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Donnerstag, April 25, 2024
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    Warum gibt es keinen dauerhaften Frieden auf der koreanischen Halbinsel?

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    Die Situation in Korea kann nicht mit einem „pyromanischen Verrückten“ erklärt werden. Vielmehr muss auch auf die hinter den koreanischen Staaten stehenden Mächte geguckt werden. – Ein Kommentar von Paul Gerber

    Mit der Sprengung eines von Nord- und Südkorea gemeinsam betriebenen Kontaktbüros in der Grenzstadt Kaesong in der demilitarisierten Zone, die die beiden Staaten trennt, sowie mit der Ankündigung, Truppen an die Südgrenze zu schicken und Schießübungen wieder aufzunehmen, hat Nordkorea die Weltöffentlichkeit aufgeschreckt. Die Zeichen stehen auf Eskalation.

    Es ist verlockend – in einer solch undurchsichtigen Situation – zur Erklärung Zuflucht zu nehmen, dass der „verrückte Diktator“ Kim Jong Un Langeweile bekommen habe und mal wieder mit Sprengstoff hantieren wollte. Abgesehen davon, dass Politik grundsätzlich nicht von Verrückten beherrscht wird, ob sie Trump, Putin oder Kim Jong Un heißen, sondern andersherum die Politik die vermeintlich Verrückten beherrscht, spricht gegen diese Erklärung auch, dass das koreanische Regime schon viel zu lange besteht, um eine vollkommen unfähige oder irrationale Staatsführung zu haben.

    Sowohl für die jüngste Eskalation, als auch für die dauerhaft gespannten und scheinbar unlösbaren Situation auf der koreanischen Halbinsel müssen also andere Erklärungen gefunden werden.

    Die jüngste Eskalation beginnt am 4. Juni mit dem öffentlichen Vorwurf der Schwester Kim Jong-uns, Kim Yo-jong, die südkoreanische Regierung würde eine Flugblattaktion verantworten, bei der Ende Mai 500.000 Flugblätter mit Texten gegen die nordkoreanische Staatsführung in Luftballons gen Norden geschickt worden seien.

    Die nordkoreanische Presse füllt sich seit diesem Tag zunehmend mit harschen Vorwürfen und Beschimpfungen gegen die Verräter aus dem Süden, die den Wunsch des Volkes nach Einheit und Frieden ignorieren und sabotieren würden.

    Zwar ist über die Auswirkungen der Corona-Krise für Nordkorea wenig bekannt – offiziell ist noch kein einziger Fall im Land gemeldet worden -, jedoch liegt nahe, dass, wie in jedem anderen Land auf der Welt, die innere Lage mindestens angespannt ist. Die Ausfuhrbeschränkungen in der Corona-Krise dürften Nordkorea mitten in der Erntezeit getroffen haben. Unter anderem wird Dünger aus China importiert.

    Die gegen die nordkoreanische Führung gerichteten Flugblätter könnten somit tatsächlich als Bedrohung empfunden werden. Unabhängig davon, wie groß diese tatsächlich ist, ist es plausibel, dass die Parteiführung Nordkoreas mit einer „moralischen Generalmobilisierung“ auf Ablenkung von den bestehenden inneren Problemen hofft. Dass es solche gibt, wird unter anderem durch Artikel in der nordkoreanischen Presse nahe gelegt, in der die BürgerInnen zu Sparsamkeit angehalten und aufgerufen werden, soviel wie möglich selbst zu produzieren.

    Hinzu kommt schließlich, dass den Versprechungen der USA, im Austausch für einen Stopp der nordkoreanischen Atomwaffen- und Raketenprogramme, die Sanktionen gegen das Land zu lockern, bis dato keine Taten gefolgt sind.

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    Es kann unterstellt werden, dass es Nordkoreas Kim Jong Un und seinen Vertrauten tatsächlich in erster Linie um die Stabilisierung ihres Staats in innen- und außenpolitischer Hinsicht geht. Das ändert jedoch nichts daran, dass der Konflikt in Korea im wesentlichen vom sich verschärfenden Konkurrenzkampf zwischen China und den USA, darum wer die Vorherrschaft auf der Welt ausübt, gezeichnet ist.

    Während in den westlichen Medien meist lediglich der Norden als hochgradig militarisierter Schurkenstaat dargestellt wird, muss anerkannt werden, dass auch Südkorea einen erheblichen Teil seiner ökonomischen Ressourcen auf den Aufbau, den Unterhalt und die Modernisierung seines Militärs legt. Gerade im letzten Aspekt ist es dem Norden weit überlegen. Hinzu kommt eine achtjährige verpflichtende Zeit als Reservist der Armee, die auf den zweijährigen aktiven Militärdienst folgt.

    Ein hypothetischer Krieg zwischen beiden Staaten würde mit Sicherheit auf beiden Seiten Hunderttausende bis Millionen Tote fordern und weite Teile beider Staaten zerstören.  An einer derartigen Eskalation haben beide Seiten kein Interesse. Dies äußert sich sowohl in den hasserfüllten Erklärungen aus Nordkorea, die aber dennoch zwischen den Zeilen Hintertüren für eine Deeskalation offen halten, als auch in dem von Nordkorea abgelehnten Versuch, eine Delegation zur Beilegung des Konflikts zu schicken.

    Die Bedeutung des Konflikts liegt vor allem darin, dass sollten sich die politischen Verhältnisse in keinem der beiden koreanischen Staaten bis dahin grundlegend ändern, in einem sich ankündigenden Dritten Weltkrieg die Grenze zwischen den Staaten zugleich eine der ersten Frontlinien zwischen den beiden Großmächten USA und China wäre.

    Die vor allem in Japan und Südkorea sehr konsequent geschürte Angst vor einem Überfall aus Nordkorea dient unter anderem zur Rechtfertigung der fortgesetzten militärischen Kooperation mit den USA. Noch immer sind rund 30.000 US-Soldaten in Südkorea stationiert. Und auch das 2017 installierte US-amerikanische Raketenabwehrsystem THAAD wird von China zurecht als vorsorgliche Abwehrmaßnahme auch gegen chinesische Angriffe verstanden.

    China seinerseits hat immer wieder angekündigt, Nordkorea gegen mögliche ausländische Interventionen zu verteidigen. Dieses Versprechen ist ernst zu nehmen, dar das nordkoreanische Regime auch als gebirgiger Puffer zwischen in einem Krieg möglicherweise in Südkorea landenden Invasionstruppen und dem eigenen Staatsgebiet dient.

    Hieraus folgt, dass das größte Hindernis für eine Entspannung der Lage in Korea, die sich verschärfenden Interessensgegensätze zwischen den imperialistischen Großmächten und das damit einhergehenden Säbelrassen ist.

    • Paul Gerber schreibt von Anfang bei Perspektive mit. Perspektive bietet ihm die Möglichkeit, dem Propagandafeuerwerk der herrschenden Klasse in diesem Land vom Standpunkt der Arbeiter:innenklasse aus etwas entgegenzusetzen. Lebensmotto: "Ich suche nicht nach Fehlern, sondern nach Lösungen." (Henry Ford)

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