feigenblatt der Integration schlechter bezahlt.

    Eine Integration in die Gesellschaft, die gerade dadurch behindert wird, dass den Menschen häufig das Geld fehlt, am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben, beispielsweise ihre Kinder in den Fußballverein zu stecken oder mal ins Kino zu gehen. Das soll also durch mies bezahlte Jobs behoben werden?

    Damit sich Menschen tatsächlich wohl und aufgenommen fühlen, müssten ganz andere Maßnahmen her. Man bräuchte psychologische Betreuung, damit die Menschen die auf der Flucht erlebten Dinge ordentlich bewältigen können. Man bräuchte Sprachkurse – und nicht erst dann, wenn die Geflüchteten das Bleiberecht erhalten, sondern schon kurz nach ihrer Ankunft. Man bräuchte Kinderbetreuung und Freizeitangebote. Das alles hat Thom nicht erwähnt, weil es kein Geld bringt. Das beweist, dass hinter dem Vorschlag nach einer Dienstpflicht weniger die Hilfsbereitschaft gegenüber Geflüchteten steht, als viel mehr ein wirtschaftliches Interesse.

    • Perspektive-Autorin seit 2017. Berichtet schwerpunktmäßig über den Frauenkampf und soziale Fragen. Politisiert über antifaschistische Proteste, heute vor allem in der klassenkämperischen Stadtteilarbeit aktiv. Studiert im Ruhrpott.

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