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Mittwoch, April 24, 2024
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    Nordkorea: Eskalation oder Rückkehr zu Verhandlungen?

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    Mit einer pompös inszenierten Militärparade hat Nordkorea den 75. Geburtstag der regierenden Arbeiterpartei gefeiert. Dort zeigte das Regime von Kim Jong-Un erstmals einen neuen Typ von Interkontinentalraketen. Beobachter:innen halten erneute Schritte der Annäherung an Südkorea und die USA dennoch für wahrscheinlich.

    Hell erleuchtete Straßen um Mitternacht in Pjöngjang, ein neu errichtetes Tribünen-Gebäude mit Marmorverkleidung und eine zweieinhalbstündige, aufwendig produzierte Dokumentation im Staatsfernsehen: Nordkorea hat trotz seiner mutmaßlich desaströsen wirtschaftlichen Lage weder Kosten noch Mühen gescheut, um den 75. Jahrestag der herrschenden Arbeiterpartei zu inszenieren.

    Besondere Aufmerksamkeit in den westlichen Medien erregte dabei ein neuer Typ von ballistischen Interkontinentalraketen, die auf vier elfachsigen Lastwagen über den Paradeplatz gefahren wurden. Möglicherweise handelt es sich dabei um die größten flüssigkeitsgetriebenen ballistischen Raketen der Welt, zumindest aber die größten, die Nordkorea je gezeigt hat.

    Auch wenn bei der Parade vermutlich nur Modelle präsentiert wurden, gehen alle Berichte davon aus, dass sich ein entsprechender Typ von Raketen tatsächlich in Entwicklung befindet – und möglicherweise mehrere Atomsprengköpfe tragen könnte. Es war das erste Mal seit dem Gipfeltreffen Kim Jong-Uns mit US-Präsident Trump im Jahr 2018, dass Nordkorea der Welt seine Langstreckenraketen zeigte.

    Neue Eskalationen?

    Handelt es sich bei der Vorführung also um eine Kriegsdrohung Nordkoreas und den nächsten Schritt in eine Periode wachsender Spannungen mit Südkorea und den USA? Schließlich hatte Nordkorea bereits im Sommer in einer spektakulären Aktion das Verbindungsbüro zu seinem südlichen Nachbarn gesprengt und damit die offiziellen Gesprächskanäle zwischen beiden Ländern gekappt.

    Nordkorea: Spannungen auf der koreanischen Halbinsel verschärfen sich

    Beobachter der Situation auf der ostasiatischen Halbinsel wie der Stratfor-Analyst Rodger Baker rechnen trotzdem nicht mit weiteren Provokationen in diesem Jahr. Baker ging bereits im Vorfeld des Jahrestags davon aus, dass Nordkorea die Gelegenheit nutzen würde, um sein militärisches Potential zu demonstrieren.

    Insbesondere die Demonstration der Fähigkeit, sein Kriegsgerät selbst herzustellen, sei dabei von Bedeutung. In der Tat führte die Armee bei der Parade neben den Raketen auch neue Sturmgewehre, Infanteriefahrzeuge, einen Kampfpanzer sowie bisher unbekannte Raketenwerfer vor. Stratfor hält auch Tests von Kurzstreckenraketen – möglicherweise sogar von U-Booten abgefeuert – für denkbar.

    Vor den Präsidentschaftswahlen in den USA habe das Land jedoch kein Interesse daran, eine größere Eskalation zwischen beiden Staaten – etwa durch einen Test von Langstreckenraketen – herbeizuführen, da die Wahrscheinlichkeit für einen außenpolitischen Schwenk der USA in diesem Zeitraum äußerst gering sei.

    Wirtschaftliche Lage

    Zudem habe Nordkorea vor dem Hintergrund internationaler Sanktionen mit einer äußerst schwierigen wirtschaftlichen Lage zu kämpfen, die durch Überschwemmungen und die Folgen der weltweiten Corona-Pandemie noch verschärft worden sind. Erst vor wenigen Tagen ordnete die Führung Nordkoreas eine 80-tägige Kampagne an, um die Wirtschaft des Landes anzukurbeln.

    Im August hatte Kim Jong-Un in einem ungewöhnlichen Schritt bereits öffentlich eingeräumt, dass das Land die wirtschaftlichen Ziele seines aktuellen Fünfjahresplans verfehlen werde, und die Verabschiedung eines neuen Plans bei einem Kongress der Arbeiterpartei im kommenden Januar angekündigt. Bei der Militärparade legte er noch eins drauf und entschuldigte sich unter Tränen bei den Nordkoreaner:innen, dass „seine Bemühungen und seine Hingabe nicht ausreichten, um unsere Leute aus schwierigen Lebensbedingungen herauszuholen.“.

    Insbesondere die Lebensmittelversorgung ist eine große Schwachstelle Nordkoreas, das nur über relativ wenige Anbauflächen verfügt. Bereits im vergangenen Jahr häuften sich Berichte über eine Hungersnot in dem Land. Die Sprengung des Verbindungsbüros zu Südkorea wurde mitunter als Versuch gewertet, das Nachbarland zu Hilfsleistungen zu zwingen.

    Amerikanische Korea-Politik nach der Wahl

    Für das nächste Jahr sieht Analyst Baker Anzeichen für eine mögliche Rückkehr zu Verhandlungen auf der koreanischen Halbinsel. Da die Aufgabe seiner Atomwaffen für Nordkorea eine „rote Linie“ darstelle und damit unrealistisch sei, könnten die USA ihre Forderung nach einer einseitigen Denuklearisierung des Landes abschwächen und stattdessen auf ein Rüstungskontrollabkommen hin orientieren.

    Denkbar wäre dies sowohl unter einer neuen Trump- als auch unter einer demokratischen Biden-Regierung. Auf diese Weise könnten die USA anstreben, Nordkorea von ihrer Liste „andauernder Probleme“ zu streichen, um sich stattdessen auf die Auseinandersetzungen mit China und dem Iran zu konzentrieren.

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